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bringen müßte. Sie darf am allerwenigsten an der Macht des Geistes verzweifeln, welche mehr vermag als Gesetze und Verbote und endlich alles durchdringt und heiligt. (Einleitung in die Religionswissenschaft II, 147.) Ein jeder weiß, wie wenig dies Ideal der Wirklichkeit entspricht, es ist ein sehr bemerkenswertes Symptom, daß von sehr vielen Gegnern der christlichen Religion eine meist unbewußte Verwechslung mit der Kirche begangen wird, gegen deren Übergriffe manche der geharnischten Angriffe einigermaßen berechtigt sind. Immerhin ist es bei allen Mißständen und bedauerlichen Mißgriffen doch bedeutsam, daß Millionen von Menschen noch bis zum heutigen Tage in den kirchlichen Lehr- und Heilsmitteln ihren Trost fürs Leben finden. Wäre die Organisation als solche völlig reif für den Untergang, so würde sie sicherlich nicht mehr existieren. Die weiteren kirchenpolitischen Probleme gehören nicht in den Rahmen der vorliegenden Darstellung, nur so viel mag im allgemeinen bemerkt werden, daß auch hier eine möglichst weitgehende Bewegungsfreiheit für die beiden streitenden Gegner, für Staat und Kirche, das beste Mittel ist, um die ewigen Reibungen und Streitigkeiten zu beseitigen. Leider ist dazu heute weniger Aussicht als je.

Zweites Kapitel.

Grundlinien in der Entwicklung
der Religion.

§ 19. Unterste Stufen (Fetischismus, Schama

nismus).

Alle Entwicklung, soll sie anders einen organischen Prozeß darstellen, enthält die sämtlichen späteren Stadien

in sich, und nur in dieser natürlichen Entfaltung liegt die Gewähr ihres inneren Zusammenhanges und ihres Bestandes. Anderseits ergibt sich daraus die Unmöglichkeit einer haarscharfen Scheidung der einzelnen Gruppen, hier verwischen sich in Wirklichkeit die Grenzen, so sehr wir dieselben auch theoretisch auseinanderhalten. Wie das Höhere im Niederen der Anlage nach (keimartig) beschlossen ist, so müssen auch, wenigstens für ein geschärftes Auge, in den religiösen Gebräuchen und Anschauungen späterer Epochen die primitiven Ansätze erkennbar sein. Fetischhaftes, Dämonologisches, Zauber und Spuk finden sich deshalb nicht nur bei den niedrigeren Naturvölkern, sondern auch in höheren Religionsformen, wenn auch vielleicht verkümmert, versprengt, nicht als organischer Bestandteil, sondern als Überlebsel. Und umgekehrt läßt sich der Kern aller Religion, das Erlösungsbedürfnis, schon inmitten aller Barbarei erfassen, nur freilich verschleiert, überwuchert durch das üppige Rankenwerk des Kultus. Nur insofern, als anfangs der sinnliche Egoismus und Realismus überwiegt und erst sehr allmählich dafür eine geläuterte sittliche Gesinnung eintritt, dürfen wir von einzelnen Stufen sprechen, und ebenso bildet die streng gesetzmäßige, wissenschaftliche Auffassung, wie sie der Neuzeit insbesondere eigen ist, und jener primitive Geisterglaube (in theoretischer Hinsicht) einen Gegensatz. Der Fetischismus gilt uns somit als psychologische Durchgangsstufe, die aller Wahrscheinlichkeit nach das ganze Menschengeschlecht einmal geteilt hat, nicht so sehr als eine wirkliche Religionsform; daher können wir die Meinung Max Müllers nicht teilen, daß er nur eine lokale Rückbildung und Entartung darstelle. Man darf außerdem nicht verkennen, daß ihm eine viel höhere Tendenz innewohnt, als manche glauben;

nicht ohne eine gewisse Ironie erklärt Bastian: Der Fetischglaube gilt als die roheste Auffassung der Religion, aber roher noch dürfte fast die europäische Auffassung solch afrikanischer Auffassung erscheinen, besonders wenn im eigenen Hause gekehrt werden sollte. Jedenfalls empfängt nicht der zufällige Gegenstand, sondern der ihn bewohnende Geist die Verehrung. Und anderseits bildet er, wie Tiele ausführt, die Überleitung zu höheren, wertvolleren Elementen und Forderungen: Hat er auf der einen Seite zu widerwärtiger Abgötterei geführt, so ist auf der anderen Seite aus ihm durch die Macht der Poesie und der bildenden Künste eine reiche Symbolik erblüht, die ein wichtiges Moment der religiösen Sprache bildet und nicht einmal auf das Gebiet der Religion beschränkt ist. Das englische Union Jack und unsere Driekleur sind in den Augen des Negers Fetische. Sie sind es im edelsten Sinne, Symbole unserer Nationalität und Unabhängigkeit, sichtbare Erinnerungen an das Vaterland in fernen Himmelsstrichen, und wir sind bereit, sie mit unserem Leben zu verteidigen. Die eigentliche Triebfeder aber ist die schrankenlose Allbeseelung, welche der primitive Mensch durch einen unwiderstehlichen Personifizierungsdrang gezwungen ist in seiner Umgebung vorzunehmen. Ob das den großen regelmäßigen Naturerscheinungen gilt oder irgendwelchen zufälligen und auffälligen Vorkommnissen, macht nichts aus. Es ge

nügt, aus der Fülle der Einzelheiten auf einen oder den andern Fall hinzuweisen, so auf den an die afrikanische Küste gespülten Anker, von dem ein vorwitziger Eingeborener, der gerade ein Stück Eisen gebrauchen konnte, ein Stück abbrach. Da ihn unmittelbar darauf irgend eine Krankheit erfaßte, so hat sich sichtlich der darin verborgene Gott für die ihm widerfahrene Unbill gerächt.

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Das Pferd wurde das Bild des Donnergottes für die Mexikaner, die die todbringende Wirkung der spanischen Reiter diesem noch nie gesehenen Fabeltier zuschrieben. Gemäß dem sinnlichen Charakter der Naturvölker ist alles höchst materiell gedacht, deshalb die früher besprochenen Gelübde und Fasten, um die Gunst der Geister zu erkaufen, deshalb die Schutzmittel und Amulette gegen die bedrohlichen Angriffe der Dämonen, deshalb endlich das unbedenkliche Preisgeben der Götter, wenn bei ihnen irgend die erforderliche Kraft versagt. Von irgendwelchem einheitlichen Aufbau der Götterwelt ist noch keine Rede, alles ist blindem Zufall und der bloßen Willkür überlassen, besonders seitens des mächtigen Zauberpriesters. Nicht viel höher steht der Schamanismus (der Ausdruck ist aus dem buddhistischen Wort Cramana Büßer entstanden), obwohl hier eine gewisse Stabilität und Ordnung eingetreten ist. Hier haben wir es wenigstens mit Göttern zu tun, die nicht jeden Augenblick wieder in das Nichts verschwinden können, aus dem sie emporgetaucht sind; sie bewohnen eine andere Welt, zu der meist nur der offizielle Priester Zutritt hat. Sie genießen somit eine bestimmte Geltung, sind nicht von der beliebigen Anerkennung der Menschen abhängig, stets der sinnlichen Wahrnehmung entzogen und nicht irgend einem Naturobjekt innewohnend. Um so vielseitiger und wirksamer ist deshalb die Tätigkeit des Zauberers (des Schamanen), der durch seine Künste (Gebet, Tanz, Opfer der verschiedensten Art) die Gottheit den Wünschen der Menschen geneigt machen kann; ja sie vermag geradezu durch diesen Druck zur Einhaltung ihrer Versprechungen gezwungen zu werden, so daß, wie wir früher schon sahen, ein Vertragsverhältnis vorliegt. Das ist der schlimme, alles echte religiöse Leben, d. h. die

lautere Gesinnung, vergiftende Wahn, dem, wie Peschel mit Recht sagt, alle Völker erlegen sind; wenige haben ihn völlig abgestreift, er treibt sein Spiel noch in Amerika, in Sibirien, im buddhistischen Asien, im brahmanischen Indien, als Amulett bei den Mohammedanern, im Gottesgericht und im Regenzauber bei den Afrikanern, als Nahah-Spuk bei den Papuanern. Wir selbst sind erst seit kurzer Zeit die Hexenprozesse losgeworden, noch unser großer Kepler mußte in seine schwäbische Heimat reisen, und es kostete ihm schwere Mühe, seine alte Mutter vor dem Feuertode zu retten, mit welchem ihre protestantischen Schamanistenriecher drohten. Klar aber ist, daß die sittliche Erziehung des Menschen durch die Religion nirgends einer größeren Gefahr begegnet, als dem schamanistischen Wahn. Man lege irgend einer sinnbildlichen Handlung irgend eine übernatürliche Wirkung bei, und der Ritus thront als Brahma über dem Göttlichen. (Völkerkunde S. 283.)

§ 20. Höhere Stufen (Polytheismus, entwickeltere Naturreligionen).

Befreit sich der Mensch allmählich aus den Banden des ursprünglichen Geister- und Dämonenglaubens, so gewinnt auch damit das anfänglich so regellose Bild der Mythologie und Religion festere, geordnete Züge. Die überirdische Welt kann ja auf jeden Fall nur ein mehr oder minder getreues Abbild des Diesseits sein, der verhängnisvolle Riß, den die kritische Philosophie zwischen die Welt der Dinge an sich und die nur uns zugängigen Erscheinungen gebracht hat, existiert noch nicht. Ist nun selbst für die lockere Struktur des primitiven Stammes ein gewisser sozialer Unterschied unverkennbar (Alter, körperliche Tüchtigkeit usw. befestigen denselben), so

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