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vereinigt sich wieder die freie, wohl gar durch mystischen Überschwang noch gesteigerte Ergebung des durch irdische Leiden und Trübsal geplagten frommen Menschen in den göttlichen Willen. Die tiefste Quelle aber religiöser Stimmung fließt, wie Goethe im Wilh. Meister (Wanderjahre, 2. Buch, 1. u. 2. Kap.) erkannt, aus der unbegrenzten Ehrfurcht vor der göttlichen überragenden Macht und Güte, ein Gefühl, das abermals bei aller ethnographischen Verschiedenheit allgemeingültig genannt werden kann. Die weisen Männer, denen Wilh. Meister seinen Sohn eine Zeitlang zur Erziehung anvertraut hat, erklären ihm den Sachverhalt folgendermaßen: Der Natur ist Furcht wohl gemäß, Ehrfurcht aber nicht; man fürchtet ein bekanntes oder unbekanntes mächtiges Wesen: der Starke sucht es zu bekämpfen, der Schwache zu vermeiden, beide wünschen es los zu werden und fühlen sich glücklich, wenn sie es auf kurze Zeit beseitigt haben, wenn ihre Natur sich zur Freiheit und Unabhängigkeit einigermaßen wiederherstellte. Der natürliche Mensch wiederholt diese Operation millionenmal in seinem Leben: von der Furcht strebt er zur Freiheit, aus der Freiheit wird er in die Furcht getrieben und kommt um nichts weiter. Sich zu fürchten ist leicht, aber beschwerlich; Ehrfurcht zu hegen ist schwer, aber bequem. Ungern entschließt sich der Mensch zur Ehrfurcht oder vielmehr entschließt sich nie dazu; es ist ein höherer Sinn, der seiner Natur gegeben werden muß, und der sich nur bei besonders Begünstigten aus sich selbst entwickelt, die man auch deswegen von jeher für Heilige, für Götter gehalten hat. Hier liegt die Würde, hier das Geschäft aller echten Religionen, deren es auch nur drei gibt nach den Objekten, gegen welche sie ihre Andacht wenden. ... Die Religion, welche auf der Ehrfurcht vor dem,

was über uns, beruht, nennen wir die ethnische; es ist die Religion der Völker und die erste glückliche Ablösung von einer niederen Furcht; alle sog. heidnischen Religionen sind von dieser Art, sie mögen übrigens Namen haben, wie sie wollen. Die zweite Religion, die sich auf jene Ehrfurcht gründet, die wir vor dem haben, was uns gleich ist, nennen wir die philosophische; denn der Philosoph, der sich in die Mitte stellt, muß alles Höhere zu sich herab, alles Niedere zu sich herauf ziehen, und nur in diesem Mittelstand verdient er den Namen des Weisen. Indem er nun das Verhältnis zu seinesgleichen und also zur ganzen Menschheit, das Verhältnis zu allen übrigen irdischen Umgebungen, notwendigen und zufälligen, durchschaut, lebt er im kosmischen Sinne allein in der Wahrheit. Nun ist aber von der dritten Religion zu sprechen, gegründet auf die Ehrfurcht vor dem, was unter uns ist; wir nennen sie die christliche, weil sich in ihr eine solche Sinnesart am meisten offenbart; es ist ein letztes, wozu die Menschheit gelangen konnte und mußte. Aber was gehörte dazu, die Erde nicht allein unter sich liegen zu lassen und sich auf einen hohen Geburtsort zu berufen, sondern auch Niedrigkeit und Armut, Spott und Verachtung, Schmach und Elend, Leiden und Tod als göttlich anzuerkennen, ja Sünde selbst und Verbrechen nicht als Hindernisse, sondern als Fördernisse des Heiligen zu verehren und liebzugewinnen! Hiervon finden sich freilich Spuren durch alle Zeiten, aber Spur ist nicht Ziel, und da dies einmal erreicht ist, so kann die Menschheit nicht wieder zurück, und man darf sagen, daß die christliche Religion, da sie einmal erschienen ist, nicht wieder verschwinden kann, da sie sich einmal göttlich verkörpert hat, nicht wieder aufgelöst werden mag. . . . Alle drei zusammen bringen

...

eigentlich die wahre Religion hervor; aus diesen drei Ehrfurchten entspringt die oberste Ehrfurcht, die Ehrfurcht vor sich selbst, und jene entwickeln sich abermals aus dieser, so daß der Mensch zum Höchsten gelangt, was er zu erreichen fähig ist, daß er sich selber für das Beste halten darf, das Gott und Natur hervorgebracht haben, ja daß er selbst auf dieser Höhe verweilen kann, ohne durch Dünkel und Selbstheit wieder ins Gemeine gezogen zu werden. Dies ethische Moment wird dann auch in der Persönlichkeit Christi nachdrücklich betont: Im Leben erscheint der Meister als ein wahrer Philosoph, als ein Weiser im höchsten Sinne. Er stehet auf seinem Punkte fest, er wandelt seine Straße unverrückt, und indem er das Niedere zu sich heraufzieht, indem er die Unwissenden, die Armen, die Kranken seiner Weisheit, seines Reichtums, seiner Kraft teilhaftig werden läßt und sich deshalb ihnen gleichzustellen scheint, so verleugnet er nicht von der anderen Seite seinen göttlichen Ursprung; er wagt, sich Gott gleichzustellen, ja sich für Gott zu erklären. Auf diese Weise setzt er von Jugend auf seine Umgebung in Staunen, gewinnt einen Teil derselben für sich, regt den anderen gegen sich auf und zeigt allen, denen es um eine gewisse Höhe im Lehren und Leben zu tun ist, was sie von der Welt zu erwarten haben. Und so ist sein Wandel für den edlen Teil der Menschheit noch belehrender und fruchtbarer als sein Tod; denn zu jenen Prüfungen ist jeder, zu diesen nur wenige berufen, und damit wir alles übergehen, was aus dieser Betrachtung folgt, so betrachtet die rührende Szene des Abendmahls. Hier läßt der Weise, wie immer, die Seinigen ganz eigentlich verwaist zurück, und indem er für die Guten besorgt ist, füttert er zugleich mit ihnen einen Verräter, der ihn und die Besseren zugrunde richten

wird. Durchweg ist für diese psychologische Betrachtung das ethische Moment, wie bereits, angedeutet, maßgebend, es ist die tiefste und gewaltigste Gemütserregung, die alles beherrscht, geboren aus dem sehnsüchtigen Verlangen nach Erlösung, aus dem lebendigen Glauben, dessen liebstes Kind das Wunder. Obschon auch hierfür die verschiedenartigsten kulturgeschichtlichen Färbungen und Abstufungen denkbar sind, so sind doch gewisse stets wiederkehrende Züge typisch und deshalb allgemein gültig, vor allem das Emporstreben über die gemeine Wirklichkeit, über die Hinfälligkeit und Beschränktheit des eigenen Ich, die Wertschätzung einer höheren, unvergänglichen Welt u. a. m., so daß Goethe in Wahrheit und Dichtung sagt, es komme alles darauf an, daß man glaube, was man glaube, sei völlig gleichgültig: Der Glaube sei ein großes Gefühl von Sicherheit für die Gegenwart und Zukunft, und diese Sicherheit entspringe aus dem Zutrauen auf ein übergroßes, übermächtiges und unerforschliches Wesen. Auf die Unerschütterlichkeit dieses Zutrauens komme alles an; wie wir uns aber dieses Wesen denken, sei ganz gleichgültig. Ob wir in den tiefsten Geheimnissen der Religionsphilosophie heimisch sind und mit glänzendem Scharfsinn alle heiklen, jenseits der Grenze des ,Erforschlichen' liegenden Probleme lösen zu können vermeinen, oder ob wir in unbeirrtem, kindlichem Vertrauen uns der göttlichen Leitung überlassen, erfüllt und getrieben von dem Gefühl: Verquält in stumpfer Sinne Schranken, Scharf angeschloßnem Kettenschmerz, O Gott, beschwicht'ge die Gedanken, Erleuchte mein bedürftig Herz,

immer entscheidet die Wahrheit und Glut dieser Empfindung, nicht etwa die Klarheit und Widerspruchslosig

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keit der logischen Auffassung. Hier handelt es sich um die felsenfeste, sei es auch nur instinktive Gewißheit, daß die Welt der Werte, des Geistes, der Zwecke ewig und dauerhaft ist bei allem Zerfall des Irdischen, daß es eine höhere Wirklichkeit gibt als die der Materie, und daß wir, wie Goethe es ausdrückt, bestimmt sind, das Vergängliche unvergänglich zu machen. Schon an einer anderen Stelle (vgl. § 5) war der verhängnisvolle Zwiespalt zwischen Glauben und Wissen geschildert, dem so viele gerade in unseren Tagen erliegen. Es mag deshalb genügen, hier nur die Überzeugung zu wiederholen, daß auf irgend eine Weise dieser klaffende Gegensatz geschlichtet werden muß; nur warnen möchten wir noch einmal vor dem gefährlichen Hochmut naturwissenschaftlicher Aufklärung, die ebenso wenig wie die Kunst den eigenartigen Zauber der religiösen Erbauung und Beseligung zu ersetzen vermag, jedenfalls nicht für die groBen Massen des Volkes. Daher ist das schon oft schadenfroh prophezeite Ende der Religion ein grober Trugschluß; immer und immer wieder hat sich die Religion kräftig genug bewiesen, die stärksten Hemmungen und Krisen zu überwinden und zu neuer Blüte sich durchzuringen.

§ 27. Schlußbetrachtung.

Wichtigkeit des religiösen Problems für die Gegenwart.

Die Religion, wie sie in ihren Anfängen unmittelbar mit den übrigen großen Faktoren unseres geistigen Lebens, mit der Kunst, mit Recht und Sitte zusammenhängt, ist auch in ihrer weiteren Entwicklung daran gebunden. An dieser Tatsache vermag auch die einseitige Isolierung, wie sie durch die Kirche verschiedentlich versucht ist, die sich der Toleranz, der Abschaffung

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