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gänger bei Nacht oft das erreichen und ersteigen, wohin sie bei Tag wachend schwerlich hätten gelangen sollen; allein, wenn die Langmuth Gottes nun endlich ermüden wird, ihrem Frevel und Sicherheit zuzusehen, so dürften sie, leider! mit ihrem ewigen Schaden erfahren, daß sie im Schlaf und in der Nacht gewandert und die große Gefahr ihrer armen Seele nicht bedacht haben. Hilf, mein Gott! du Menschenhüter, daß, wenn ich schlafe, mein Herz dennoch wache! behüte mich vor Sicherheit und leite mich mit deinen Augen, so werd ich auf allen meinen Wegen sicher wandeln können.

148. Der Schatten.

Als Gotthold aus seinem Gärtlein gegen den Mittag nach Hause eilte und, wie es der Weg nicht anders gab, das Gesicht gegen die Sonne richten mußte, fah er mit Nachdenken, wie er seinen Schatten zum Nachgänger hatte, und sagte bei sich selbst: die Ehre ist wie der Schatten, der zuweilen vor uns herwandert, zuweilen neben uns geht, zuweilen uns auf dem Fuß folgt. Also hat mancher große Ehre, ehe er sie noch verdient hat; sein Geschlecht, seine Macht, fein Vermögen und des Pöbels wafferartige Gunst macht ihm ein Ansehen, das öft größer ist, als der Leib, so dem Schatten folgt. Manchen begleitet seine Ehre und genießt er seines wohlverdienten Ruhms, doch mehrmals nur auf einer Seite, weil sich allezeit Leute finden, die auch wohlverdientes Lob, wie die Juden das beste Geld, zu beschneiden wissen. Mancher, ob er schon mit unverrücktem Herzen dem Licht der Tugend entgegenwandelt, hat doch keinen Ruhm bei seinem Leben zu erwarten, bis endlich mit seinem Leibe auch der Neid erftirbt, da denn die Welt erst recht beginnt, zu urtheilen und ihm den Schatten des längst verdienten Ruhms von hintenzu nachfolgen läßt. Die Heuchler wandeln auch der Sonne entgegen, ich will sagen, sie richten ihren äußerlichen Wandel als Kinder des Lichts ein, wiffen viel von der Klarheit und Wahrheit, darum sie eifern, zu sagen, auch sich des äußerlichen Scheins der Gottseligkeit also zu bedienen, daß einer Mühe haben foll, unter ihnen und den wahrhaften Kindern des Lichts einen Unterschied zu machen. Allein dies ist ihr gewisses Merkmal, daß sie sich oft, doch unvermerkter Weise, nach dem Schatten umsehen, der

ihnen folgt. Ich meine, sie lassen zuöfterst blicken, daß ihr meistes Absehen auf eitle Ehre vor der Welt gerichtet sei. Sie lieben die Sonne, weil sie ihnen Schatten macht, sie lieben die Gottseligkeit, weil sie ein Ansehen bei den Leuten von ihr erwarten; verbirgt sich aber die Sonne unter einer Wolke und der Schatten verschwindet, sollst du bald gewahr werden, daß sie, ich weiß nicht wo, sich eine Sonne suchen werden. Und solche haben nach dem Ausspruch deß, der die Lebendigen und die Todten richten wird, ihren Lohn dahin. Matth. 6, 2. Mein Herr Jesu! du Sonne der Gerechtigfeit, mein Geist ist im Glauben und Liebe gegen dich gerichtet. Das Fleisch kann, nach den Schattenwerken sich umzusehen nicht wohl unterlassen; dem wirst du zuweilen eine Thorheit zu gut halten, bis wir dahin kommen, da der Schatten weichen muß. Hohel. 2, 17.

149. Die umgeworfenen Bäume.

Es hatte ein großer Sturmwind in einem Gehölz viel ftatts licher Bäume an unterschiedenen Dertern umgeworfen, daß sie an der Reihe wie die Erschlagenen lagen. Indem nun Gotthold dies ses besichtigte und seine Gedanken in der Heimkehr darüber hatte, mußte er bei einem Baum vorüber gehen, der im freien Feld allein stand und dennoch vom gewaltigen Winde nicht beschädigt war, da er fich denn billig verwunderte, wie dieser Einsiedler hätte ausdauern können, da die andern mitten im Walde, da fie doch einer von dem andern Schuß haben konnten, hatten herhalten müssen. Im Nachdenken fand er, daß die Bäume, so im dicken Walde einer neben dem andern wachsen, ihre Wurzeln nicht so fest in die Erde treiben, als andere, die auf freiem Felde stehen, maßen denn jene mehr in die Höhe lang und schwang aufschießen und die Sonne suchen, auch von geringen Winden, da einer den andern schüßt, nicht bewegt werden, darum fie denn hernach vom starken Winde in einer Reihe defto leichter zu fällen find; der aber auf freiem Plaz steht, ist des Windes gewohnt, ist kurz und äftig, mit fast so vielen und starken Wurzeln in der Erde, als Zweigen außer derselben versehen, und darum kann er im Sturm und Ungewitter Stand halten. Und so gehts auch, sagte er bei sich selbst, unter den Menschen zu, welche mit Bäumen zu vergleichen die Schrift so oft beliebt hat. Die rech

ten Kern und Herzchriften muß man bei großer Menge, schwulstigem Ansehen und hochsinniger Vermessenheit nicht suchen; außer der Anfechtung stehen sie wol und breiten ihren glückseligen Wipfel gegen die lieblichen Sonnenstrahlen; so aber ein Sturm entsteht, da fällt einer über den andern. Was aber elend, einsam und verachtet ist vor der Welt, der Anfechtung von Jugend auf gewohnt, im Glauben fest gewurzelt und in der Liebe gegründet, die stehen und werden durch Gottes Macht bewahrt zur Seligkeit. Mein Gott! in deiner Gnade will ich meine Glaubenswurzel weit und fest breiten und feßen, du bist mein Hort, meine Hülfe und mein Schuß, daß mich kein Fall (oder Sturm) stürzen wird, wie groß er ist! Psalm 62, 3.

150. Der bestohlne Baum.

Gotthold ward von einem guten Mann in seinem Garten ein schöner junger Baum gezeigt, welcher, wie er berichtete, vor etlichen Jahren von einem losen Menschen bestohlen worden, als er voller schöner Aepfel gehangen, und seither keine Früchte getragen hätte. Darauf sagte er: Es ist höchlich zu verwundern, daß auch die Natur der Sünde so feind ist, daß ein solcher Baum um die Gewalt, so ihm widerfahren, gleichsam etliche Jahre trauern muß. Ein Dieb muß einen giftigen Odem haben, daß er mit seinem Anhauchen ein so junges Holz auf eine Zeit lang aller Kräfte beraubt, wo nicht vielmehr der Teufel aus demselben es thut, der in solcher That sein Herz besigt und nicht gerne ohne das sieht, daß noch ein Apfel am Baum zu des Menschen Dienst und Erquickung hängt. So gehts auch zu mit den großen, doch vermummten und verkleideten Dieben, die täglich die Armuth durch ihre Schinderei, Wucher und llebersaz bestehlen. Wer ihnen unter die Hände kommt, der wird hernach nicht leicht auf- und zu Kräften kommen. Doch ist beffer bestohlen, als bestehlen; ihr wißt nicht, wer diesen Baum bes stohlen hat, und wir kennen nicht oder müssen nicht kennen die prächtigen und ehrbaren Diebe; Gott aber kennt sie beide, der wird sie zu finden wissen zu seiner Zeit. Denn so ein Dieb den Segen Gottes gleichsam verjagt und den Fluch bringt da, wo er kaum eine Viertelstunde hauset und das Gestohlene holt, wie vielmehr wird

alles Gedeihen vor ihm fliehen und aller Fluch ihm folgen da, wo er allezeit ist und das Gestohlne einsammelt und verwahrt. Mein Gott! dein h. Vote hat wohl gesagt, daß der Geiz eine Wurzel alles Uebels sei, 1. Timoth. 6, 10., maßen er viele andere Sünden und auch viele Strafen gebiert, darum neige mein Herz zu deinen Zeugnissen und nicht zum Geiz! Ps. 119, 36.

151. Die Röthe.

Es warb einem jungen Mägdleln im Beisein Gottholds wegen einiger unziemlichen Sitten von seiner Mutter verweislich zugeredet, darüber dasselbe ganz erröthete und mit thränenden Augen sich in einen Winkel sezte. Dazu sagte Gotthold: Wie schön habt ihr doch euer Töchterlein gemacht mit diesem geringen Verweis! Diese purpurrothe Farbe und filberhellen Thränen stehen ihr zierlicher an, als das rothe Gold und die schönsten Perlen, maßen man diese auch einem unverschämten frechen Balg umhängen kann, jene aber bei den fittigsten Naturen sich nur eräugen. Eine Rose, in voller Blüthe stehend und mit den hellsten Thautropfen bethränt, ist nicht so schön, als ein solches Kind, das seines Versehens halber auf seiner Eltern Zureden erröthet und mit Thränen seinen Üebelstand beflagt. Dies ist der Schild, den die Natur ausgehängt hat, zu bes deuten, wo die Keuschheit wohnt. Laßt uns auch bei dieser Begebenheit Anlaß zu gottseligen Gedanken nehmen! Sehet, wie ein Glied des Leibes mit dem andern es so treulich hält. Wenn dem Gesicht etwas Widriges und Schamwürdiges begegnet, so erregt sich so bald das Herz und sendet demselben einen Guß Geblüts zu, damit es sich gleichsam verhüllen und der Schande entbrechen soll. So aber dem Herzen ein Unfall zustößt durch großen Eifer, plößlichen Schrecken oder Furcht, so verliert sich unterm Geficht alles Blut und eilt dem nothleidenden Herzen zu Hülfe, daher in solchen Begebenheiten die Menschen erblaffen. So soll es unter uns Christen auch sein, weil wir unter einander Glieder sind; einer soll des andern Schande, so viel möglich und mit gutem Gewissen geschehen kann, helfen verdecken, seine Noth sich laffen zu Herzen gehen und ihm in allerlei Fällen zu Hülfe eilen, wie er kann und vermag. Allein, weil man bei wenig Leuten solches spürt, fehlt es

nicht, es müssen wenig gute Christen sein. Mein Gott! jest find die Zeiten, da die Ungerechtigkeit hat überhand genommen. und die Liebe in vieler Herzen erkaltet ist. Matth. 24, 12. Es werden jedennoch wenige sein, die das Feuer der christlichen Liebe gern erhalten; laß mich, mein Vater, unter den wenigen sein!

152. Der Rabe.

Gotthold sah einen Raben daher fliegen, der sich auch nicht weit von ihm auf einen dürren Zweig seßte und seine rauhe Stimme hören ließ. Er war eben voll trauriger Gedanken und ermunterte sich durch dieses Fügniß, sagend: nun werd ich eingedenk der Worte meines Erlösers: Nehmet wahr der Raben, sie säen nicht, fie erndten auch nicht, sie haben auch keine Keller, noch Scheunen, und Gott nähret sie doch; wie viel aber seid ihr besser, als die Vögel. Luc. 12, 24., womit er denn ohne Zweifel uns verweisen wollte auf die Worte Hiobs und Davids, darin sie lehren, daß Gott den Raben die Speise bereite, wenn ihre Jungen zu Gott rufen, irre fliegen und nicht zu essen haben, Hiob 38, 41. Ps. 147, 9., und auf die Geschichte des Propheten Elias, welchem die Raben auf Gottes Gebot alle Morgen und Abend Brod und Fleisch gebracht. 1. Kön. 17, 4. 6. Was plag ich mich denn selbst mit meinen eignen Gedanken und bin mir selbst eine Last? Diesen schwarzen, unfläthigen, unangenehmen Vogel läßt Gott nicht unversorgt, weil er sein Geschöpf ist und ihn anruft, so gut ers ihm gegeben hat, und er sollte meiner vergessen, der ich sein Kind bin, in dessen Herz sein Geist ohne Unterlaß schreit: Abba, lieber Vater! Das sei ferne! Ich habe nie meinem hungrigen Kinde das Brod genommen und es den Hunden oder Hühnern vorgeworfen; wie sollte denn der himmlische Vater mir das Brod entziehen und die unvernünftigen Thiere versorgen? Mein Gott! ich schäme mich, daß dieser unvernünftige und schwarze Lehrmeister mir vom Vertrauen auf deine Güte predigen muß, da ich doch so viele Proben deiner väterlichen Fürsorge in meinem Leben finde, die mich alle deiner beharrlichen Gunft und unverkürzten Hand versichern. Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott! Denn ich werde ihm,

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