ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub
[ocr errors]

vialische Mädchenseelen, eine harte Lehre; Einerseits fühlten sie wohl, daß Lorchen im Ganzen so unrecht nicht hätte: Andrerseits aber hüpften ihnen die Füße fast mechanisch bei dem bloßen Gedanken an eine Anglöfe oder Quatrille! Da war es ihnen denn recht Wasser auf ihre Mühle, daß selbst ein Geistlicher des Orts, ein in aller Absicht schäzbarer Mann, dem Tanze das Wort sprach, und auf der Kanzel und in öffentlichen Gesellschaften nur den Mißbrauch verwarf, und den rechten Gebrauch vertheidigte. Mit dies fem Manne suchte man sie einst in Gesellschaft in einen Dispût zu verwickeln, und hofte, daß er mit seinen Gründen die ihrigen sehr leicht da nieder kämpfen würde. Der Geistliche ließ es an nichts fehlen; berief sich auf das alte Testas ment und auf die christliche Freiheit; fagte, daß die Religion im Grunde nichts anders wäre, als die Kunst sich stets zu freuen, daß der Tanz ein bloß natürlicher Ausbruch der Freude wäre, eine unschuldige regelmäßige Bewegung des Körpers, die man freilich zum Nachtheil seiner Gesundheit und Tugend übertreiben, aber sich auch vollkommen in den gehörigen Schranken halten könne; die frömmsten Männer, nament lich D. Luther und Fenelon hätten das Tans zen erlaubt, und noch vor einem halben Jahrhunderte sey es Sitte gewesen, daß der Geist

1

liche am Hochzeittage mit der Braut den Ball eröffnet 20.

Mit der größten Freundlichkeit und Gelasfenheit hatte Lorchen den Geistlichen angehört: Mit noch größerer hub sie jezt ihren Spruch an. Mein würdigster Herr Pastor, sagte sie, ein fø schwaches Weib wie ich sollte sich eigentlich gar nicht unterfangen, gegen Sie zu streiten: Aber ich bin von Ihrer Güte zu sehr überzeugt, als daß Sie meinen Gegengründen nicht ein geneige tes Gehör schenken sollten. Ich glaube vollkommen, daß wenn es Ihnen einfiele zu tanzen; so würde es Ihnen keinesweges zur Sünde gereichen: Dem Reinen ist ja alles rein, wie die Schrift fagt! Aber ich rede nur zunächst von meinem eignen Geschlechteach, und mitties fer Beschamung fühl ich es, daß wir weit schwäs chere Werkzeuge find, als die Männer! Nicht Adam war der Verführer, sondern Eva war eswelch ein Wink für uns, daß wir weit mehr Ursach haben, auf unsrer Hut zu feyn! In dem ganzen neuen Testamente erinnere ich mich nur zweimal, daß vom Tanzen die Rede ist. Einmal von den Kindern, in der Stelle, wir has ben cuch gepfiffen und ihr habt nicht wollen tangen; und das andremal von der Tochter der Herodias, die durch ihr tanzen schuld war, daß Johannes der Tauffer enthauptet wurde. Bon

Herzen stimm ich mit Ihnen ein, daß die allerheiligste Religion der Weg zur wahren Freude und Glückseligkeit ist: Aber wie oft wird uns nicht auch gesagt, Schaffet daß ihr selig werdet mit Furcht und Zittern-Wacher und betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet: Der Geist ist willig aber das Fleisch ist schwach! - Ich glaube gewiß, Sie haben wohl noch wenig tans zen sehen: O mein würdigster Herr Pastor, wenn Sie eine Tochter hätten, voll Tugend und Keuschheit, und sähen fie, wie sie dahinflöge, mit flammenden Gesichte, mit flatternden Ges wande, an der Hand eines jungen Mannes, der von ihrer Schönheit hingerissen, sie vielleicht mit glatten Worten zu verführen sucht, würde Ihr zärtliches Vaterherz nicht zittern und beben? Ich habe schon zu meinem großen Schrecken Mädchen von fünf bis sechs Jahren gesehen, die ganz allein für sich mit inniger Wollust Englis sche Pahs machten: Muß nicht die Seele eines solchen Kindes durchaus mit Eitelkeit angesteckt werden? Was die regelmäßige Bewegung des Körpers anbetrift, so wüst ich keine unschul digere und regelmäßigere, als einen Spaziergang ins Feld oder in einen Garten, und Dank sey es meinem verewigten Bater, der mich von Kindesbeinen an gewöhnt hat, unter Gottes freyem Himmel Freude zu schmecken. Wie leicht

erhebt sich hier das Herz zu dem, der der Geber aller Freuden ist! Und wie sehr fürcht ich hins gegen, daß es im Taumel des Tanzes beinahe unmöglich ist, an Gott zu denken! - Siefage ten von dem ehrwürdigen Manne, D. Luther? Mein Vater hat mir eine tiefe Achtung vor dies sem großen Werkzeuge Gottes beigebracht: Aber wenn er das Tanzen erlaubt, so heift das wohl nur sø viel, daß er es vergleichungsweise für viel unschuldiger hålt, als manche andre offenbar fündliche Luftbarkeiten; und auf allen Fall bin ich fest versichert, daß er das Unterlassen des Tanzens sehr billigen würde. Von dem ehemaligen Hochzeitbrauche hat mir mein Vater selbst erzählt: Aber so viel ich einsehe, war das nur ein Ehrentanz, und es blieb bei einem einjigen. Aber gegenwärtig kann unser Geschlecht des Tanzens gar nicht satt werden, und eben dieses Hinreissende ist es, was mich schreckt. Ach unser Leben ist ja ohnehin so kurz und flüchtig, und dennoch die einzige Vorbereitungszeit zur Ewigkeit!- Ja, wenn wir jezt schon so rein waren, wie wir seyn sollten und doch, dann würden wir immer was viel bessers thun: Aber so lange wir noch mit diesem sündlichen Leibe zu kämpfen haben, dünkt es mir sehr unvorsichtig, sehr verwegen, sich muthwillig is Gefahr des Leibes und der Seele zu stürzen!

[ocr errors]

Dis, und noch mehr, sprach sie, und mach te auf den Prediger tiefen Eindruck. Er sagte fich in aller Stille, daß er wirklich das Tanzen aus einem zu günstigen Gesichtspuncte betrache tet hatte, und ohne im mindesten den Verdantmungston anzustimmen, änderte er gleichwohl feine Sprache auf der Kanzel und in Gesells schaft sehr merklich.

Dis sey genug ! Voriezt wollen wir sogleich Lorchent als Mütter und Erzieherin ihres Kindes auf den Schauplag treten lassen.

Drittes Kapitel.

Augustin also heißt der Held unferer Geschichte: Sein kleiner Cousin bekam den Nahmen George, ohne daß dabey weder an den Ritter St. Ges drge, noch an irgend einen andern berühms ten George gedacht worden wåre. Beyde Kins Ser, jedes für sich betrachtet, hatten von der Natur einen gefunden und ivohlproportionirten Rörper: Allein, mit einander verglichen, war George nervigter und derber, Augustin hin. gegen zärter und feiner, völlig nach dem Moi $

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »