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desto heller leuchte. Ein brennendes Licht wird vom Odem aus-, ein rauchendes aber von demselben Odem angeblasen; also ist dem Höchsten es gleich leicht, unsere Glückseligkeit, wenn wir derselben uns überheben, hinweg zu nehmen, auch wenn wir gedemüthigt sind und uns bessern, dieselbe wieder zu geben. Beides steht in seinem zornigen oder gnädigen Anhauchen. Wenn etwa der abgeschnäuzte Docht in der Lichtpuße nicht recht ausgelöscht ist und übel riecht, so greift stracks der Nächste zu, solchen Gestank zu dämpfen; warum machen wirs nicht auch so mit den Fehlern unsers Nächsten? warum decken wir nicht seine Schande zu, so viel Amts und Gewissens halber geschehen kann? Wenn über ein ausgelöschtes noch rauchendes Licht ein brennendes gehalten wird, so fällt die Flamme von demselben durch den Rauch herunter und zündet das ausgelöschte wieder an; also, wenn uns dünkt, unser Glaube, Troft, Glück und Wohlfahrt sei ganz aus, erhört Gott unsere ängstlichen, demüthigen Seufzer und seine Gnadenflamme giebt Schein, Freude und Leben wieder. Wenn ein Licht steht an einem windigen Ort, so leuchtet es nicht wohl, das Wachs oder Unschlitt verfließt unnüglich, und es wird desto eher verzehrt; also ein Mensch, der sein Herz zu sehr an die Welt hängt, oder der sich selbst mit unnöthigen Sorgen plagt, giebt keinen guten Christen und kürzt sich selbst das Leben ab. Die Flamme ist sonst gewohnt, über sich zu steigen, und sucht allezeit die Höhe, am Licht aber muß sie ihrer Nahrung unterwärts folgen; also ist unser Glaube zwar himmlisch und muß, was hoch und göttlich ist, suchen, wird aber doch in der Demuth und Erniedrigung seiner selbst gleichsam ernährt und erhalten. So lange das Licht aufrecht steht oder getragen wird, hat es vom Wachs oder Unschlitt seine Nahrung, kehrt man es aber um und neigt es zur Erde, so wird es von überflüssiger Fettigkeit ausgelöscht; also kann ein Christ zeitlicher Güter, so lange er sein Gemüth in deren Liebe nicht vertieft, sondern nach dem Himmel richtet, ihm selbst und andern zum Besten sich sehr wohl bedienen, allein, wo er sein Herz vom Himmel ab und bloß aufs Vergängliche wendet und seines Vermögens zur Ueppigkeit und unztemlichen Ueberfluß gebraucht, so verlischt das Licht des Glaubens und der Gottseligkeit. Wir sehen oft die Mücken zur Abendzeit um die Lichter schwärmen, so lange, daß sie die Flügel oder sich selbst verbrennen; so gehts allen denen, die um das Licht, dazu niemand kommen kann, 1. Tim. 6, 16, mit ihren neu

füchtigen, fürwißigen und stolzen Gedanken flattern; das Licht erleuchtet sie nicht, sonder verblendet sie, und niemand ist untüchtiger, die göttlichen Geheimnisse zu fassen, als der, der sich derselben fähig achtet und sich durch seine sinnreiche Vernunft alles zu erforschen erkühnt. Mein Herr Jesu, du Licht der Welt, sei meiner Seele Licht! Was eine Leuchte ist ohne Licht, das ist meine Vernunft ohne deine Gnade und Geist. Gieb, daß ich hier als ein Kind des Lichts im Lichte wandle, und mache mich tüchtig zum Erbtheil der Heiligen im Licht! Col. 1, 12.

216. Die Weinrebe.

Als Gotthold einen betrübten und sorgsamen Mann besuchen wollte, sagten die Seinigen, er wäre im Garten. Gotthold folgte ihm dahin und traf ihn eben an in der Arbeit, daß er den Wein beblätterte. Nach einem freundlichen Gruß fragte er ihn, was er mache. Ich sehe, sprach er, daß wegen des vielen Regens dem Wein viel Holz und Laub gewachsen ist, darum denn die Sonne zu den Trauben nicht kommen und sie zeitigen kann; so nehme ich nun etwas hinweg, damit der Wein reif und zeitig werde. Darauf fagte Gotthold: Vermerkt ihr denn auch, daß der Weinstock euch in dieser Arbeit widerstrebt und widerredet? Mein, warum haltet ihr dem lieben Gott für übel, was euer Wein euch nicht muß für übel halten? Ihr nehmt dem Weinstock das unnüße Laub, daß er desto schönere Früchte trage, und Gott nimmt euch die zeitlichen Güter und den irdischen Trost, damit der Glaube sammt seinen edlen Früchten, der Liebe, der Demuth, der Geduld, der Hoffnung, des Gebets u. f. w. bei euch desto größer, schöner und füßer werde. Es mag mir einer sagen, was er will, der aller Dinge Ueberfluß hat und von keinem Kreuz weiß, die Sonne der Gerechtigkeit mit ihren Gnadenstrahlen kann sein Herz nicht wohl berühren; deß Christenthum ist nicht, wie es sein soll; es pflegt nur herbe, saure Früchte der Heuchelei, des Stolzes, der Unfreundlichkeit, der Unbarmherzigkeit zu bringen. Darum lasset Gott mit euch machen, wie er will; er wird euch nichts verderben. Jezt beblättert ihr den Wein, im Frühling habt ihr ihn behackt, gesenkt, beschnitten und angebunden. Lieber, ihr seid auch eine Rebe an dem geistlichen Weinstock, dem Herrn

Jesu; Gott ist der Weingärtner und weiß wohl, daß ohne seine Gnade und Aufsicht er nichts Gutes von euch zu erwarten hat. Darum versenkt er euch durch Verachtung, er bindet euch an durch Trübsal, er beblättert euch durch Armuth, alles zu dem Ende, daß feine Gnade euch, und euer Herz ihm desto süßer sei. Ach, mein Gott! laß mich ja aus deiner Aufsicht nicht! sonst verwildere und verderbe ich. Beschneide, binde, blättere, wie du willst; das soll allezeit mein Trost sein, daß du es nicht kannst böse meinen.

217. Der junge Baum.

Gotthold hatte in seinem Garten einen jungen Baum, welchen er selbst geimpft oder gepfropft, mit großem Fleiß seiner gewartet und bisher mit Verlangen Früchte von ihm gehofft hatte. Als er nun zu tragen begann und er die ersten Früchte, welches rosenrothe schöne Aepfel waren, mit eigner Hand abbrach, sagte er: Wie mags immer kommen, daß die Früchte eines jungen Stamms, den wir selbst erzeugt, wenn es nur etliche wenige Aepfel sind, uns mehr belustigen und erfreuen, als wenn andere von fremder Hand mit großen Körben voll vorgetragen werden? Gewiß ist hiebei eine subtile und heimliche Eigenliebe, daß unser Eigenes, so gering es auch ist, uns mehr erfreut, als Fremdes, wenn es schon größer ist. Hieraus aber kann ich etlichermaßen abnehmen, wie eine große Freude es sein müsse, wenn Gott die Eltern mit Früchten der Tugend und des Wohlverhaltens ihrer Kinder sättigt. Die Kinder sind anfangs junge Reislein, den Eltern, wenn ich so reden mag, vom Herzen entsprossen und gebrochen, sie werden befeuchtet durch viel Schweiß und Thränen, beschnitten durch ernste und gottselige Zucht, gewartet durch sorgfältige Aufsicht, gewärmt und gleichsam beschienen von herzlicher Liebe, gedüngt durch alles Vermögen; wer kann denn zur Genüge beschreiben die Freude der Eltern, wenn sie die Zweiglein grünen sehen, gedeihen und wachsen? wenn Gott zu ihrem Pflanzen und Begießen das Gedeihen giebt, und ihr junger und lieber Baum seine gesegneten Früchte in ihren Schooß zu schütteln beginnt? Die Kinder sind ein Spiegel der Eltern; je tugendhafter und gottseliger, je heller und schöner. Wie nun die Sonnenstrahlen am stärksten sind, wenn sie an einem hellen Spiegel zurückpral

len, also durchdringts den Eltern das Herz, wenn ihre Kinder, von den Strahlen der göttlichen Gnade und Segens erleuchtet, ihr Licht mit ihnen theilen. Die Kinderfreude ist kräftiger, das Herz der alten und abgearbeiteten Eltern zu stärken und zu erquicken, als der cdelste Wein und der köstlichste Balsam. Die Musik, welche alle Leute am liebsten hören, ist, wenn ihre Kinder ihres Wohlverhaltens halber gerühmt werden; darum auch der weise Mann unter den 10 Stücken, die er in seinem Herzen hoch zu loben hält, oben anseht einen Mann, der Freude an seinen Kindern erlebt. Sir. 25, 9. 10. Mein frommer Gott, hier find meine Pflänzlein! Ob ich zwar keine Liebe, Sorge, Mühe, Seufzer, Kosten an ihnen spare, besteht doch darinnen ihr Wachsthum und seliges Gedeihen nicht, sondern bloß in deiner Gnade. Laß mich, mein Vater, die Frucht ihrer Gottseligkeit und Tugend genießen; dies ist meines Erachtens unter allen vergänglichen Freuden die edelste und beste. Doch was sag ich vergänglichen Freuden! Wer will leugnen, daß frommer Eltern Freude an ihren frommen Kindern nicht wird ewig währen?

218. Die Perlenschnur.

Als Gotthold eine kostbare Perlenschnur, die neulich einer Jungfrau zum Schmuck erkauft war, vorgezeigt wurde, sagte er: Des h. Apostels Erinnerung wird heutiges Tags wenig geachtet, der da will, daß die Weiber in zierlichem Kleide mit Scham und Zucht, nicht mit Zöpfen oder Gold oder Perlen oder köftlichem Gewand sich schmücken sollen. 1. Tim. 2, 9. Niemand will jezt keine Perlen tragen, als die sie nicht hat und nicht bezahlen kann; das wäre aber noch zu erleiden, weil ja das Frauenvolk den Schmuck von Natur liebt, wenn nur bedingt würde, daß keiner Perlen zu tragen sollte erlaubt sein, die nicht von denselben Anlaß zur gottseligen Erinnerung zu geben und zu nehmen wüßte. Die Perle, wie die meisten Naturkundigen bezeugen, wird vom Thau des Himmels empfangen; denn, wenn die Muschel und Perlenmutter helles und heiteres Wetter merkt, soll sie sich gegen den Morgen, wenn der Thau fällt, eröffnen und die filberhellen Thautropfen begierig empfangen, welche bei ihr erhärten und nachher mit ihrem hellweißen Glanze ihren himmlischen Ursprung beweisen. Also sollen

ansere Herzen begierig und offen sein, den himmlischen Gnadenthau aufzufangen, wenn derselbe bei der Predigt des Worts herunter fällt. Wie die Perlen an eine Schnur gezogen und zum Schmuck umgebunden werden, so soll man die theuren Sprüche der Schrift, die den Kern, Saft und Kraft der himmlischen Weisheit in sich haben, an der Schnur seines Gedächtnisses zusammenfassen, daß man im Leben und Sterben sich derselben bedienen könne. Ich wüßte mich nicht zu erinnern, daß eine gottselige Frau oder Jungfrau in Todesnoth nach ihren Perlen und anderem Schmuck sich umgesehen hätte. Jene gottselige Fürstin, als sie im Todbette lag, sagte von ihren Perlen und Edelsteinen: Hinweg mit dem Unflath! Herr Jesu Christe, kleide meine Seele mit deinem Ehrenschmuck! Darum sammelt euch solche Perlen, die eurer Seele Stärkung im Tode sein, und die euch vor dem Angesicht Jesu Christi schmücken können. Zuvörderst, so oft ihr die hellglänzenden Perlen zu eurem Schmuck umthut, erinnert euch, daß auch eure Seele einen solchen Glanz von Tugend, Gottseligkeit und guten Sitten haben müsse; sonst schämen sich die edlen Perlen, daß sie einen so unfläthigen Balg decken und schmücken müssen. Mein Gott! meine Perlen sollen meine Thränen sein. Gieb mir Gnade, über meine Sünde vor Herzeleid, über deine Güte vor Freuden und über deine himmlische Seligkeit vor Verlangen zu weinen, so begehr ich keiner Perlen mehr.

219. Das Schauessen.

Es ward Gotthold ein Schauessen gewiesen, welches bei einer bevorstehenden Gasterei sollt: aufgefeßt werden. Die Welt, sagte er, bleibt bei ihrer alten Weise, daß sie ihr Vergnügen in der Eitelkeit sucht. Sie weiß wohl, daß ein Schaueffen nichts anders ist, als ein gefärbtes Bild, von Holz, Wachs oder andern Dingen bereitet, welches wenig oder gar nichts werth ist, wenn nicht so viel Müh und Arbeit daran gewandt wäre. Oftmals ist es eines Vogels Fell, das man ihm sammt den Federn abgeblasen, mit Werg oder Heu ausgestopft, deffen Schnabel und Füße man vergoldet und gefärbt hat; und man hat von dieser Bemühung nichts, als daß es eine Weile der menschlichen Ueppigkeit und Eitelkeit dienen muß. Also sucht der Mensch seine Lust darin, daß er betrogen wird, und

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