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Und umzuschaffen das Geschaffne,
Damit sich's nicht zum Starren waffne,
Wirkt ewiges, lebend'ges Tun.

Und was nicht war, nun will es werden
Zu reinen Sonnen, farb'gen Erden,

In keinem Falle darf es ruhn.

In der Mythologie spielt sodann die Phantasie, ebenso wie in der Kunst, die maßgebende Rolle, die in der Religion dem Gefühl zufällt. In der Kunst entscheidet endlich die Illusion, der schöne Schein gegenüber der rauhen, nackten Wirklichkeit der Dinge, während die religiöse Erhebung und Erbauung eine Versöhnung mit dem unmittelbaren Leben bezweckt, dessen Druck uns unleidlich zu werden und unsere besten Kräfte zu verzehren droht. Das Verhältnis aber von Glauben und Wissen haben wir früher schon besprochen (vgl. § 5), so daß wir uns hier wohl auf einige Andeutungen beschränken dürfen. Es handelt sich auch hier darum, die Grenzen beider Gebiete möglichst reinlich abzustecken, der Vordringlichkeit dogmatischer Gewaltsprüche sei es seitens der Orthodoxie, sei es eines irregeleiteten Kritizismus zu begegnen. Glauben und Wissen sollen sich nicht befehden oder gar vernichten, sondern ergänzen und schützen; aber auch hier lasse man der lebendigen Entwicklung freien Spielraum und halte sich nicht an angeblich seligmachende Formeln. So wichtig religionsgeschichtliche Untersuchungen für die Wissenschaft sein mögen, so wenig können sie doch nach Lage der Sache die wahre Religiosität, die echte Herzensfrömmigkeit und Reinheit der Gesinnung ersetzen. Für die Beurteilung aber der einzelnen Religionen, deren Grundzüge wir noch erörtern werden, ist der sittliche Maßstab, dessen gleichfalls schon früher Erwähnung geschah (vgl. § 4), entscheidend. Deshalb steht uns das

Christentum (d. h. das reine und unverfälschte) am höchsten, weil es im sieghaften Optimismus die Erhaltung des Lebenswertes betont, während uns bei Gautama schließlich das Truggespinst des pessimistischen Nihilismus angrinst. Und hier dürfen wir wohl des bekannten Lessingschen Wortes gedenken: Nicht, weil Gott uns das Christentum offenbart hat, glauben wir, daß es die vollendete Religion ist, sondern weil es sich uns als die vollendete Religion bezeugt, glauben wir, daß Gott es uns offenbart habe.

§ 25. Gesetze der religiösen Entwicklung.

Da die Religion, wie wir sahen, ein sozialpolitischer Faktor ersten Ranges ist, so lassen sich auch gewisse regelmäßige Typen und Erscheinungen ermitteln, die, obschon nicht ausnahmslos wie die Naturgesetze, doch als Gesetze des normalen Verlaufes bezeichnet werden können. Schon durch das früher erörterte Verhältnis der Religion zur Kultur (vgl. § 3) ergeben sich bestimmte Beziehungen zur Gesittung der Völker. So tragen die verschiedenen Religionsformen auch einen dementsprechenden ethnischen Charakter; die chinesische Religion ist völlig utilistisch, praktisch, eine nüchterne Moraltheorie Laotses tiefsinnige Metaphysik hat aus diesem Grunde allein in den breiten Volksschichten keine Wurzeln zu schlagen vermocht, die indische ist dagegen erfüllt von phantastischen Spekulationen, die an innerer Geschlossenheit der Transzendentalphilosophie des 18. und 19. Jahrhunderts nichts nachgeben, die altgermanische Religion atmet einen weltverachtenden tragischen Geist mit streng sittlichen Zügen, der ent- . schlossenen Sinnes die rächende Nemesis sich auch an der sündigen Götterwelt vollziehen läßt, während die

griechischen Olympier in unvergänglichem Glanze der Schönheit ein glückseliges Leben führen, auf das nur selten ein finsterer Schatten fällt. Auch in den verschiedenen Entwicklungsphasen des Christentums Judenchristentum und Hellenismus, römisch-abendländischer und byzantinischer Typus, Katholizismus, Reformation und Gegenreformation, Pietismus und Rationalismus läßt sich dieser Einfluß verfolgen, der nicht selten scharfe, fast unvereinbare Gegensätze zeitigt. Der Aufklärung, die wohl gar mit der Kirche auch der Religion als solcher den Krieg bis aufs Messer erklärt, steht gegenüber eine mehr oder minder ausgeprägte Weltverachtung (Askese), wie sie z. B. in unseren Tagen Tolstoi, Kierkegaard oder Thoreau vertreten. Das, was sich in den groBen Weltreligionen vorbildlich bei ihren Stiftern und ersten Bekennern zeigt, wiederholt sich dann in späteren schweren Krisen; die Geschichte der Heiligen, der Mönche und Nonnen, der Orden und Klöster überhaupt bietet dafür die entsprechenden Belege. Die Unverwüstlichkeit des religiösen Triebes offenbart sich aber gerade darin, daß alle diese Anfechtungen und Schwankungen zuletzt glücklich beseitigt werden; es findet, wie stets im sozialen Leben, ein gewisser Ausgleich statt. In der französischen Aufklärung war die Religion, jedenfalls das Christentum, längst tot gesagt, auch die Aufklärung litt unter dem nüchternen, unhistorischen Rationalismus, unsere gegenwärtige, öfters recht selbstgefällige Naturwissenschaft glaubt ebenso nicht selten über diese ursprüngliche Lebensmacht zur Tagesordnung übergehen zu können, und doch wäre es völlig verfehlt, wenn man annehmen wollte, die eigentliche religiöse Sehnsucht nach innerer Erlösung wäre erloschen. Freilich müssen wir im Interesse einer wirklich fruchtbaren Entwicklung dar

auf bestehen, daß die Religion sich nicht gegen die tieferen, segensreichen Anregungen seitens der Außenwelt abschließt, will sie nicht unausbleiblicher Erstarrung anheimfallen. Es mag genügen, in dieser Beziehung auf die Geschichte der Gottesvorstellungen zu verweisen; der úrsprünglich ganz sinnliche Begriff (Stärke, grobe Leidenschaften aller Art usw.) verliert allmählich sein materielles Gepräge Max Müller hat eine sehr instruktive Biographie des indischen Feuergottes Agni geliefert und diesen Prozeß einer stets wachsenden Idealisierung anschaulich geschildert, bis er in dem Munde der tiefsten Denker und Seher sich zur ethischen und metaphysischen Vollendung läutert. Das gilt nun vollends vom Kultus, der ganz und gar abhängig ist von der geistigen Atmosphäre eines Volkes und Zeitalters. Der Kannibalismus, als religiöse Einrichtung, der Molochdienst, die Autodafés, der Phallusdienst in der Antike und bei den Indern, die so weitverbreitete Tempelprostitution, der unmittelbar unsittliche Kult so vieler semitischer Gottheiten u. a. m. gehören in diesen Zusammenhang. Es bleibt dabei, alle Extreme rächen sich selbst; die Religion, welche nicht mit den treibenden, tieferen Ideen eines Zeitalters in inniger Fühlung bleibt, erstarrt zur Mumie, und die Kultur, welche vermeint, die Religion aus ihrem Organismus ausscheiden zu können, verflacht und geht rettungslos zugrunde, auch hier hat Goethe recht, wenn er erklärt: Die Menschen sind nur so lange produktiv, als sie religiös sind. Beispiele für eine glückliche Umbildung fremder Einwirkungen sind die Griechen, Perser und im gewissen Sinne auch die Germanen, für eine äußerliche Übernahme und Nachahmung dagegen die Phönizier, Äthiopier und viele Stämme niederer Gesittung dem Islam gegenüber. Sehr einflußreich ist das Verhältnis

der Religion zum Staat, zur politischen Macht. Es ist bekannt, daß bei den Naturvölkern und noch weit hinein in die Stadien vorgeschrittener Gesittung der Häuptling und König zugleich der Priester, ja die irdische Verkörperung der Gottheit ist, die er eben leibhaftig seinen Untertanen darstellt. Erst später tritt eine Spaltung und Trennung ein, die zu mehr oder minder erbitterten Kämpfen führt, selten zu einer verhältnismäßig reinlichen Trennung der beiden Gewalten. Jedenfalls bringt eine brutale Knechtung und selbst die bloße Herrschsucht beiden Interessenten nur Nachteil und Schaden an ideellen Gütern; das gilt auch von dem so oft im Namen der Religion angerufenen Schutz des Staates, eine klägliche Kompromißmaßregel, die höchstens augenblickliche Verlegenheiten beseitigt. Von der Kirche und ihrer Organisation war früher schon die Rede (vgl.'§ 18); ob die Form einer Staatskirche alle Spannungen auszuschalten imstande sein wird, ist allerdings noch fraglich.

Aber auch abgesehen von diesen vielfach übereinstimmenden sozialen Beziehungen und Formen lassen sich anderweitige analoge Erscheinungen, und zwar, was beachtenswert ist, bei durchaus stammfremden Völkerschaften nachweisen. Schon die im ersten Abschnitt geschilderten Grundzüge in der Entwicklung der Religionsgeschichte bekundeten einen derartigen typischen Charakter. Überall weicht der bunt schillernde Polytheismus allmählich dem Monotheismus (freilich unter verschiedenen Übergangsformen). Dadurch vollzieht sich eine zunehmende Vertiefung der Anschauungen, eine immer stärkere ethische Imprägnierung, selbst auf Kosten des ursprünglichen dichterischen Zaubers. Diese Veränderung zieht dann ihre weiteren Kreise; nicht mehr der Kultus, die bloß äußere Beachtung von Riten und Gebräuchen Achelis, Abriß der vergleich. Religionswissenschaft.

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