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an den apokalyptischen Jaspisstein zu denken, der wie Kristall leuchtet.

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Der Dichter der Weissagung der Seherin" hat die Mythen, die im Volke lebendig waren, in ihrer tiefsten Bedeutung philosophisch aufgefaßt und in einen großen geschichtlichen Zusammenhang gebracht. Die Vorstellung, daß die anfängliche glückliche Unschuld- und Friedenszeit durch den „Sündenfall" der Götter gestört, und daß durch die verführerische Macht des Goldes auch die Menschenwelt in Verwirrung gebracht wurde, gehört dem Dichter und vielleicht einigen wenigen allein, die über das Heidentum schon hinausgekommen waren, aber nicht dem Volke an. Die Auffassung des Götterlebens nicht als eines unveränderlichen Daseins, sondern geradezu als eines geschichtlichen Verlaufes mußte der nordischen Mythologie einen nicht bloß epischen, sondern dramatischen Charakter verleihen, mußte aber mit den religiösen Bedürfnissen in Konflikt geraten und in ihrer letzten Konsequenz zum Untergange des ganzen Glaubens an die alten Götter führen. Die Sehnsucht nach einem reineren, besseren Leben wird in manchen tieferen Gemütern mehr als einmal rege gewesen sein, und diese Weltansicht bezeichnet. den äußersten Höhepunkt, bis zu dem die innere geistige Entwickelung des nordischen Heidentums gelangen konnte. Christlich ist sie nicht, weder durch das Christentum beeinflußt, noch dadurch hervorgerufen. Aber vorbereitet war damit dem Christentum der Boden. Denn ein neues, lebenskräftiges Heidentum konnte aus diesen Ruinen nicht erblühen. Mögen diese Gedanken auch anfangs der Menge gleichgültig gewesen sein und nur wenige überzeugungsvolle Anhänger gewonnen haben, mag auch die Idee des Unterganges der Welt nicht von Anfang an in den Göttersagen gelegen haben, weil sie der Kindlichkeit der frühesten Zeit widerstreitet und erst das Ergebnis eines vielfach bewegten kampfesreichen Lebens sein kann auf die Dauer konnten diese revolutionären Anschauungen dem Volke nicht verborgen bleiben und mußten zersetzend auf Glaube, Sitte und Staatsleben wirken. Es war wahrlich ein tiefer Gedanke, den Göttern offen und

Die heidnischen Bestandteile des Ragnarök-Mythus.

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geradezu Sündhaftigkeit zuzuschreiben, statt ihnen nur verzeihliche, liebenswürdige Schwächen beizulegen; und daß der starrsinnige Idealismus in unerbittlicher Folgerichtigkeit sich vor dem Zugeständnisse nicht scheute, daß die Gerechtigkeit sich an den Göttern selbst erfüllen müßte, daß erst mit dem Untergange der Schuldigen die Schuld gesühnt sei, ist großartig, bewundernswert und vielleicht einzig dastehend, aber an den Widersprüchen dieser Konsequenz mit den religiösen Bedürfnissen mußte sich das Heidentum verbluten. Denn kein Volk kann ernsthaft noch an Götter glauben, auf die es selbst jenes Schicksal als ein verdientes übertrug. Daher erwidern die kühnen Seekönige und andere Helden des Nordens auf die Frage nach ihren religiösen Anschauungen mit Antworten des Unglaubens, des trotzigen Vertrauens lediglich auf die eigene Persönlichkeit und ihre erprobte Kraft. Man darf daher diese Mythen, wenigstens in ihrer späteren Ausbildung, nicht mehr als Ausfluß oder Ausdruck des alten Glaubens selbst auffassen, sondern als Zeichen des Überganges zu einer neuen Weltansicht (S. 11/12). So ist auch dieses großartige Gedicht in der wilden Gärungszeit entstanden, wo das Alte in voller Auflösung begriffen, das Neue noch nicht ganz zum Siege gedrungen war. Aber trotz dieses negativen Charakters sind diese Mythen, wie man mit Recht hervorgehoben hat, ein Zeugnis hohen Sinnes für die Wahrhaftigkeit und sittliche Kraft, womit die Nordgermanen jene letzten Konsequenzen ungescheut und rücksichtslos gezogen haben, und das allein schon, dieses formale Verdienst, abgesehen von dem materiellen Gehalte mancher anderer Vorstellungen, läßt sie als würdig und reif zur Annahme des Christentums erscheinen.

Die in größeren Zwischenräumen wiederkehrenden Sonnenfinsternisse haben auf die Ausgestaltung des Ragnarökmythus unfraglich eingewirkt: ,,Fenri rötet den Sitz der Götter mit Blut, schwarz wird der Sonne Schein, in den Sommern darauf wird wüstes Wetter; vom Himmel stürzen die heitern Sterne". Das,,Verschwinden" oder „,Dunkelwerden" der Gestirne ist nur der jüngere verblaßte Ausdruck für das mythische Bild

Herrmann, Nordische Mythologie.

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,,Der Fenriswolf stürzt sich entfesselt auf die Wohnungen der Menschen". Daneben sind folgende Bestandteile des Ragnarökglaubens unzweifelhaft heidnisch: der Fimbulwinter, das Versinken der Erde ins Meer, die Schlange im Weltmeere, der Weltbrand, der Götterkampf, der Tod des Götterkönigs und die Rache, das überwinternde Menschenpaar, das neue Göttergeschlecht.

Gewiß ist der Seelenglaube der ältesten Zeit von dem spätern Unsterblichkeitsglauben zu trennen; aber die Vorstellung, daß die Seelen zu bestimmten Zeiten den Lebenden näher treten als sonst, ließ ein Wiedererscheinen nach dem Ende der Welt erwarten. Wenn böse Menschen nach dem Tode bestraft werden, und wenn Högni die Brynhild verwünscht:,,Verwehrt sei ihr ewig die Wiedergeburt, die geboren nur ward, um Böses zu stiften" (Sig. III45; S. 36), so muß angenommen werden, daß die bösen Menschen nicht wiedergeboren werden, sondern Qualen in der Unterwelt erleiden; die guten aber werden wieder geboren. So werden auch außer Baldr und Höd, die von Hel zurückkehren, vor allem die Söhne der Götter, Odins Söhne Widar und Wali, Thors Söhne Modi und Magni für die neue Welt erwartet: sie sind also als die wiedergeborenen Götter gedacht. Auch die nach den Ragnarök lebenden Menschen heißen,,wackere Scharen“. Damit wird nicht eine persönliche Unsterblichkeit gelehrt, aber doch die Unsterblichkeit der Seele, indem die Seele beständig auf neue Menschen übergeht. So bricht auch hier eine alte, durchaus heidnische, religiöse Vorstellung in dem Glauben an den endlichen Sieg des Guten hervor.

Neben der Ansicht einer Weltzerstörung durch Feuer begegnet auch die durch strenge Kälte (Fimbulwinter) oder durch Wasser. Die dauernde Verfinsterung der Sonne läßt alles Leben erstarren, der Hunger tritt ebenso mörderisch auf, wie die Kälte. Diese der Natur des Nordens entnommene Vorstellung vereinigte sich mit der des Weltbrandes und wurde später als eine Art Vorspiel aufgefaßt.

Daneben erscheint die Vernichtung der Welt durch das

Meer:

Die heidnischen Bestandteile des Ragnarök-Mythus.

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Es steigt das Meer im Sturme zum Himmel, die Länder verschlingt es (Hyndl. 44). Auch nach der skaldischen Dichtung versinkt die Erde in das rings umbrausende Meer: Die helle Sonne wird schwarz, die Erde sinkt in das finstere Meer, der Himmel birst, die ganze See tost auf den Felsen; Steine schwimmen rasch wie Saatkörner auf dem Wasser, die Erde versinkt, die mächtigen, herrlichen Berge stürzen ins tiefe Meer (Arnor Jarlaskald [1064], Korm. S. V. 61 [ca. 935-970], Háttatal [1222] 102).

Die Vorstellung dagegen, daß Feuer und Flamme dereinst die Welt zerstören werden, ist die eigentlich herrschende, und vielleicht ist sie sogar gemeingermanisch. Das Wort Muspell freilich ist noch nicht sicher gedeutet; es klingt wenig nordisch und ist wahrscheinlich von Niederdeutschland nach Skandinavien gedrungen.

Die Verbindungen der Skandinavier mit den Völkern, die nördlich und östlich von ihnen wohnten, also mit den Finnen und Lappen, hatten vor allem die Einführung einer Menge von magischen Operationen, der Zauberei und Geisterbeschwörung zur Folge, wirkten also besonders auf den Glauben des ungebildeten Volkes, die rohen, gespensterhaften Vorstellungen ein, die sie mit allen Völkern der Welt teilten. Befruchtend aber wie ein Sommerregen zog deutscher Einfluß über die Lande des Nordens dahin. Hauptsächlich in Norwegen, in den ersten 6-7 Jahrhunderten unserer Zeitrechnung, ist der nordische Götterglaube ausgebildet. Denn aus den ältesten Skalden erhalten wir in großen und klaren Zügen dieselbe Mythologie, die wir in den Liedern der Edda finden (S. 12). Was sie bieten, von Bragi dem Alten an, ca. 840 bis zu den Skalden König Haralds 875, kann nicht im Verlaufe von einigen Jahrzehnten entstanden sein; dagegen sprechen die fast unübersehbare Fülle von Mythen, ihre verschiedene Verflechtung und ihre bis ins Einzelne ausgebildete Überlieferung. Das alles kann nur das Ergebnis der Entwicklung einer längeren Zeit sein, nicht der ersten vierzig Jahre der Wikingerzeit. Ihre Kriegszüge und ihr ausgeprägtes kriegerisches Leben haben der nordischen

Mythologie ihren kriegerischen Charakter nicht erst verliehen, haben nicht erst Odin als Kriegsgott, Walhall mit den Einherjern und Walküren geschaffen. Das kampffrohe Leben der Götter stammt aus den Kriegen, die die Nordleute Jahrhunderte vor dem Jahre 800 mit ihren Nachbarn führten. Für die Einwanderung der Wodansreligion das Jahr 500 oder 600 anzusetzen, bleibt zwar Mutmaßung; jedenfalls ist sie geraume Zeit vor 800, dem Anfange der geschichtlichen Zeit des Nordens, erfolgt. Wodan brauchte sich nicht erst in Skandinavien zum fürstlichen, dichterischen, siegreichen Odin zu entwickeln, er war es bereits in Deutschland geworden. Den Einfluß der deutschen Mythologie auf die nordische weiter nachzuweisen, wird das Ziel der künftigen Forschung sein, und manche bedeutsame Aufklärung wird hier noch zu erwarten sein. Die Überzeugung wird sich immer mehr Bahn brechen, daß, wenn einmal fremde Beeinflussung auf das geistige Leben der nordischen Vorzeit anzunehmen ist, diese nicht vom Westen, sondern vom Süden stammt. Für die spätere Zeit sind christliche und antike Einwirkungen nicht abzustreiten, aber sie haben nicht den heimischen, heidnischen Grundbau erschüttert, sondern haben sich vereinzelt als fremder Zierat um die Schöpfungen des nordischen Geistes gerankt. Niemand vollends kann leugnen, daß Snorri und seine Zeitgenossen manches in ihre Darstellungen der nordischen Mythen hineingetragen haben, das unheidnisch ist. Nichts destoweniger bleiben viele religiöse Vorstellungen übrig, die sich seit undenkbaren Zeiten unter dem nordischen Himmel von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt hatten. Vielleicht wird die archäologische Forschung auch hier klärend helfen und manches Rätsel lösen. Dann wird es möglich sein, sich ein ungetrübtes Bild von dem Glauben der Nordleute zu entwerfen, die vor den Helden der Wikingerzeit gelebt haben. Trotz des deutschen Einflusses wird eine ursprüngliche nordische Mythologie bestehen bleiben, und selbst was der Norden dem Süden verdankt, hat er selbstständig entwickelt und weiter gebildet. Nordisch ist die Gegnerschaft zwischen Odin und Loki, nordisch ist die letzte

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