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haben: Indien, Persien, China, Palästina und Arabien, somit beschränken sie sich auf Asien. Indien nimmt ohne Zweifel die erste Stelle ein als Mutter von vier großen Religionen, jede mit einem eigenen Kanon großer Schriften. Von der Bedeutung der Religionsstifter werden wir später noch zu sprechen haben (vgl. § 22), jetzt nur so viel, daß durch die Kodifizierung ihrer Aussprüche die schlimmsten Gefahren für eine gesunde und freie Weiterentwicklung der Religion heraufbeschworen wurden. Abgesehen von dem politischen Mißbrauch, der nur zu häufig damit getrieben ist, entartete die ursprünglich reine Verehrung des Göttlichen zu schnödem Götzendienst, der sich genau genommen in nichts von dem verachteten Fetischismus unterscheidet. Für die autoritative Auslegung aber jener unverbrüchlichen Richtschnur wurde jene Macht sehr bedeutungsvoll, die durch den entsprechenden Zuwachs an Gläubigen ein immer stärkeres soziales Ansehen erhielt, die Kirche (vgl. § 18). Auch hier liegen die fruchtbaren Keime schon in früheren Epochen; überall begegnen wir, wie schon berührt, bei den Naturvölkern Priesterschulen, mehr oder minder lockeren Organisationen, endlich Geheimbünden, Mysterienkulten, Orden und Sekten. Wir erinnern an die polynesischen Areoi, an die zahlreichen chinesischen, indischen und persischen Sekten, an die Essener in Israel, die Hanifen in Arabien, die Orphiker, Gnostiker, Sûfiten usw. Öfters haben wir es mit Sonderbildungen zu tun, die eine Gegenströmung gegen das offizielle Dogma darstellen, während die Kirche und Geistlichkeit eben beansprucht, die richtige Hüterin des Glaubens und der Überlieferung zu sein. Je weiter sich das anfänglich nur beschränkte Gebiet der neuen Religion ausdehnt und fremde Völkerschaften mit umfaßt, um so unverhüllter

tritt auch die universalistische Tendenz hervor, die über alle ethnographischen und topographischen Schranken hinausgreift. Die Botschaft Gautamas war schon von vornherein ziemlich allgemein gehalten, jedenfalls für ganz Vorderindien berechnet, die Verkündigung des Heils durch Christus nahm sehr bald eine weitere Perspektive an, während der Islam aus sehr kleinen Ansätzen in einer ungemein starken Expansion zu einer Weltreligion ersten Ranges geworden ist. Umgekehrt ist das Judentum, das freilich von Anfang an einen sehr exklusiven Charakter trug, durch die Ungunst der Zeiten seines heimatlichen Bodens beraubt; um so zäher hängt die über den ganzen Erdball verstreute, ihrer Nationalität längst verlustig gegangene Schar an ihrem religiösen Besitztum. Dennoch darf man wohl eher von einer Erstarrung und Verkümmerung, als von einem hoffnungsvollen Wachstum reden. Andere Formen scheinen wieder auf bestimmte Rassen beschränkt zu sein, so der Buddhismus, der schwerlich je in Europa dauernd festen Fuß fassen dürfte. Auch die Weden kann man als ein spezifisch indisches Gewächs bezeichnen, das überall sonst erfrieren würde. Ist aber das Ethische der eigentliche Kern der Religion, wenigstens der Religiosität, so muß auch gegenüber der toten Formel die innere Gesinnung in den Vordergrund treten. Deshalb können auch die mystischen und asketischen Tendenzen, so sehr dabei ein Erlösungsbedürfnis in erster Linie maßgebend sein mag, letzten Endes religiös nicht wahrhaft schöpferisch wirken; nicht ertötet soll der Mensch werden, sondern wiedergeboren, nicht erschlaffen in traumseliger Stimmung, die sich nie zu persönlichem Wirken aufrafft, sondern umgekehrt sich unmittelbar an der rastlosen Durchdringung der Welt mit den höchsten Idealen beteiligen, so daß er nach

Goetheschem Ausdruck das Vergängliche unvergänglich macht und alles mit Spinoza sub specie aeternitatis betrachtet. Das Ethische entfaltet somit das eigentlich und wahrhaft Menschliche, indem es das Dogmatische des bloß theokratischen Standpunktes überwindet, so daß der Ausspruch des alten Kant zur Geltung gelangt: Es ist überall in der Welt nichts, ja überhaupt auch außerhalb derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille, oder wie Goethe es ausdrückt:

Gutes tu rein aus des Guten Liebe!

Das überlief're deinem Blut!

Und wenn's den Kindern nicht verbliebe,
Den Enkeln kommt es doch zu gut.

Die unmittelbarste Verknüpfung innerer Sympathie mit aufopferungsvoller Pflichterfüllung enthält jenes andere Wort Goethes: Pflicht, wo man liebt, was man sich befiehlt. Auch die Geschichte unserer Religion vermag nach dieser Richtung bedeutsame Fingerzeige zu erteilen; wie das Urchristentum keine sozialen Probleme schwerwiegender Art kannte, so sind dieselben umgekehrt für uns eine ernste Aufgabe allerersten Ranges geworden. Es wäre traurig um unser Christentum bestellt, wenn wir daran kalten Herzens vorübergehen wollten. Diese sozialethische Strömung, schließlich nur die Äußerung des inneren geläuterten sittlichen Triebes der Sympathie, als der höchsten Verklärung wahrer Menschlichkeit, streitet durchaus nicht, wie man wohl behauptet, mit dem Erlösungsprinzip, wie es die großen Weltreligionen aufstellen. Denn dies besteht in der Hauptsache in einem rastlosen Kampf gegen die Sünde. Das religiöse Bewußtsein kann aber nur das lähmende Schuldgefühl überwinden, d. h. erlöst werden vom Fluche der Zeitlichkeit

und menschlichen Hinfälligkeit, wenn der Mensch nicht völlig außerhalb der Welt steht, sondern eben innerhalb der Wirklichkeit aus der fruchtbaren Wechselwirkung mit der Umgebung die dauernde Befriedigung schöpft, die für den Kampf des Lebens unerläßlich ist. Eine zweite Frage ist es hingegen, wie wir uns diese Erlösung denken, ob im optimistischen Sinne als eine stufenweise Vollendung des Individuums, vielleicht in einer höheren Existenzform, oder pessimistisch in einer Rückführung desselben, in einer Auflösung in das Nichts, oder pantheistisch als Vereinigung mit dem schaffenden Weltgeist.

§ 22. Nationale und universale Religionen.

Nirgends zeigt sich unverkennbarer die unmittelbare Abhängigkeit der Religion von der Kultur, als in der Entwicklung und im Verhältnis der nationalen Religionen zu den universalen. Denn sobald sich der ursprünglich enge Horizont erweitert und damit die ethnographischen Grenzen überschritten hat, beginnen auch die religiösen Anschauungen einen tieferen, allgemeineren Gehalt anzunehmen: an die Stelle des Stammes und Volkes, auf das sich zunächst allein die Offenbarung bezog, tritt die Menschheit. Während vordem der nationale Partikularismus den Abschluß nach außen möglichst förderte und nur unter dieser Voraussetzung die Erhaltung der ,reinen Lehre als erreichbar hinstellte, wird jetzt das Gefüge gesprengt, und umgekehrt der volkstümliche Charakter der Religion (des Dogma und Kultus) als lästiges Hindernis für eine fruchtbare Weiterentwicklung der religiösen Ideen empfunden. Die geschichtliche Mission des Volkes, für deren Bedeutung und Geltung die Priesterschaft stets das wirksame Organ darstellt, hat sich in dem Augenblicke überlebt, wo dieser Kulturprozeß den

Achelis, Abriß der vergleich. Religionswissenschaft.

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anfangs beschränkten Rahmen verlassen hat, so daß jetzt nur noch bigotter Unverstand und Fanatismus an dem einseitig volkstümlichen Typus festzuhalten vermag. Das schlagendste Beispiel ist in dieser Beziehung die israelitisch-jüdische Religion, die daher später, als sie sich ihrer gesunden Fortbildung widersetzte, in toten Formeln und Riten erstarren mußte. Freilich bekundet sich auch das Gesetz des sittlichen Fortschritts innerhalb dieser engeren Sphäre, so von Mose bis zu den späteren Propheten, aber die entscheidende Wendung setzt ein mit der organischen Umbildung des Nationalen in das allgemein Menschliche. Das ist um so weniger aufzuhalten, als in jeder höheren nationalen Religion gewisse Gedanken ausgesprochen sind, die geradezu eine allgemeine unbedingte Geltung nicht nur beanspruchen dürfen, sondern verlangen, wie das wiederum auf das Judentum zutrifft. Ebenso hat bald der anfangs spezifisch arabische Islam eine wunderbare Expansionskraft entfaltet, die ihn noch heutigentags weite Länderstrecken erobern läßt. Die Lehre Gautamas, sicherlich ihrer Entstehung nach ein echt indisches Gewächs, bekundete überraschend schnell eine ungewöhnliche Assimilierungsfähigkeit, so daß sie zu den Weltreligionen ersten Ranges aufstieg. Daß trotzdem ethnische Momente auch hier ihre Rolle spielen, soll freilich nicht in Abrede gestellt werden; so darf man unbedenklich behaupten (um beim letzten Beispiel zu verweilen), daß der Buddhismus schwerlich die Religion der Europäer werden wird. Aber prinzipiell greift die Tendenz desselben (und darauf kommt es uns zunächst an) völlig über den Bereich von Volk und Rasse hinaus, wie das ein Blick auf Asiens buntgemischte Völkerschaften lehrt, die den Buddhismus angenommen haben. Griechenlands Religion trug gleichfalls einen

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