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dem allwissenden Gott seine Noth vorträgt und deffen Troft zurück bringt. Mich däucht, daß hierauf unter andern mit gezielt ist, wenn in der Offenbarung Johannis 21, 12. die himmlische Städt beschrieben wird, daß sie ins Gevierte liege und auf jeder Seite drei Thore, auf jedem Thore aber einen Engel habe, zweifelsfrei nicht allein als einen Wächter, der verhüte, daß nichts Unreines in die Stadt eingehe, sondern auch als einen Annehmer der geistlichen Postillone, welcher sie alsofort vor Gottes Thron bringt. Dieses ist aber auf Menschenweise geredet, um uns Gottes geneigten Willen und sein gütiges Herz gegen unser Gebet vorzustellen. Mein Vater! ich danke dir, daß du uns dieses Mittel, mit dir wider des Teufels und der Welt Dank zu handeln, gegeben und uns die Kühnheit, mit dir zu reden, gegönnt haft. Verleihe, mein Gott! daß ich dessen allezeit in kindlicher Furcht und Zuversicht heilsamlich gebrauche, und laß mit solcher Post, mit dem lezten Seufzer, durch deines Geistes Kraft im Namen Jesu geschehen, meine Seele endlich von hinnen ab zum Himmel reisen!

306. Der Wermuthstrauch.

In einer berühmten Stadt ist es gebräuchlich, daß man auf die Leiche, wenn man sie zu Grabe trägt, ein Kreuz von Wermuth gemacht anheftet und es hernach mit derselben ins Grab verscharrt. Gotthold ward hierüber befragt, was er meinte, daß die lieben Alten für ein Absehen mit diesem Gebrauch möchten gehabt haben. Er antwortete: Ich weiß, daß an vielen Orten auch dieses gebräuchlich ist, daß man den Wermuth auf den Gräbern pflanzt, ich halte aber, beides habe einerlei Deutung, daß nämlich nicht allein die Bitterkeit unsers betrübten, mühseligen Lebens und schmerzlichen Todes männiglich vor Augen gestellt, sondern auch dabei erinnert werde, daß mit den Seligverstorbenen alles ihr Elend gestorben, daß nunmehr fie von aller Bitterkeit befreit, in ihren Gräbern sanft und füße ruhen, daß alles Leid mit ihnen todt und begraben sei. Der Wermuth ist bitter, doch der Gesundheit des Menschen sehr dienlich; so ist der Tod zwar der Natur bitter, er schafft aber der gläubigen Seele eine himmlische Süßigkeit und befreit sie von aller Widerwärtigkeit, Kummer und Jammer, daß es heißt:

Ihr Jammer, Trübsal und Elend

Ist kommen zu einem seligen End.

Wobei mir zufällt, was in den meißnischen Jahrbüchern erzählt wird von Frau Agnes, geboren aus königlichem böhmischem Stamm, des Markgrafen Heinrich zu Meißen erster Gemahlin; als dieselbe schwer krank gewesen, sei ihr im Schlaf ein Engel erschienen, der aus einem güldenen Becher ihr einen Trunk gereicht; als sie ihn aber gekostet, habe sie gesagt: Ach, wie ein herber und bitterer Trank ist das! Darauf der Engel geantwortet: Es wird aber bald eine große Süßigkeit darauf folgen. Solches hat sie, als sie erwachte, ihrem Herrn erzählt, und ist bald darauf sanft und stille im Herrn eingeschlafen. Sonst ist auch dieses merkwürdig, was ein berühmter Schriftsteller berichtet, daß, wenn man das Salz, welches aus der Asche des verbrannten Wermuth durch Apothekerkunst bereitet wird, an einem Ort in die Erde verscharrt, bald nachher daselbst dieses Kraut häufig wachsen und aus der Asche als einem Samen hervorkommen werde. Auf solche Weise könnte uns der Wermuthstrauch eine Erinnerung geben von der Auferstehung unsrer Leiber, die in diesem Leben ein rechtes Wermuthkraut voll Bitterkeit und Unruhe gewesen, hernach zu Staub und Asche werden, aber Gott wird aus dieser Asche fie wieder hervorbringen zu seiner Zeit, wird sie mit Unverweslichkeit, Klarheit und Herrlichkeit schmücken und im Himmel mit ewiger Süßigkeit tränken. Darum mein Gott!

Ob gleich süß ist das Leben,

Der Tod sehr bitter mir,

Will ich mich doch ergeben,
Zu sterben willig dir;
Ich weiß ein besser Leben,

Da meine Seel fährt hin;

Deß freu ich mich gar eben;
Sterben ist mein Gewinn.

307. Der Denkzettel.

Es hatte ein vornehmer Mann die Gewohnheit, daß er seine besonderen Verrichtungen und Angelegenheiten in ein sonderliches Buch, so er auf seinem Studiertisch stets liegen hatte, zu verzeichnen pflegte, welches er täglich nach verrichtetem Morgengebet durchsah.

Als nun einmal im Beisein Gottholds eine alte arme Wittwe bei demselben um einige Beförderung anhielt, und er selbige auch sofort in sein Büchlein schrieb, sagte Gotthold: So recht, mein Freund! vergesset die Nothleidenden und Betrübten nicht, Gott wird euer wies der nicht vergessen. Gott hat auch seine Bücher und Denkzettel, darin er unsere Namen, Begehren, Gebet, Seufzer und Thränen verzeichnet, Pf. 56, 9. 139, 16. Maleachi 3, 16. Ihr habt dieser Wittwe Noth und Bitte, um sie nicht zu vergessen, angezeich net; versichert euch, daß Gott ein Gegenregister hält, und daß dieses euer Werk, weil es im Glauben geschehen, in Gottes Tagebuch schon eingeschrieben ist Am griechischen kaiserlichen Hofe zu Konstantinopel war vormals eine Bedienung, welche man vom Gedächtniß oder Erinnerung benamte, deren Amt war, die Namen wohl. verdienter Leute, die sich zu Friedens- und Kriegeszeiten hatten tapfer gehalten, zu Register zu bringen und den Kaiser stets zu erinnern, daß sie mit gebührender Ehre und Belohnung anzusehen nicht vergeffen würden. Allein dieses Amt ist zeitlich abgegangen und nicht mehr im Gebrauch gewesen. Im Himmel aber (wenn wir mit der Schrift von göttlichen Dingen menschlich reden wollen) ist es noch im vollen Gebrauch, und desselben bedient sich unser liebster Seelenfreund, der Herr Jesus, der zur Rechten Gottes sigt und uns vertritt, Röm. 8, 34., der unser Fürsprecher ist, 1. Joh. 2, 1., und macht, daß unser bei seinem himmlischen Vater nicht vergessen wird. Ach, warum wollten wir denn nicht mit Freuden Gutes thun? Warum wollten wir nicht mit Luft einem so liebreichen Gott dienen, der auch für einen kalten Wasserstrunk, den Seinigen gereicht, unser Schuldner wird, Matth. 10, 42., und eine jede Gutthat als eine Einnahme in sein Buch und Register bringt? Wird denn schon die Gnadenbelohnung etwas verschoben, so wird sie doch nicht vergessen, und zu seiner Zeit wird der Höchste zeigen, daß er so ein ehrlicher Herr ist, daß ihm niemand jemals umsonst gedient habe. Ei, sprach der andere, mein Gotthold! ich müßte euch nicht oft zusehen lassen, wenn ich aus chriftlichem Herzen Gutes thue, ihr würdet mich hoffärtig machen! Gotthold antwortete: Nicht hoffärtig, sondern beständig und eifrig in guten Werken wollt ich euch gerne machen. Doch vergesset ihr, was ihr andern Gutes gethan habt, Gott wirds nicht vergessen.

308. Die Maien.

Als in den H. Pfingsten nach vollendetem Gottesdienst etliche gute Freunde bei einander waren, (da man etlicher Orten Gewohnheit nach die Kirchen nicht allein, sondern auch die Häuser mit Maien schmückte) fing einer an: Was wollen wir uns denn bei den grünen Maien, darunter wir sißen, Gutes erinnern? Einer von den Aeltesten antwortete: Ich pflege mich dabei meines Zustandes zu erinnern, denn gewiß wir Alten find den Maien gleich, die eine Weile im Wasser grünen und frisch bleiben, doch endlich und zwar bald verwelken; so ifts mit uns auch, man pflegt unser aufs Beste, man kommt unsern verschwächten Kräften mit allerlei guten Speisen und Trank, auch wol mit dienlichen Arzneien zu Hülfe, allein das hilft, so lang es kann, endlich heißts: Der Mensch muß davon! Wir verwelken und vergehen. Ich befleißige mich aber dabei, wie die Maien, ehe sie verwelken, am stärksten riechen, also meines Lebens Ende in der Welt mit einem guten Ruhm und Wohlverhalten angenehm zu machen. Von den ältesten Bäumen soll der beste Weihrauch kommen, und die ältesten Menschen müssen andern mit Gottseligkeit und Tugend vorgehen, auch, wenn sie sonst keine große Arbeit mehr verrichten können, am andächtigsten beten. Gott helfe mir, daß ich diese meine silberne Krone, damit er mein Haupt zu zieren beliebt hat, bald mit ewigem Preis seines Namens zu seinen Füßen legen möge! Offenb. 4, 10. Sprüchw. 16, 31. Die Gedanken sind gut, sagte ein anderer, doch weil man die Maien um diese Jahreszeit auch in die Kirche seßt, so will ich etwas, das die Kirche betrifft, dabei anführen. Man findet in der Kirche Gottlose, Gottselige und dann auch die Heuchler; deren Bild können die Maien sein, die grünen eine Weile, haben aber keine Wurzel, noch Saft, und verdorren bald. So ist der Heuchler Gottesdienst, Andacht, Gebet und ganzes Christenthum. Eine Zeit lang glauben sie, aber zur Zeit der Anfechtung fallen sie ab. Luc. 8, 13. Sie haben den Schein eines gottseligen Wesens, aber die Kraft verleugnen sie, 2. Tim. 3, 5., und solche verdorren endlich ganz, das ist, fie finden keinen Trost, ersterben in ihren Sünden und gehören ins ewige Feuer. Gott verleihe uns, daß Christus in unsern Herzen durch den Glauben wohne, lebe und

wirke, und daß wir in der Liebe eingewurzelt und gegründet, Eph. 3, 17., im Hause Gottes ewiglich grünen mögen. Pf. 52, 10. Gotthold schloß endlich und sagte: Weil wir unter den grünen Maien sizen und uns als Freunde fröhlich bezeigen, so halte ich dafür, dieselben können uns eine gute Erinnerung geben von weltlicher Luft und Freude. Die ist so vergänglich und flüchtig, als wie der Maien Grüne und Schöne. Ehe wir es meinen, so ist dieselbe dahin, und bleibet nichts an den Maien, als daß sie gute Ruthen geben, die muthwilligen Kinder zu züchtigen. So bleibt nach erlangter weltlichen eitlen Luft nichts, als die Reue und ein beschwertes Herz. Gott macht oft aus der fündlichen Luft der Jugend eine scharfe Ruthe, damit er manchen sein Leben lang stäupt. Darum lafset uns unter den Maien fröhlich sein in der Furcht des Herrn, damit nicht unsere wenige und flüchtige Lust in eine große und lange Unlust verwandelt werde. Mein Gott! es ist mir lieb, daß es mit der weltlichen Luft so beschaffen ist, daß wir Ursache und Noth haben, uns nach einer bessern umzusehen. Ich habe meine Lust an dir, an meinem Jesu, seiner Gnade und seinem Wort. Diese Maien grünen allezeit, und ich habe niemals ohne Erquickung und Trost mich darunter befunden.

309. Das Spiel: die blinde Kuh.

Gotthold kam dazu, als etliche junge Leute die blinde Kuh spielten. (Es ist ein Spiel, da einem die Augen verbunden werden, der dann so lange blindlings umher tappen muß, bis er einen von den Gespielen, die ihn hie und dort zupfen und hin und wieder stoßen, erhascht, der ihn alsdann ablösen muß.) Was meint ihr, sagte er, welches das gemeinste Spiel in der Welt sei? Gewiß eben dieses, welches nicht allein von Kindern und jungen Leuten, sondern auch von den Alten und Klugen allenthalben gespielt wird. Ich gedenke jezt an eines weisen Mannes (Harsdörfer) sinnreiche Erfindung, der die menschliche Seele unter dem Habit einer Schäferin vorstellt, welche andere, so die Weisheit der Welt, den Reichthum und die Ehre, wie auch des Fleisches Sinn abbilden, zu Gespielen hat; von diesen wird sie beschwazt, daß sie als zum Spiel sich die Augen verblenden läßt, nicht wissend, daß jene ein heimliches Einverständniß mit Trügewald

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