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der Gottheit faßt, ohne deren ununterbrochene Wirksamkeit überhaupt kein Werden. und Geschehen möglich ist. Die Idee eines sittlich reinen, Gott wohlgefälligen Lebenswandels bildet den eigentlichen Kern dieser Anschauung, die sich deshalb allen Kultusmitteln gegenüber (Sakramenten, Opfer, Gebet usf.) gleichgültig verhält. Darin liegt sichtlich der Widerspruch begründet, daß die Vernunftreligion, wie der hergebrachte Ausdruck nach Kant lautete, mit der Selbstbestimmung des Menschen in der Erlösungsfrage die eigene sittliche Tätigkeit in den Vordergrund rückte unter Ablehnung aller sog. Gnadenmittel, während das Ziel dieses Ringens um Erneuerung, um Wiedergeburt sich (freilich nicht im Ausdrucke, aber wohl der Sache nach) gleicht; denn es handelt sich um die Erlösung, diesen Mittelpunkt alles religiösen Sehnens. Diese Annäherung wird dadurch noch nicht wenig erleichtert, daß selbst der rücksichtsloseste Radikalismus, wenn er nicht alle Einsicht einbüßen will, zugestehen muß, daß in Christus die Höhe des sittlichen Ideals erreicht ist, wie nie zuvor und nie nachher, in einer Reinlichkeit und Lauterkeit, die keine Steigerung zuläßt, sondern, wie eine traurige Erfahrung lehrt, nur noch ein Herabsinken. Diese Anerkennung der geschichtlichen Offenbarung, wie sie in dieser schlechthin einzigartigen. Persönlichkeit erstrahlt ist, enthält die Möglichkit einer Versöhnung mit der Orthodoxie und ihrer Lehre, deren Starrheit deshalb aber nicht mit übernommen zu werden braucht. Denn nun setzt die schon erst berührte sittliche Forderung ein, daß alle Entwicklung uns nur erklärlich werden kann auf Grund einer unausgesetzten Wechselwirkung zwischen Mensch und Gottheit, einerlei wie wir uns immer das höchste Wesen denken. Selbst unter dem Verzicht auf alle mythische Ausschmückung und auf alle

geschichtliche Bedingtheit der Religionsstifter und Christus' insbesondere werden wir gerade, um der Einheit der Weltanschauung und der sittlichen Reinheit des höchsten Ideals gerecht zu werden, an der Idee einer fortlaufenden, in Natur und Geschichte wirksamen Offenbarung festhalten, wie sie die tiefsten Denker und Dichter von jeher, freilich individuell verschieden, entwickelt haben. Eben hierin bekundet sich auch der kraftvolle optimistische Zug, lebenerweckend, kulturfördernd im schärfsten Sinne des Wortes, der dem Christentum im Gegensatz zur ertötenden Lehre des Buddhismus den Primat unter allen Weltreligionen verschafft hat. Dann aber dürfen wir das Ideal nicht in ferner Vergangenheit suchen, sondern in leuchtender Zukunft, nicht allein in einer einmaligen, sondern in einer fortlaufenden Offenbarung der Gottheit.

II. Mythologie.

§ 12. Natur und Gott.

Die moderne Völkerkunde, die erst nach der Sprachwissenschaft sich der Bearbeitung des Mythus zugewendet hat, konnte begreiflicherweise ein erheblich größeres Material verwenden, so daß die betreffenden Ergebnisse auch anders ausfallen mußten; besonders stellte es sich heraus, daß der soziale Faktor viel zu wenig gegenüber der (meist auch einseitig ästhetisch aufgefaßten) Naturanschauung gewürdigt war. Dazu trat nicht selten eine verhängnisvolle Verkennung der ursprünglichen Realität der mythischen Gebilde, die erst auf späteren Entwicklungsstufen zu Symbolen verblaßten. Selbst Max Müller mußte die merkwürdigerweise noch immer angezweifelte Tatsache der schrankenlosen Beseelung der Welt (des

Animismus) zugeben und sie in der unausweichlichen Übertragung menschlichen Seelenlebens auf die Umgebung begründet finden. Nach dieser Anerkennung, die eben von Grund aus jeder mechanischen und gesetzlichen Auffassung widerstrebt, ist alles vom strahlenden Himmel. bis zu den kleinsten Bestandteilen der anorganischen Natur beseelt; das gilt in erster Linie, wie bereits hervorgehoben, von den wesensverwandten Tieren, deshalb auch der so ungemein verbreitete Ahnenkult. So ist für die Bakairi (in Brasilien) die Sonne ein großer Ball aus bunten Vogelfedern und ebenso der Mond. Wenn der abnimmt, so kommt zuerst die Eidechse, die wir den Rand entlanglaufen sehen, um ihn mitzunehmen, am zweiten Tage ein gewöhnliches Gürteltier, dann ein Riesengürteltier, dessen dicker Körper uns bald die gelben Farben des Gestirns ganz verbirgt (dies ist nämlich ein Nachttier, das bei Mondschein gejagt wird). Alle Märchen somit, wie unsere Ästhetik diese buntfarbigen Erzählungen nennt, stellen ursprünglich tatsächliche Vorgänge dar, an welche der kindliche Naturmensch ebenso unerschütterlich glaubt, wie der orthodoxe Christ an die Heilige Schrift. Wie die naive Phantasie dabei verfährt, mag noch eine Erzählung der Indianer am Amazonas veranschaulichen: Der Geier und die Schildkröte wetten, wer schneller nach dem Himmel, wo gerade ein Fest gefeiert wurde, gelangen könne. Die Schildkröte versteckt sich in dem Proviantkorb des Geiers, den sie, als dieser von einem Spaziergang durch das festliche Treiben zurückkommt, mit der Versicherung empfängt, sie sei schon längst vor ihm dagewesen. Um die endgültige Entscheidung herbeizuführen, wird ausgemacht, wer zuerst auf Erden anlange, solle Sieger sein. Die Schildkröte läßt sich einfach fallen und erhält dadurch den Preis; freilich plattet sie durch den

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Fall ab, wie noch heute zu ersehen. Es ist klar, wie der bewährte Ethnologe K. v. Steinen erklärt, daß die zu erklärende Tatsache nicht zu der Geschichte gekommen sein kann, sondern nur die Geschichte zu der Tatsache (Unter den Naturvölkern Zentralbrasiliens S. 356). Oder es treten Menschen an die Stelle von Tieren: die Eskimos nennen die Sterne im Oriongürtel die Verwilderten sind Seehundsjäger, die den Heimweg verfehlt haben —, oder die Kasias in Bengalen berichten, die Sterne seien einst Menschen gewesen; sie kletterten auf den Gipfel eines Baumes (gemeint ist natürlich der Himmelsbaum), aber, da andere unten den Stamm abhieben, so seien sie oben in den Zweigen sitzengeblieben. Neben diesem Ahnenkult tritt nun auch, besonders aus naheliegenden Gründen bei Ackerbau treibenden Völkern, die Verehrung großer Naturkräfte und -erscheinungen, vor allem der Sonne und des Mondes. Das ganze wirtschaftliche Gedeihen war in erster Linie von dem Stand der Gestirne abhängig; die allezeit rege Phantasie mußte gerade hier einen bequemen Tummelplatz ihrer Tätigkeit erblicken; es genügt, in dieser Beziehung auf die so weitverbreiteten Sagen von dem Ringen und Sterben der Sonnenhelden zu verweisen, wo nicht selten schon auf verhältnismäßig frühen Entwicklungsstufen sich eine bemerkenswerte idealisierende Kraft entfaltet. Dazu treten noch ungewöhnliche elementare Erscheinungen und großartige Katastrophen (Sintfluten, Erdbeben, Gewitter usw.), so daß man wohl, um eine gewisse Übersicht über die sinnverwirrende Fülle der Einzelheiten zu ermöglichen, von einem allgemeinen Weltmythus gesprochen hat, für dessen weitere Verzweigung der ursprüngliche Gegensatz zwischen Himmel und Erde maßgebend ist. Bald ist die Sonne das Auge des Himmels, bald das künftige Heim der Seelen, bald

die Gehilfin des Himmels bei der Weltschöpfung; Erde und Himmel, meist als aufeinanderliegend gedacht, trennen sich später (zuweilen nicht ohne Anwendung von Gewalt), die Erde ist das Weib, mit dem der Himmel alles zeugt, vor allem die Menschen. Dazwischen steht eine Reihe Gottheiten zweiter Ordnung, Demiurgen (die die Schöpfung vollenden helfen), der Donner- und Blitzgott, der Feuerbringer (Prometheus, Hephästos, Maui, Loki usw.), der nicht selten, besonders in der niederen Volksmythologie, die Gestalt des hohen Himmelsgottes in den Hintergrund drängt, zumal ihm gelegentlich komische Züge beigelegt werden; die Wolkenschlange, der züngelnde Blitz ist den Nahua in Mittelamerika die Schöpferin des Menschen, wie den Fidschianern ihr Ndengeh. Eine genauere Behandlung des einschlägigen Materials würde uns zu weit führen, — sie gehört der eigentlich religionsgeschichtlichen Darstellung an, nur ganz allgemein verweisen wir auf den Unterschied zwischen den kosmogonischen und theogonischen Sagen, die sich freilich wieder vielfach berühren. Jene beziehen sich auf die Weltentstehung, entweder (was viel seltener der Fall ist) im rein evolutionistischen Sinne, so im He pule heiau, dem uralten Tempelgedicht, das seinerzeit Altmeister Bastian in Honolulu entdeckte, oder unter Leitung eines bestimmten Gottes. Durch schärfere Abstraktion gelangt das Nachdenken dann zu einzelnen obersten Prinzipien, die nicht weiter zerlegbar sind, z. B. Geist oder Kraft, Materie, Raum, Zeit, Nacht. Das Chaos des Hesiod, das Ginnungagap der Völuspa der Germanen vertreten diesen absolut leeren Raum. Bei anderen Völkern (so bei den Polynesiern, Indern) oder bei den Orphikern, bei Homer ist es die Nacht, aus deren Schoß alles hervorgeht, bei den Babyloniern, Iraniern, in einigen indischen Systemen der

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