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endlich lesen. Also laßt euch nicht verdrießen, daß ihr in eurem Christenthum werden müßt wie ein Kind. Mancher weiß weniger davon, als ein Kind, und will es doch nicht lernen als ein Kind. Nehmet euch zuerst vor eine Tugend, lernet dieselbe recht wohl kennen nach ihrer eigentlichen Art und faßt sie so tief ins Gedächtniß, daß, wenn ihre Ausübung nöthig ist, zu allen Zeiten und an allen Orten es euch daran nicht fehle; hernach lernt eine Tugend mit der andern, als den Glauben und die Liebe zusammen seßen, bis endlich aus vielen Tugenden ein ganz gutes und rechtschaffnes Chriftenthum werde. Laßt euer Tugend-ABC folgendes sein: Almosen ge= ben, Beten, Christum lieb haben, Demuth, Einträchtigkeit, Frömmigkeit, Glaube, Hoffnung, Jesus (als das Vorbild aller Tugenden), Keuschheit, Liebe, Mäßigkeit, Nachfolge Christi, ohne Falsch sein, Predigt hören, Reinigkeit des Herzens, Sanftmuth, Todesgedanken, Unverdroffenheit, Wahrheit, Zorn nicht halten. Dieses leßtere bringt mir zu Sinn, daß jener weise Heide dem Kaiser Augustus gerathen, so oft ihn der Zorn übereilen wollte, sollte er, ehe er etwas durch Antrieb desselben befähle oder thäte, sich zuvor so viel Zeit nehmen, daß er die Buchstaben des griechischen Alphabets herssagte, vermeinend, daß er indessen sich etwas besinnen und nichts Ungebührliches, darauf hernach die späte Reue erfolgte, vornehmen würde. Jener Kirchenlehrer hat hieraus ersonnen, einem Christen zu rathen, daß er wider den herrschenden Jähzorn ein andächtiges Vater Unser beten sollte, womit ers ohne Zweifel beffer getroffen. Wenn wir nun dieses an solchem Kinderbüchlein allemal bedächten, würden wir gestehen müssen, daß wir es noch bisher nicht ausgelernt.

280. Die Vorschrift.

Gotthold sah einem Knaben zu, der in die Schreibschule ging, wie er die Vorschrift fleißig betrachtete und sich bemühte, dieselbe mit seiner Schrift zu erreichen, und sagte zu den Umftehenden: Sehet, wie alle Vollkommenheit aus der Unvollkommenheit entsteht, und wie man durch viel Fehlen recht machen lernt! Von diesem Knaben fordert man nicht, daß seine Schrift der Vorschrift durchaus ähnlich sei, sondern man ist mit seiner mühsamen Uebung zufrieden in Hoffnung, daß er sich immer bessern und endlich fertig und zierlich schrei

ben lernen werde. Wir haben auch eine Vorschrift, die uns der Herr Jesus gelassen, 1. Petr. 2, 21. nämlich die Vollkommenheit seines heiligen Lebens. Meinet aber nicht, daß er mehr von uns, als ein Lehrmeister von seinem Schüler fordere; wenn er uns in genauer Aufsicht seines Vorbildes und in fleißigster Bemühung und llebung findet, so hat er mit unsern Fehlern Geduld und giebt uns Kraft durch seine Gnade und Geist, dieselben täglich zu bessern. Eines Christen Lehrjahre währen, so lange er lebt. Die besten Schüler in der Schule Jesu sind, die allezeit Schüler bleiben, ich will sagen, die zwar täglich ihres Lehrmeisters Vorbild vor Augen haben und demselben sich je mehr und mehr zu verähnlichen bemüht, jedoch niemals mit ihnen selbst und ihrer Nachfolge zufrieden sind. Darum muß man zweierlei meiden, die Nachlässigkeit und Kleinmüthigkeit, aus jener entsteht endlich eine Faulheit und Sicherheit, aus dieser aber eine verzagende Traurigkeit. Der Himmel steht nicht allein Vollkommnen und Starken, sondern auch den Irrenden und Schwachen offen, wenn sie nur ihre Fehler mit demüthiger Reue erkennen, und was ihnen mangelt, in der Gnade Jesu Christi suchen. Einem Vater ists eine größere Luft, wenn sein kleines Kind ihm ein Kissen mehr zuschleppt, als trägt, als wenn ihm ein starker Knecht ein anderes ordentlich getragen bringt. Also sieht Gott mehr auf den Willen, als aufs Vermögen. Mein Gott! verschmähe mein Unvermögen nicht! Ich lerne, mein Vater! laß dir doch mein Lehrwerk gefallen! Es mißräth mir oft mein ganzes Vornehmen, sollt ich aber darum gar ablaffen? Das sei ferne! Ich will immer wieder anfangen, so lang ich lebe, das Meisterstück aber, wenns dir beliebt, im Himmel zu deinen Füßen legen.

281. Der Jahrmarkt.

Als in einer Stadt ein Jahrmarkt gehalten wurde, wozu sich eine große Menge Volks eingefunden hatte, sagte Gotthold: Den größten Theil dieser Menge hat die Hoffnung des zeitlichen Gewinns aufgebracht, welchen man die Sonne der Weltherzen, dem sie als die Sonnenblume stets folgen, oder, mit jenem flugen Niederländer, das fünfte Evangelium des verbaßten (rasender, verderbten) Christenthums und den größten Abgott der jeßigen Welt, dem viel tausend

Seelen dienen und huldigen, nennen kann. Ach, wenn doch auch folche eifrige Begierde des geistlichen Gewinns bei uns wäre! Ein Marktschreier tritt auf und beschreit seinen Lügenkram mit vollem Halse; um ihn versammeln sich etliche hundert Menschen und hören ihm unverdroffen zu. Ein Prediger und Diener des Herrn Jesu tritt auf und beut allen und jeden die Hülfe und Gnade seines Herrn an; aber ach! wie wenig sind, die ihrer herzlich begehren! In den Märkten ist alles zu Kauf, auch die Menschen selbst und ihre Seelen. Ja, was das Wundersamste ist, viele Menschen verkaufen keine Waare wohlfeiler, als ihre Seele. Judas, der Verräther, hat seinen Herrn und Meister um 30 Silberlinge verkaufen wollen, allein wenn mans recht bedenkt, hat der elende Mensch seine eigne Seele verkauft; doch hat er sie, gegen die heutige Welt zu achten, noch theuer genug ausgebracht. Wenn mancher jezt 30 Silberlinge gewinnen und einstecken könnte, ich halte, er verkaufte nicht nur eine, sondern wol 30 Seelen, wenn er sie nur hätte. Dünket uns dies zu viel zu sein, so bedenket, ob nicht, so oft der Mensch durch unrechtmäßige und gottlose Mittel etwas an sich bringt, er sein Gewissen beschwert, wider seinen Gott fündigt und seine arme Seele, so viel an ihm ist, um schnöden Gewinnes willen verkauft. Nun besteht aber solcher Gewinn nicht allezeit auf 30 Silberling, sondern manchmal kaum auf 30 Pfennige; heißt denn das nicht seine arme Seele liederlich und wohlfeil verkauft? Ach, wir elenden Menschen! wie kommts, da wir alles so genau abwägen und abmessen und in den Welthändeln so verschlagen sind, daß wir das Zeitliche gegen den ewigen Verlust nicht messen und in Sachen, unsere Seligkeit angehend, so dumm sind, als kein Vieh? Wenn ich einen ungerechten Mann fragen sollte, ob ihm sein Herz feil wäre, würde er sofort mit Nein mir antworten, und wenn ich ihm hundert tausend Dukaten für dasselbe bieten würde, so würde er doch sagen: Ich wäre ein Narr, wenn ich das Herz um Geld verkaufte, ohne welches ich nicht leben kann; ohne Leben aber wäre mir kein Geld nüße. Ach, mein Mensch! ist dir nun dein zeitliches Leben für kein Geld feil, wie giebst du denn deine Seele und das ewige Leben so liederlich dahin? Warum schäzest du so gering, was Gott so hoch geachtet, daß ers mit dem Blute und Tode seines einigen und allerliebsten Sohnes erkaufen wollte? Ich meinestheils halte es mit dem h. Apostel, der

da sagt: Es ist ein großer Gewinn, wer gottselig ist und läßt ihm genügen, denn wir haben nichts in die Welt gebracht, darum offenbar ist, wir werden auch nichts hinaus bringen; wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, so last uns begnügen. 1. Tim. 6, 6. 7. 8.

282. Das Mehl.

Als Gotthold fah, daß seine Leute das Mehl hatten zum Backen eingeschüttet, sagte er zu ihnen: Man sollte billig nicht backen, eh man eine Hand voll Mehl und eine Hand voll Erde hätte gegen einander gehalten, Gottes allmächtige Güte zu erkennen, der aus der schwarzen und groben Erde ein so schönes und weißes Mehl hervorzubringen weiß. Denn leider erstreckt sich unser Nachdenken oft nicht weiter, als unser Sehen. Gott hat in seinem Geset verordnet, daß nebst den beiden Lämmern, so abends und morgens ihm täglich geopfert wurden, auch Mehl, Oel und Wein ihm müßte dargereicht werden, 2. Mos. 29, 40., anzuzeigen, daß ihm stetiger Dank, zum wenigsten so oft wir uns täglich satt effen, für solche feine edle Gaben gebühre. Gleichfalls hat er befohlen, ihm ein Speisopfer zu thun von Mehl, mit Oel begossen und mit Weihrauch belegt, 3. Mos. 2, 1., zu bedeuten, daß wir unser Mehl mit dem Oel der Mildigkeit gegen den Dürftigen besprengen und mit dem Weihrauch des Gebets und der Dankbarkeit gegen ihn belegen und heiligen sollten. Gedenkt auch hiebei an das Mehltönnlein der Wittwe zu Zarpath, welches in der theuern und schweren Zeit nicht mußte ausgeleert werden, daß der Prophet Elias nebst ihr und ihrem Sohn zu essen hätte, 1. Kön. 17, 12., uns zur Lehre und Trost, daß wir nicht allezeit auf unsern, sondern am meisten auf Gottes Vorrath sehen sollen, der nimmer erschöpft und ausgezehrt, durch gottseliges Vertrauen aber eröffnet und genoffen wird. Mein Gott, gieb mir hier Mehl nach Nothdurft und dort den Himmel aus Gnaden. Hab ich Ursach dir zu danken, wenn ich des Mehls und Brods genieße, wie werde ich dir denn mit Freuden in Ewigkeit danken, wenn ich das verborgene Manna Offenb. 2, 17. im Himmel kosten werde!

283. Der Wassertropfen.

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Als an einem Handfaß das Hähnchen nicht recht zugewrungen war und also die Tropfen immer zu in das unten gesezte Becken fielen, sagte Gotthold: Dies scheint eine geringe und nichtige Begebenheit zu sein, dennoch kann sie uns das zu Gemüthe führen, dessen wir billig unser Leben lang nicht vergessen sollten. Der reiche Mann, als er in der Hölle und in der Qual war, bat um einen einigen Wassertropfen, seine brennende Zunge abzukühlen, welches er aber nicht erhalten konnte. Luc. 16, 23. Ach, was wäre es doch für eine Kühlung gewesen, so viel Wassers, als am äußerften Finger hängen bleibt, wenn man ihn ins Wasser taucht, einem, dem die höllische Schwefelflamme zum Halse ausschlägt, in den Mund lassen fallen? Gewiß keine, und dennoch kann ers nicht erhalten, anzudeuten, daß in der Hölle nicht der allergeringste Troft, nicht die wenigste Linderung, nicht die kürzeste Abwechslung zu hoffen sei. Gehet nun hin, ihr sichern Menschenkinder! Füllet euch mit dem besten Wein, labet euch nach Belieben, thut, was euch ge= lüstet, genießt eurer Güter, vergeßt Gottes und des armen Lazarus, schüttet euch selbst und andern das Getränk ein mit ganzen Maßen, allein wisset, daß euch Gott um dies alles wird vor Gericht führen, Predig. 11, 9., und ein schreckliches Urtheil über euch fällen des Inhalts: Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! Matth. 25, 41. Ach, weh euch, die ihr voll seid, denn euch wird ewig hungern und dürften! Weh euch, die ihr hie lachet, denn ihr werdet ewiglich weinen und heulen! Luc. 6, 25. Die Alten haben vor Erfindung der Sandund Sonnenuhren die Zeit mit solchen Wassertropfen abgemessen. Ach, laffet uns ja, wenn wir solche Tropfen fallen hören, an die Flüchtigkeit unsers Lebens gedenken, denn wie hier ein Tropfen dem andern folgt, bis nichts mehr darinnen ist, also folgt eine Stunde der andern, ein Tag dem andern, ein Jahr dem andern, bis das ganze Leben aus ist. Was wäre es denn, wenn mit meinem Leben auch aller Trost aus wäre und ich mich keines einzigen Wassertropfens in alle Ewigkeit zu erfreuen hätte? Mein Gott! deine Güte und Barmherzigkeit fällt täglich mit vielen Tropfen vom Him

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