ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

319. Der Trunkene.

Gotthold hörte einen trunkenen Menschen mit großem Geschrei und Lärmen vorbei gehen, wie er sich eben abkleidete und zur Ruhe begeben wollte. Ach, sprach er mit Seufzen, mein Gott, wie geht mancher Mensch zu Bette! Wie viele haben einen Mörder und Lügner zum Schlafgesellen! Dieser hat zweifelsfrei den Tag in Sünden zugebracht und seine Luft im Saufen, Spielen und Narrentheidingen gesucht, jezt geht er mit Jauchzen und Schreien zu Hause, hat seiner Sünden kein Hehl und meint, er habe es wohl ausgerichtet; er schämt sich seiner Trunkenheit nicht, sondern läßt fich öffentlich hören, nicht mit menschlicher, vernehmlicher Stimme, sondern als eine Bestie, die nicht weiß, was sie thut; dies ist der Teufel Lust und der Hölle Freude, die ihren Rachen weit aufgesperrt hat, einen solchen Menschen zu verschlingen, wenn es nicht deine göttliche Güte und Langmuth verwehrte und ihm Zeit zur Buße um der Fürbitte Jesu willen gönnte. Ich gedenke jezt an das, was ich glaubwürdig habe erzählen hören: Eine ruchlose Gesellschaft war auch den Tag über bei einander gewesen und hatte sich im Saufen, Schandieren, Fluchen und allerlei gottlosem Wesen rittermäßig erwiesen; einer aus ihrer Mitte, als er es nicht länger aushalten kann, schlich weg und geht zu Bette; als die andern deß inne werden, beschließen sie, ihm einen Possen zu beweisen und ihn aufzuwecken; aber wie? Sie verkleiden sich alle, theils mit weißen Hemden mit Blut besprißt, theils mit schwarzen alten Pelzen und Säcken, verschwärzen das Gesicht und nehmen brennende Lichter und bloße Degen in die Hände, treten also in die Kammer und um das Bett des Schlafenden und fangen an mit gräßlicher Stimme zu schreien, davon derselbe zwar erwachte, aber, weil er nicht anders denken konnte, als daß so viel Teufel um ihn wären, dermaßen ers schrickt, daß er vor Angst nicht reden, schreien oder sich bewegen kann, und ob sie wohl, nachdem sie eine Weile in solchem Schrecken ihn gelassen, ließen Bier und Gläser herein bringen und ihn zu fernerer Luftigkeit ermahnten, so konnte doch und wollte er nichts nehmen, befand sich gar übel und es mußte ein Arzt geholt werden, ihm etwas zu verordnen, der denn eine geraume Zeit mit ihm zu

thun gehabt; doch ist durch Gottes Güte dieses gefährliche Spiel ihm zum Besten ausgeschlagen, weil er angelobt, sich sein Leben lang vor solcher bösen Gesellschaft und Trunkenheit zu hüten. Dies war, wiewohl ein grausamer und schrecklicher, Scherz toller, voller Leute, allein, wie leicht könnte es auf des Höchsten Verhängniß geschehen, daß einem Trunkenbold, der in allen seinen Sünden ohne einige Buße und Gebet zu Bette geht, dieses wahrhaftig widerführe, daß, wenn er der Seele nach erwachte, er sich mitten unter den Teufeln in der Hölle befände, die ihm Qual und Leid einschenkten. Offenb. 18, 7. Denn wie mancher ist in Trunkenheit und im Schlaf von Gottes gerechtem Gerichte erhascht und des Morgens todt gefunden worden? Nun, mein Gott! du bist barmherzig, gnädig, geduldig und von großer Gnade und Treue. 2. Mos. 34, 6. Schone dieses armen Menschen nach deiner großen Güte, übereile ihn nicht mit einem schnellen Tode! Gieb ihm seine Sünde mit herzlicher Reue zu erkennen, und laß ihn Gnade um des Herrn Jesu willen finden.

320. Das Gewissen.

Es ward berichtet, daß ein gewinnsüchtiger Mann, als ihm in einem Handel zugeredet worden, er möchte doch sein Gewissen bedenken, ungescheut geantwortet: Was Gewissen? ich habe kein Gewissen und weiß nichts davon. Gotthold sagte: So gehts, wenn der Teufel einen Menschen zur Sünde verleitet hat, so macht er ihm dabei einen falschen Seelenfrieden und verhütet, so viel ihm möglich, daß keine bußfertige Gedanken ins Herz kommen, dämpft das Gewissen und dessen Zureden. Hört er schon das Wort, so nimmt er es von seinem Herzen, bringts ihm stracks wiederum aus dem Sinn und läßt es bei ihm nicht haften, damit er also desto kühner in seinen beliebten Sünden fortfahren, darinnen verharren und sich in der Hölle Stricken desto mehr verwickeln möge. Wenn man will, daß einer lange schlafen soll, so verhütet man alles Gepolter, dadurch er könnte aufgeweckt werden. Der Satan machts in diesem Fall wie ein betrüglicher Wirth, der seinem Gast die besten Worte giebt, frisch aufträgt und einschenkt, legt Würfel und Karten auf, läßt die Spielleute kommen und bittet, man wolle fich lustig

bezeigen, indessen mit der Rechnung zurück hält, die er aber zu seiner Zeit also zu machen weiß, daß sich der Gast hinter den Ohren krauet. Der gefährlichste Zustand der Seele ist, wenn sie von keiner Gefahr wissen will. Die schlimmsten Hunde sind es, die nicht erst bellen, sondern stracks tückisch beißen. Das Gewissen der Gott losen, welche sich ihrer Sünden und wegen glücklichen Fortgangs ihres Muthwillens freuen, ist wie das Feuer im naffen Holz, welches zu keiner Flamme anfangs kommen kann und das Ansehen hat, als wollte es verlöschen, wenn es aber einmal zu Kräften gekommen ist, so greift es desto weiter um sich und verzehrt alles, was es erfassen kann; sie sind dem Thiere Hyäne gleich, von welchem geschrieben wird, daß es zwar sehr arglistig ist, seinem Raub nachzugehen und die Hirten und Hunde zu betrügen, aber sehr einfältig und albern sich selbst zu verwahren; denn wenn der Jäger vor die Höhle kommt, darinnen es sich aufhält, liegt es ganz still und regt sich nicht, der Jäger ruft mit Fleiß seinen Gefährten zu: €3 ist nicht hie, es ist anderswo! macht ihm indessen den Strick an einen Fuß fest, welches es alles, erduldet, in Meinung, man wisse von ihm nicht; sobald der Strick angebunden, eilt der Jäger wieder heraus und pfeift aus einem andern Ton: Es ist hier! schlagt todt! auf welche Stimme das Thier ganz grimmig herausspringt und alle Kräfte versucht, zu entkommen, auch sich tapfer wehrt, bis es von den Leuten getödtet wird. So machts der Teufel mit den Gottlosen; er pfeift ihnen immer füße: Gottes Barmherzigkeit ist sehr groß! All vergeben! Es hat keine Noth! Es hat nichts zu bedeuten! u. f. w., bis er sie in seinen Stricken fest gemacht hat und von dem gerechten Gott einen Wink bekommt; da klingts anders: Du verfluchter Mensch! Du Gottesverächter! Nun Ach und Weh über deine Seele! Mir hast du gedient, ich will dir auch lohnen. Darum muß man sich an solcher Leute Reden nicht kehren, sondern sich ihrer erbarmen und Gott für sie bitten, daß er ihnen erleuchtete Augen gebe, die Gefahr ihrer armen Seele zu erkennen, und ihnen nach seiner Güte Buße gebe, daß sie wieder nüchtern werden aus des Teufels Strick, von dem sie gefangen sind zu seinem Willen. 2. Timoth. 2, 26. (Da denn der Apostel auch die Gottlosen in ihrer Sicherheit mit den Trunkenen vergleicht, denn gewiß die meisten find den Uebelthätern gleich, die sich vollsaufen, wenn sie zum Tode sollen geführt werden.) Ach, mein Herr

und Gott! erbarme dich solcher Leute in Gnaden und gieb mir ein zartes und wachsames Gewissen, dem Auge gleich, welches, auch wenn ein geringes Stäublein hineingefallen ist, schmerzt und thränt. Laß mir mein Herz, wenn ich ja etwas versehen und straucheln sollte, flugs schlagen und ein Zeichen geben, wie deinem Diener David, 1. Sam. 24, 6. 2. Sam. 24, 10., damit ich mich chrift lich besinne und nicht sicher werde.

321. Die Muthe.

Gotthold kam zu einem Freunde, als derselbe mit den Seinigen über Tische saß, wobei er denn dieses alsobald in Acht nahm, daß zwar den Kindern ihre Speise und Brod gereicht war, davon sie fein fittig und stille effen mußten, es lag aber die Ruthe auf dem Tisch neben des Vaters Teller ihnen zur Warnung, damit sie sich vor Ungebühr und Uebelstand hüten möchten. Darauf sagte er: Ihr machts, wie unser lieber himmlischer Vater mit seinen Kindern, er bereitet zwar vor ihnen einen Tisch, Pf. 23, 5., und giebt ihnen öfters allerlei Gutes, geistlich und leiblich, zu genießen. Doch muß die Ruthe, das liebe Kreuz, auch nicht weit sein, damit wir nicht muthwillig werden, sondern in seiner heiligen Furcht und kindlichem Gehorsam einher gehen. In oder, wie etliche wollen, bei der Lade des Bundes im alten Testament ward nicht allein die goldne Gelte mit dem Manna, sondern auch die Ruthe Aarons, die ehemals geblüht hatte, aufbehalten, Hebr. 9, 4., anzudeuten das Hausrecht unsers Gottes, daß er zwar die Seinigen mit dem verborgenen Manna, Offenb. 2, 17., feiner süßen Gnade speisen, doch aber nach seinem Gutbefinden die Ruthe darnebst brauchen wolle, beides zu unserm Besten und zu unserer Seligkeit. Es ist eine Hand, welche den Tisch bereitet und die Ruthe führt, es ist ein Herz, daraus Troft und Kreuz kommt, Gott bleibt unser liebster, gnädiger Vater, sowohl, wenn er stäupt und züchtigt, als wenn er erquickt und tröstet. Und wie jener weise Mann wohl gesagt hat, es wäre noch zweifelhaft, ob das Brod oder die Ruthe den Kindern dienlicher sei, weil sie zwar ohne Brod nicht leben, ohne Ruthe aber nicht wohl leben könnten, so mögen wir auch nur gestehen, „daß das liebe Kreuz uns so noth ist, als das Leben selbst, und noch viel nöthiger, ja nüger, als

aller Welt Gut und Ehre," wie der gottselige Arnd redet, der weiter an einem andern Ort sagt: „Gleichwie die größte Wohlthat, die man kann einem Kind beweisen, ist die Ruthe, also ist die größte Wohlthat Gottes an uns das liebe Kreuz, dafür sollen wir Gott die Ge= lübde der Dankbarkeit bezahlen vor allen Auserwählten, wie denn dieselben thun im Himmel vor allen h. Engeln." Freilich ist kein Zweifel, weil die seligen Seelen im Himmel das Geheimniß des Kreuzes nunmehr völlig verstehen und dieser bittern Wurzel füße Frucht in ewiger Ruhe genießen, daß sie dem allein weisen und gütigen Gott insonderheit für sein h. Kreuz und väterliche Zuchtruthe danken, ohne welche sie zu dieser Herrlichkeit und Seligkeit nicht gelangt wären. Lasset uns dieses auch lernen und von Herzen sagen: Es ist mir lieb, daß du mich gedemüthiget haft, daß ich deine Rechte lerne. Pf. 119, 71. Ich danke dir, Herr, daß du bist zornig gewesen über mich und dein Zorn sich gewendet hat und tröstest mich. Jes. 12, 1. Wir mögen uns aber wohl versichern, wir haben es gerne oder nicht, so wird doch der Herr, unser Gott, seine Weise nicht ändern; wer Gottes Kind sein will, der muß Brod und Noth bei einander haben, wer an Gottes Tisch essen will, der muß sich nicht lassen befremden, daß die Ruthe darauf liegt, und daß er mehrmals das Brod seines himmlischen Vaters mit Thränen effen muß. Hier in der Welt schickt sichs nicht anders; wenn wir im Himmel werden zu Tische sizen, so sollen alle Ruthen ins Feuer geworfen sein. Mein Vater! ich werde allmälig deiner Weise gewohnt und weiß wider dein Hausregiment nichts zu reden; ich bemühe mich täglich, zu lernen, nicht allein das Brod, sondern auch die Ruthe zu küssen und zu lieben.

322. Der Traum.

Einer von Gottholds Hausgenossen klagte, daß er die Nacht unruhig geschlafen, weil ihm ein verworrner und verdrüßlicher Handel, damit er den vorigen Tag hatte zu thun haben müssen, stets im Sinne gelegen und auch im Traum, sobald er ein wenig eingeschlafen, vorgekommen wäre. Gotthold sagte hierauf: Lernet hiebei, daß unser Todesschlaf nach dem Leben sich wird schicken, und was wir bei gefunden Tagen haben vorgehabt, das wird uns in der

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »