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unsere Schüler nicht mit dieser Fertigkeit ausrüsten wollten, so würden wir uns einer mehrfachen schweren Vernachlässigung schuldig machen. Des Meisters Buch vom deutschen Sprachunterricht handelt ja auch eben von diesem deutschen Unterricht im engeren Sinne; freilich kann der Blick bei den großen Gesichtspunkten des Buches dieses kleine, eng um= schriebene Gebiet leicht aus den Augen verlieren.

Indem ich mir aber nun zu vergegenwärtigen suche, wie sich Hildebrand diese äußere Aneignung der Sprache denkt, so finde ich den Grundsaz an der Spiße: Keine äußere Aneignung ohne innere! Das Grammatische und Orthographische wird immer ein trockener, langweiliger Unterrichtsstoff sein, wenn der Lehrer nicht bei jeder Gelegenheit das blühende Leben hervorzuzaubern versteht, wovon jedes Winkelchen der Sprachwelt so voll ist, wovon aber der Schüler gerade in den deutschen Stunden am wenigsten zu sehen bekommt. Die Grammatik hat es zu thun mit Hauptwörtern, Geschlechtswörtern, Fürwörtern, Zahlwörtern, Thätigkeitswörtern u. f. w., mit Beugen und Steigern, mit Zusammenseßungen und Ableitungen, mit Saßgegenständen, Saßaussagen und Ergänzungen, mit Haupt- und Nebensäßen u.s w. u. s. w., und wir haben unsere liebe Not, alle diese Ausdrücke dem Gedächtnis und dem Verstande der Kinder einzuprägen, — natürlich nicht ohne ihnen gleichzeitig die Sache, die dadurch bezeichnet werden soll, so gut es eben geht, nahe zu bringen. Das alles find aber doch nur (logische) Übungen am äußeren Bau der Sprache, wobei uns und den Schülern der Inhalt derselben gänzlich gleichgültig bleibt. Grammatisch interessiert uns der Sat,,Der heilge Ludwig tritt hervor“ nicht mehr als etwa der gleichgebaute,,Der flüssige Leim klebt." Reiht man also die Beispiele lediglich in Rücksicht auf ihre grammatische Bedeutung so aneinander und redet nun von Saggegenstand (der Ludwig - der Leim), Beifügung (heilige flüssige) und Sahaussage (tritt hervor flebt), so ist klar, daß die Schüler bei diesem raschen Wechsel nebelhafter Anschauungen von der Gemütsstimmung des grauen Nebels, der Langenweile, erfaßt werden müssen. Gleichzeitig aber versündigt man sich auch an der Sprache, indem man ohne Schonung ihres inneren Lebens eine Zerfleischung ihrer äußeren Gestalt, also eine richtige Vivisektion unternimmt. Und das ist es, wogegen sich Meister Hildebrand mit Händen und Füßen wehrt: dieses gefühllose Herumhantieren am Leibe der Sprache bei gänzlicher Nichtberücksichtigung ihres eigentümlichen seelischen Lebens, diese Empfindungslosigkeit gegenüber einem der edelsten Güter, das der Mensch besißt, sowie die verkehrte Pädagogie, die da obwaltet, wo man dem Schüler die Sprache nur als einen Gegenstand seines Wissens, und nicht auch als einen Gegenstand seiner Empfindung, seines inneren Anschauens und Erlebens

nahe bringt. Wie sich dagegen der Meister die Grammatik unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Sprachgeistes denkt, das geht aus seiner Unterrichtsprobe über das Neutrum hervor. Nach der bisherigen Weise erfuhren die Schüler nur: Es giebt drei Geschlechter, männliches, weibliches und sächliches Geschlecht. So hingestellt erscheint das (ganz abge= sehen davon, daß die Bezeichnung sächliches Geschlecht falsch ist) als eine Willkür der Sprache, der man sich einfach willenlos zu fügen habe; und da man auch bei allen anderen Eigentümlichkeiten der Sprache so verfuhr, so mußte als vorherrschendes Gefühl im Schüler notwendigerweise Unlust und Unwille gegenüber der anscheinenden Tyrannenlaune der Sprache entstehen. Unluft und Unwille aber sind gewiß noch von keiner pädagogischen Theorie als Hebel des Unterrichts betrachtet worden!

Wie anders verfährt dagegen Hildebrand! Er zeigt an gelegentlichen Beispielen, daß thatsächlich Fälle vorkommen, wo das Geschlecht unbezeichnet gelassen werden muß (Mein Bruder und meine Schwester vertragen sich nicht, weil keins nachgeben will), und daß die Sprache erst aus diesem Notfalle heraus das Neutrum gebildet hat. Mit welchem anderen Gefühl steht hier der Schüler der Sprache gegenüber? Er hat einen Blick gethan in ihre geheime Werkstatt, er hat nicht Laune, sondern einen tiefen Verstand als Triebfeder ihrer Schöpfungsakte erkannt; sein Interesse ist geweckt, und das wird wohl nun auch noch für einige weniger interessante Fälle den Lerntrieb in Atem erhalten! Denn das dürfen wir nicht übersehen: Hildebrand selbst bezeichnet solche Blicke in den schaffenden Sprachgeist, die dem Schüler zu eröffnen sind, als Bissen Kuchen zwischen das Brot. Grammatik ist und bleibt eine trockene Speise, und wir können ihre Unschmackhaftigkeit nur hie und da durch etwas Schmackhaftes versüßen, aber nie ganz beseitigen.

Als solche Bissen Kuchen zwischen das Brot hat man nun allgemein die Lehre von der Wortbildung und der Wortbedeutung erkannt. (Als Hülfsmittel für den Lehrer erscheint mir hierzu die „Deutsche Wortkunde“ von Edwin Wilke, Leipzig, Richter, empfehlenswert.) Um gleich an das Nächstliegende anzuknüpfen: Die Wahl des Geschlechts (S. 172). Gewiß wird man die Kinder auch einmal darauf aufmerksam machen dürfen und man wird gerade hierdurch ihr Interesse für den Sprachunterricht beträchtlich erhöhen, daß alles Große und Starke meist männliches Geschlecht, alles Kleine und Zarte meist weibliches Geschlecht hat, und daß sich dieses sogar auf Sachen erstreckt (die Bäume sind z. B. meistens weiblich, ebenso die Flüsse, die Berge meist männlich), und daß alles Junge, Unentwickelte sächlich ist (woher sich auch das sächliche Geschlecht der Verkleinerungsformen erklärt).

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Wie interesseerweckend ist ferner der Nachweis, daß alle jezt unselbständigen Vor- und Nachsilben früher selbständige Wörter mit fest= stehender Bedeutung gewesen sind, zumal sich diese Bedeutung jezt noch häufig erkennen läßt! So bedeutet die Vorsilbe ent eine Gegenbewegung, z. B. entgegnen, entbieten, entheben, entlassen, entfremden, die Vorsilbe miß etwas Schlechtes, Böses, Falsches, z. B. Mißernte, Mißbrauch, Mißgunst, die Vorfilbe un das Gegenteil, z. B. unschön, unzart, unsauber, die Vorsilbe zer eine Trennung, z. B. zerreißen, zerlegen, zerbersten, zergehen u. s. w. Die Nachsilbe bar enthält den Begriff des Tragens (von mhd... bëran=tragen), z. B. dankbar, dienstbar, genießbar, die Nachsilbe haft mit etwas behaftet sein, z. B. schreckhaft, schwaghaft, flatterhaft, krankhaft, die Nachsilbe heit, ursprünglich ein weibliches Hauptwort, bedeutet soviel wie Art und Weise, z. B. Thorheit, Schönheit, Weisheit, die Nachsilbe lich, die als selbständiges Hauptwort noch fortlebt in Leiche, bedeutet Körper, Gestalt, z. B. weiblich, freundlich, häßlich, bildlich, jährlich, die Nachsilbe schaft bezeichnet einen Stand oder Zustand, z. B. Ritterschaft, Bürgerschaft, Gefangenschaft, Kindschaft, die Nachsilbe tum, ursprünglich ein Hauptwort mit der Bedeutung von Verhältnis, Stand, Würde u.s.w., hat auch jezt noch diese Bedeutung z. B. Herzog= tum, Heiligtum, Menschentum u. s. w. u.s. w. (Siehe Wilke S. 153 u. f.)

Eine vortreffliche Einführung in den Geist der Sprache und zugleich eine wertvolle Unterstützung von Grammatik und Orthographie ist ferner die Aufstellung von Wortfamilien, wie solche neuerdings in verschiedenen pädagogischen Fachzeitungen empfohlen worden ist, und wozu auch Wilke in seiner deutschen Wortkunde reiches Material liefert. Vergl. die Familien der Wörter binden (S. 194), tragen (S. 206), ziehen (S. 228), fahren (S. 230), scheren, stehen, schlagen u. s. w. Die Allgemeine deutsche Lehrerzeitung brachte in Nr. 41-43 vor. Js. einen Auffah über Wortbildung und Wortbedeutung, der ebenfalls in der Empfehlung solcher Wortfamilien (und Sachgruppen, wovon gleich nachher!) gipfelt. Als Beispiel führt Verf. die Wortfamilien fließen, binden und zwei an, wovon ich hier die erstere folgen lasse:

,,Die ursprüngliche Bedeutung von fließen ist obenaufschwimmen, ins Schwimmen geraten, getrieben werden. So gebraucht es z. B. Walther von der Vogelweide in dem berühmten Spruche, mit dem er bei der Kaiserwahl für Philipp von Hohenstaufen Partei nimmt:

Ich hörte die Wasser diezen

Und sah die Fische fliezen.

Zu fließen gehört das Faktitivum

flößen in der Bedeutung von

einflößen = einfließen machen, und

Zeitschr. f. d. deutschen Unterricht. 11. Jahrg. 12. Heft.

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=

flößen auf dem Wasser schwimmen lassen und so fortschaffen. Ferner folgende Ableitungen:

=

Floß geflößtes Holz, und dann auch ein aus zusammengeschlagenen Bäumen bestehendes Fahrzeug,

Flößer der Holz flößt,

Flossen, Floßfedern – die Gliedmaßen für die Fortbewegung, für das Schwimmen im Wasser,

=

flott auf dem Wasser schwimmend (mit der übertragenen Bedeutung: sich frisch und frei bewegen),

Flotte

=

=

eine größere Anzahl zusammengehöriger Schiffe, namentlich Kriegsschiffe,

Fluß 1. fließendes Gewässer,

2. der flüssige Zustand, in dem sich geschmolzenes Metall befindet,

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Überfluß = überströmendes Maß, Überfülle, Unnötiges,

Verfluß nach Verfluß von

verflossen, wie das vorige von der Zeit gebraucht,

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Flut breit daherströmendes und ansteigendes Wasser, und Sintflut - andauernd große Flut (vergl. die Pflanzennamen Singrün = Immergrün, Sinau oder Sintau= Immertau, weil sich die Regen und Tautropfen in dem faltigen Mantel des Blattes sehr lange halten). Sündslut ist volksetymologische Umdeutung. Wer es versucht hat, weiß, welches rege Interesse die Schüler der Auffindung solcher Wortfamilien (wobei man die Schüler natürlich möglich frei gewähren lassen muß) entgegenbringen; und dieses einmal erwachte Interesse wird dann sicher auch die trockneren grammatischen und orthographischen Übungen begleiten, die man im Anschluß an solche Wortfamilien anzustellen für gut findet.

"

Ebenso beachtenswert erscheint mir aber auch der andere Vorschlag, den der Verf. jenes Aufsaßes in der Allg. d. Lehrerzeitung zur Lehre von der Wortbildung und Wortbedeutung beibringt, nämlich der, Sachgruppen zusammenzustellen. Verf. versteht darunter „, Zusammenfassungen und Erklärungen der einem bestimmten Gedankenkreise ursprünglich allein eigenen charakteristischen Bezeichnungen." Ist z. B. in der Geschichte das Ritterleben im Mittelalter besprochen worden, so werden alle die für dieses Kulturganze besonders charakteristischen Bezeichnungen in der deutschen Stunde zusammengestellt und, wenn nötig, vervollständigt. Hierbei würden sich ungefähr folgende Sprachanschauungsbilder ergeben.

Burg- ursprünglich jeder vor feindlichem Angriff bergende Ort,
Wagenburg

eine aus zusammengefahrenen Wagen gebildete Verschanzung im Kriege.

=

Zwingburg - eine Burg, durch deren Besiß man das Umliegende zu beherrschen, zu zwingen imstande ist.

Burgverlies - Burggefängnis, eigentlich der Ort, in dem man verloren ist. (Albert Richter im „Prakt. Schulmann“ 1894 Erstes Heft erklärt gelegentlich einer Besprechung der Stelle: „Sah etwas blinken auf der Straß, das ein zerbrochen Hufeisen was“ auch den Zusammenhang zwischen verlieren und Verlies, und macht dabei auch noch auf den Lautwechsel von r und s in frieren und Frost, kiesen und erkoren u.s.w. aufmerksam.) Bergfried der Burgturm. Fried – Schuß, auch in Friedhof. Heer - berge, Gasthaus.

Herberge

=

=

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Der Reisige der berittene, zur Kriegsfahrt (mhd. reise) gerüstete Knecht. Schranke - die absperrende Einfriedigung eines Raumes, auch der umschlossene Raum selbst (in die Schranken fordern, in Schranken halten, einschränken). Die preuß. Eisenbahnverwaltung sezt jezt Schranke statt des früher üblichen Barrière.

hurtig, von Hurte stoßendes Losrennen, Anprall.

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Aus dem Stegreife : gleichsam = schon mit einem Fuße im Steigbügel. Reiherbeize, von beizen beißen machen.

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Hifthorn, nicht Hüfthorn; Hief oder Hift ist der Laut, den die Jäger auf ihrem Jagdhorn blasen.

Geselle, ursprünglich Saalgenosse, Begleiter des Ritters (daher auch Spießgeselle).

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Hagestolz, von got. staldan = besißen, also Hagbesizer (Hag ein kleineres eingefriedigtes Grundstück, nicht hinreichend, eine Familie zu ernähren).

Aber nicht nur die Geschichte, auch andere Fächer können solche Sachgruppen liefern und damit dem deutschen Unterricht dienstbar werden. Die Geographie liefert z. B. einmal alle Ausdrücke, die sich auf das Seewesen beziehen (Wilke S. 213), die Naturgeschichte giebt unter anderem Anlaß, das Jagdwesen auf die ihm eigentümlichen Bezeichnungen einmal zu untersuchen (Wilke S. 212), aus biblischer oder Kirchengeschichte sind die im Kirchenwesen besonders häufigen Ausdrücke (Wilke S. 214) zu gewinnen. Das Evangelische Schulblatt brachte in Nr. 1-2 d. J. eine Zusammenstellung aller vom menschlichen Körper und seinen Teilen hergenommenen Bezeichnungen von A. Hollenberg, von dem schon früher ähnliche sprachliche Untersuchungen in genannter Zeitschrift (1894 S. 458) erschienen sind. Indem der Verf. zu jedem Worte, das einen Teil des

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