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was man Sterblich verliebt seyn nennt, einen Begriff gebabt; Sie glaubte, so wie sie ihren Mann liebte, so sey es recht und so sey es übers all auch: Jezt aber fühlte sie sich wie vom Stru del in eine ganz neue Welt von Empfindungen fortgeriffen! Es war nicht mehr blosses Mitleid und Freundschaft, was sie für Winklern empfand; es war was sollt ich es verbeelen oder bes månteln? Engelreine Tugend ist ja doch nur für jene Welt! - es war die pure ächte Liebe! Und so gewiß der Doctor über Winklers Brief allein nicht eifersüchtig geworden wäre, sondern vielmehr nach seiner Art Stoff zum Dickthun und zur Prahleren daraus würde gezogen haben, so gewiß båtte er, der seine Stirn eben so gut hornfrey wünschte, als ein andrer, jezt tiefe und finstre Runzeln gezogen, wenn er in diesem Augen» blick in Lorchens Herz håtte fehen follen! Doch die Bertrrungen tugendhafter Scelen find schnell vors übergebend; nie werden sie sich so ganz das Rus der der Vernunft aus den Hånden reissen lassen, daß der Sturm der Leidenschaft nach Willkühr mit ihnen spielen dürfte. Auch Lorchen fühlte fich, nach einem brünftigen Gebet zu Gott volls kommen erleichtert, und fann nur auf Mittel und Bege, ihren Patienten, wo möglich, noch zu heilen.

Diefer,

Dieser, um das oben angefangië Gletëniß beyzubehalten, kehrte nach einigem Herumirrën zurück, so wie ein Deserteur, der keine Möglichkeit durchzukommen absieht, und feiner Strafe freywillig entgegen geht. Es war kurz vor Tische, als er mit pochendem Herzen und mit niedergeschlagenem Blicke zu Lorchen ins Zimmer trat. Da bin ich, sagte er; mächent Sie nun mit mir, was Sie wollen! Ich habs verdient!

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Kommen Sie her, mein armer, verirrter Freund, sagte sie zu ihm mitt gütiger Stimme, indem sie ihni die Hand entgegen reichte! Koma men Sie her und seßen sich neben mich! Bes ruhigen Sie sich: Ich hab Ihnen viel zu saa ,,gen; hören Sie mich ununterbrochen aft, -Mit welcher Empfindung ich Ihren Brief ge lesen habe, will ich Ihnen nicht beschreiben. Fürchten Sie nicht, daß ich Ihnen schmerzz hafte Vorwürfe machen werde. Wie könnk ich das, wenn ich auch sollte? Ich have ittis glücklicherweise die Ursach Ihres Leidens seyrk müssen, und das sollt ich Ihnen hoch schwes rer machen, als es schön ist? Aber darüber vera dienen Sie billig freundschaftliche Vorwürfe, daß Sie mich so unendlich Beschämen. Ltever Winkler, wie konnten Sie das thin, daß Sle Haus mit armen schwachen Wetbe so viel mach

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ten? Warum saben Sie nicht auf meine Feh ler und Gebrechen, die Sie tagtäglich hätten bemerken können? Die würden gewiß Ihre Zuneigung gegen mich nicht auf einen solchen Grad haben kommen lassen. Aber noch mehr noch mehr! Sie, der Ste ein Theos ,,log find, der Sie mich durch Ihre Predigten „so manchmal erbaut und gerührt haben, wie konnten Sie es dismal so ganz vergessen, Ihre „Zuflucht zu Gott zu nehmen? Sie sagen in Ihrem Briefe: Nicht ich, Gott hat mir diese

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Seele gegeben, mit der ich empfinde, und die

fes Nervengebäude, durch das ich empfinde! → „Aber der Gott, der Ihnen diese Seele und „dieses Nervengebäude gab, mit dem Sie doch Ihre ganzen Jünglings- Jahre feft widerstan des: Wie follt er Ihnen nicht auch dismal setnen Beistand geschenkt haben, wenn Sie ihn darum kindlich gefleht hätten? Seine göttliche ,,Kraft ist ja in den Schwachen mächtig! Wir vermögen ja alles, durch den, der uns mäch tig machet! Gestehn Sie es also nur, lieber Winkler, daß Sie hierinn gefehlt haben! Flehen Sie Gott inbrünstig um Berzeihung, und ,, um neue Kraft und Stärke! O wie bald ,, werden Sie dann mit vollem Herzen singen .. können:

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Ich tief zum Herrn in meiner Noth:
Ach Gott! vernimm mein Schreyen!
Da half mein Helfer mir vom Tod/
Und ließ mir Trost gedeihen.

Drum dank, ach Gott! drum dank ich dir, », Ach! danket, danket Gott mit mir.

„Gebt unsrem Gott die Ehre!·

Und nun noch eins und daß andre über Ihren Brief! Sie schreiben mir, ich sollte Jbren ,, Brief und mit ihm zugleich alles Andenken an Sie vernichten: Ich werde weder das eine „noch das andre thun. Was den Brief anbes triftso nehmen Sie ihn hier zurück: Ich brauch es Ihnen nicht erst zu erklären, daß „meine Pflicht mit nicht erlaubt, ihn zu behal" ten. Ihr Andenken aber war mir vorher schon tief genug eingeprägt, als daß es jemals bei mir verlöschen könnte. Sie schreiben mir von Schlössern, die Sie in die Luft gebaut hårten : Dauch ich baute welche und gewiß noch schdnere wie Sie. Ich stellte mir in Gedanken vor; Sie sollten etwan ein halb Dugend $ Jahre der Lehrer meines Sohns seyn! danti hätte Ihnen mein bester Mann zu einer recht guten Stelle hier in der Stadt geholfen und ich hatte dann eine andere Sorge über mich ge nommen, Ihnen eine rechte wackre brave Fratt „zu verschaffen, Gütiger Gøtt, welch ein Freus

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denleben wäre das geworden! Wie hätten unfre beiden Familien nur ein einziges freundschaftliches Ganzes ausmachen sollen, und wie wäre uns die Bahn dieses Lebens, auch mitten unter Creuz und Trübsal, so angenehm und lieb lich geworden! Sollen diese schönen reizenden Aussichten so ganz verschwunden seyn? — 1: Indem kam Augustin dazwischen und so muste diese Scene vor dismal abgebrochen werben. Winklern aber war jest ohngefähr zu Muthe, wie einem Blinden, der sich den Staar hat stechen lassen und der nun zum erstenmale wieder menschliche Gestalten dämmern sieht! Der arme Schelm stand wirklich auf einer äus» ferst gefährlichen Klippe: Nicht Werthers, sondern König Lears Schicksal zu haben. Er sah vollkommen ein, daß es der höchste Grad der Thorheit wäre, nach einem Gegenstande zu schmachten, den er nimmer befißen konnte: weil er aber aus Mangel an Wachsamkeit dis Sehnen und Schmachten in seinem Herzen hatte einwurzeln lassen, und es nun mit seinen eignen schwachen Kräften nicht wieder herauszureiffen vermochte, so stellte sich bey ihm eine tiefe Selbstverachtung ein. Nun brauchte Lorchen nur einen einzigen falschen Schritt zu thun, ihn in dieser Selbstverachtung zu bestärken: Sie durfte ihm nur, ich will nicht sagen verächtlich,

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