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wird wohl Niemand leugnen, daß die Verwertung der Tontafel als Schreibmaterial auf Kreta mittelbar babylonischer Beeinflussung zu verdanken ist. ',

Dagegen kann ich einen Beleg für babylonische Beeinflussung in mykenischer Zeit nicht erblicken in dem zuletzt und am eingehendsten von Köhler) behandelten keilinschriftlichen Steintäfelchen, das vor einem halben Jahrhundert auf Kythera zutage getreten ist. Selbst wenn die Inschrift, wie Köhlers Gewährsmann annimmt, aus der Kassitenzeit stammen sollte, die mit der mykenischen Periode im wesentlichen gleichzeitig ist, könnte ich den weiteren Schluß, daß das Täfelchen gerade damals mit anderem orientalischem Tand, wie die ägyptischen Skarabäen auf Rhodos und in der Ebene von Argos, auf Kythera eingeführt worden sei, nicht zustimmen. Derlei Tand kann ja noch Jahrzehnte und Jahrhunderte lang nach seiner ersten Anfertigung von Hand zu Hand wandern. Mir erscheint es viel wahrscheinlicher, daß dieses Täfelchen durch die Phöniker, die auf Kythera eine Station für ihre Purpurfischerei erhielten. dorthin gekommen ist, d. h. also, da m. E. die kommerzielle und kolonisatorische Ausdehnung der Phöniker erst begonnen haben wird, nachdem mit der mykenischen Kultur auch der meerbeherrschende Handel, der ihr diente, in Verfall geraten und durch die dorische Wanderung vernichtet worden war, ev. mehrere Jahrhunderte nach der Aufzeichnung der Inschrift.

Die ägyptischen Skarabäen etc., deren Köhler gedenkt, sind für die chronologische Bestimmung der mykenischen Epoche bekanntlich nicht für sich allein bedeutsam gewesen, sondern in der Korrespondenz mit Anzeichen gleichzeitigen mykenischen Imports nach Ägypten. So und nur so ist klar geworden, daß die mykenische Kultur um die Mitte des 15. Jahrhunderts (18. Dynastie) in Blüte stand, während sie mit ihren älteren Ansätzen (Periode der Schachtgräber) in die 12. Dynastie zurückreichte. Daß wir diese Dynastie erheblich zu hoch angesetzt hatten, hat das neue gefundene Sothisdatum aus dem 7. Jahr Sen-Wosret's3) (Sesostris) III. gezeigt, durch welches dieser Herrscher in den Anfang des 19. Jahrhunderts verwiesen wird.

Wenn schon dieses Ergebnis zur Zeit eine unschätzbare Förderung bedeutet, so muß es doch im Sinne später zu erhoffender chronologischer Genauigkeit für Ägypten wie für den mykenischen Kulturkreis als unerwünscht gelten, daß jenes Jahr und damit der Regierungsbeginn Sen-Wosret's III. unrichtig berechnet worden ist. In meinen Zwei Hauptproblemen) habe ich unter Eduard Meyers) Beistimmung darauf hingewiesen, wie unwahrscheinlich es sei, daß derartige Sothisdaten astronomisch beobachtet und astronomisch wieder zu errechnen wären, daß sie vielmehr zyklische Bedeutung haben müßten und zyklisch zu berechnen seien. So trifft denn auch die bei Borchardt) wiedergegebene astronomische Berechnung (Brix nach Oppolzer) des 7. Jahres Sen-Wosret's III. auf die Tetraëteris 1876-73 v. Chr. nicht zu. Vielmehr ergibt sich, je nachdem man das Jahr 136 n. Chr. oder das Jahr 139 n. Chr. als Anfangsjahr der, eine neue Sothis-Periode beginnenden ersten Tetraëteris betrachtet und somit den Beginn des vorherigen Zyklus in das Jahr 1322 v. Chr. oder 1325 v. Chr. legt, für das 7. Jahr SenWosrets III. die Tetraëteris 1885-82 resp. 1882-79 v. Chr.7)

1) Babyloniens Kulturmission einst und jetzt S. 6.

2) Über Probleme der griechischen Vorzeit. Berliner Sitzungsber. 1897 S. 261 ff. 3) Das ist die richtige Lesung des bisher Usertesen (Wsr-tsn) gelesenen Königsnamens, wie Sethe, Unters. zur Gesch. u. Altertumskunde Ägyptens II S. 1ff. schlagend dargetan hat.

4) Zwei Hauptprobleme der altor. Chronologie S. 55 vgl. S. 206 ff.

5) Lit. Centralbl. 1899 Nr. 4.

6) Zeitschr. f. üg. Sprache u. Altertumskunde XXXVII 99 ff.

7) Die Angabe lautet dahin, daß am 16. Pharmuti (VIII) der Aufgang der Sothis stattgefunden habe. Der erste Thoth (1 I) ist der 140. Tag nach dem 16. Phar

Auch für das zwischen der 12. und der 18. Dynastie liegende Intervall ist bekanntlich durch Coïncidenzen aus der Hyksos-Periode, deren Beginn durch eine eigene, 400 Jahre vor Ramses II. anhebende Aera auf den Anfang des 17. Jahrhunderts v. Chr. bestimmt wird '), der ägyptisch-mykenische Verkehr speziell auch für Kreta, ebenso dessen Fortdauer bis in die 19. und den Anfang der 20. Dynastie bezeugt. Dagegen vermag ich Flinders Petrie's Schlüssen aus der Auffindung vormykenischer Scherben in Gräbern der 1. Dynastie nur mit der äußersten, schon das Alter der Fundschicht betreffenden Skepsis zu begegnen.

Nicht minder charakteristisch als die Übernahme jener babylonischen Gewandung nach Stoff und Schnitt ist aber die Umformung. An Stelle des Steifen und Eckigen, der geraden Linienführung tritt auf Kreta die weiche Rundung und der Schwung der Wellenlinie, der sich auch in der so besonders modern anmutenden Glockenform des mykenischen gegenüber dem senkrechten Herabhängen des altbabylonischen Gewandes bemerkbar macht. Es liegt auch hier keine einfache Herübernahme, sondern eine Aneignung, Verarbeitung und ein selbständiges Umschaffen der übernommenen Motive vor. Diese große Selbstständigkeit in der Verwertung fremder Motive ist für die ägäisch-, mykenische" Kultur ebenso charakteristisch wie für das Griechentum. Deshalb die Träger der ersteren für reine Griechen zu erklären, wäre ein Fehlschluß. Wir kommen darauf zurück.

Ehe der Ton, der in der mykenischen Periode den Kypriern zur Beschreibung in babylonischer Schrift und Sprache diente, als Schreibmaterial nach Kreta gelangt war, ist viele Jahrhunderte lang in Vorderasien oft unter bedeutenden Schwierigkeiten in der Beschaffung des Materials, die Tontafel als Schreibmaterial verwendet worden. Das brachte eine sehr intensive Beschäftigung mit der Tonbereitung, der Auswahl des Materials, seiner Reinigung und Verfeinerung mit sich. Auf Kreta (Kamara) hat, wie immer klarer wird, die verfeinerte ägäisch mykenische Keramik ihren Ausgang genommen. Liegt auch hier eine Verwertung und Umgestaltung babylonischer Einflüsse vor, haben Errungenschaften der babylonischen Technik auf die Begabung und das Geschick der kretischen Tonbildner, die alsdann der Keramik die neuen für das gesamte Altertum bestimmenden Bahnen wiesen, befruchtend eingewirkt? Ich frage, die Antwort steht anderen zu. Aber auch eine Fragestellung kann fördernd wirken.

Bei dem schon berührten Problem, der den Trägern der mykenischen Kultur zukommenden Nationalität(en), scheint mir die Fragestellung, wie sie in der Regel geübt wird, einer Korrektur zu bedürfen.2) Man fragt: Griechen oder vorarische Nichtgriechen (ich bezeichne sie nach dem historischen wichtigsten und greif

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muti (14 Tage des VIII. Monats, IX-XII = 120 Tage, dazu die 5 Epagomenen 139), 4 × 140 --- 560 Jahren, die zu 1322 resp. 1325 Jahren v. Chr. zu addieren sind, um zyklisch das erste Jahr der für die Angabe zutreffenden Tetraëteris zu erhalten. 1) Ed. Meyer, Gesch. Ägyptens S. 209; meine Zwei Hauptprobl. 164.

2) Im folgenden äußere ich großenteils in thesenartiger Form mit leise angedeuteter Begründung Anschauungen, die ich mir seit Jahren, z. T. seit ich zum ersten Mal ältere griechische Geschichte vortrug (1897) gebildet habe und die in nächster Zeit ausführlicher darzulegen ich nicht hoffen kann. Einiges findet man an schwer zugänglicher Stelle (Aus Georgien“, erweiterter Separatabdruck aus Naumanns Zeit 1902 Nr. 41/44) schon angedeutet. Die in Betracht kommende Literatur ist bekannt: ich nenne als mir speziell förderlich, außer Köhlers schon zitierter Schrift. W. Max Müller: Europa und Asien; Wilamowitz: Euripides Herakles, Bd. I; Ed. Meyer: G.A. II; Forschungen zur alten Geschichte I: P. Kretschmer: Einleitung in die Geschichte der griechischen Sprache; Furtwängler: Geschichte der Steinschneidekunst Bd. III.

barsten Volke der Gruppe als „Karer,?, Aber man vergißt nur allzu häufig, daß der Begriff des Griechischen, wie wir ihn ethnisch und kulturell zu betrachten gewohnt sind, „karische“ Elemente in sich schließt und daß wir nicht wissen, wie viel von dem, was uns als charakteristisch Griechisch erscheint, auf Rechnung des karischen Elementes kommt.

Das Problem hat mancherlei Analogien mit der Ausscheidung des sumerischen Elements aus dem Babylonischen. Hier wie dort ein nichtindogermanisches Element, das einen wesentlichen Anteil an der Bildung der Kultur hat, die dort in semitischem, hier in indogermanischem Gewande erscheint.

Und daß der Sprachwissenschaft bei der Lösung dieser Aufgabe die Hauptrolle zukäme, unterliegt wie im Zweistromlande, wo sie allein das erkennende und entscheidende Wort gesprochen hat, so für die Inseln und Küsten des ägäischen Meeres, keinem Zweifel, wie das kürzlich wieder Diels mit Recht') betont hat. Aber bis es gelingt, die ältesten griechischen Namen zu deutlicherem Reden zu bringen und das eine oder die verschiedenen ägäisch-mykenischen Schriftsysteme zu entziffern, wird viel, viel Zeit vergehen, und selbst dann noch wird neben der sprachwissenschaftlichen die kulturhistorische und mit ihr vor allem die religionsgeschichtliche Betrachtung ihre Rechte und ihren Wert behalten. Ist doch beispielsweise die Verknüpfung des Labyrinths mit dem karischen Borg Beil Axt" und seinem Träger, dem karischen Zeus 1άßparrdos, erst durch die Erkenntnis der religionsgeschichtlichen Bedeutung der Doppelaxt als eines Kultsymbols möglich geworden, das dem „karisch"-kleinasiatischen Wettergott eignet, der bei den Karern (im engeren Sinne) als Träger der Axt Aáßpavydos genannt wurde, während er uns bei einer Gruppe östlicher wohnender Kleinasiaten unter dem gemeinsamen Namen Tešub (vorarmenisch-chaldisch Teïsbas) begegnet.

Bei solcher kulturgeschichtlicher Betrachtung darf freilich nie vergessen werden, daß der Schluß aus gemeinsamen Eigentümlichkeiten und Errungenschaften nicht durchaus und ohne Weiteres bündig ist, daß sich Erfindungen und sonstige Errungenschaften vielfach unbekümmert um nationale und ethnologische Scheidegrenzen verbreiten".) Aber nicht allen Kulten noch allen kulturellen und technischen Errungenschaften ist die gleiche Wanderlust und Anpassungsfähigkeit eigen. Sie wird sich z. B. die Vorliebe für Anlagen im lebendigen Felsen nicht so leicht übertragen lassen.

Es ist schwerlich zu bezweifeln, daß gerade die technischen Fertigkeiten und Errungenschaften, die die (ägäisch-)mykenische Kultur auszeichnen, zu einem wesentlichen Teile auf Rechnung des vorgriechischen Elementes der Bevölkerung kommen. Mit Recht hat ferner Furtwängler betont, „daß Kultur und Wesen der Jonier eine nahe Verwandschaft zu dem der „Mykenäer“ zeigt. Das beruht m. E. zu einem guten Teil darauf, daß die Mischung von griechischem und „karischem Blut bei den Ioniern allezeit lebendig und wirksam blieb. Sie brachten sie nach Kleinasien mit, als sie durch die dorische Wanderung dahin vertrieben wurden 3),

1) Zu ihnen rechne ich auch die Pelasger. Die Anwesenheit dieses vor- und nichtgriechischen Volkes halte ich namentlich überall da für erwiesen, wo die Tradition durch das Vorhandensein einer Aague (doch wohl mit dem nichtgriechischen „kleinasiatischen" -Suffix, Kretschmer S. 405 f.) genannten Burg oder Stadt unterstützt wird. Statt ,,karisch" hätten auch die Bezeichnungen „kleinasiatisch“ und „pelasgisch" ihre Berechtigung; doch vermeide ich sie im allgemeinen, die eine, weil sie Europa ausschließt, die andere, weil sie schon im Altertum verwirrte Vorstellungen veranlaßt hat (vgl. S. 392), deren Knoten die moderne Kritik, an einer Lösung verzweifelnd, durchhauen hat.

2) Zitiert aus meiner Schrift Aus Georgien S. 13/14.

und in der neuen Heimat wurde sie durch weitere Zuführung karischen Blutes (hier im engeren Siune gesprochen) aufrechterhalten."

Somit ist klar, daß wir bei den Bemühungen, auf dem Wege kulturgeschichtlicher Betrachtung zwischen Griechischem und Vorgriechisch-Nichtgriechischem zu scheiden, nicht mit dem Begriff des „Griechischen", wie wir ihn bisher zu fassen gewohnt waren, operieren dürfen, weil darin die nichtgriechischen Elemente einen wesentlichen Bestandteil bilden. Und bestrebt man sich andererseits die nichtgriechischen „karischen" Elemente zu bestimmen, so liegt hier wieder die Schwierigkeit vor, daß diese „karische“ Kultur zum grössten Teile eine unbekannte Größe ist. Und man kommt m. E. der Lösung dieser Frage nicht näher, wenn man, wie beispielsweise neuerdings Karo 1), „Nichtgriechisch" und Orientalisch als gleichwertig behandelt, denn die Karer und ihre Anverwandten sind eben keine Orientalen in dem landläufigen Sinne, wenn sie auch in Kleinasien vielfach früh den Einfluß der spezifischorientalischen Kulturen erfahren haben und ihm unterlegen sind. Vielmehr müßte zunächst das Wesen des Karischen" unter Fernhaltung aller verwischenden Begriffe und Vergleiche bestimmt werden, und nachdem auf kultur- und religionsgeschichtlichem Gebiete eine Anzahl entscheidender und unterscheidender Merkmale gefunden sind, mit der Ausscheidung des „Karischen aus dem Ägäisch-Mykenischen begonnen werden.

Da ist denn die Erkenntnis von einiger Bedeutung, daß wenigstens ein uns historisch und kulturell durch Inschriften und Ausgrabungen neuerdings näher gerücktes Volk sei es der „Karer“-Gruppe, direkt zuzuordnen, sei es ihr entfernter verwandt zu erachten ist. Die Frage, ob die vorarmenischen Chalder mit den „Kleinasiaten“, den „Karern“, verwandt seien, lag von voruherein nahe. Kretschmer hat sie auf Grund des spärlich vorhandenen linguistischen Materials vorderhand verneint. Schon hier erfordert die von der armenischen Expedition gewonnene Erkenntnis, daß patari in den chaldischen Inschriften als ein älteres, anscheinend nur noch als Bestandteil von Eigennamen erscheinendes Wort für Stadt vorkommt, eine Revision. Denn eine Verwandtschaft mit dem aus kleinasiatischen Städtenamen bekannten gleichlautenden Stamme, lykisch Pntara1), kilikisch Pterion3) (auf später kappadokischem Gebiet), wird schwerlich zu leugnen sein. Hauptsächlich aber bestehen, wie ich schon kurz betont habe) und demnächst an anderem Orte ausführlicher darlegen werde, zwischen der chaldischen und der mykenischen Kultur in der Technik (besonders im Felsenbau und in der Metallbearbeitung wie im Kultus, der u. a. auch dem Teïsbas (s. o.) nebeu dem Hauptgotte Chaldis die zweite Stelle zuweist, eine Reihe von Übereinstimmungen, die vereinzelt vielleicht minder bedeutsam, doch in ihrer Vereinigung schwer ins Gewicht fallen. Aber bei der Entfernung der Wohnsitze der Chalder im nachmals armenischen Hochland von den Karern und den Westkleinasiaten schufen diese Analogien eher ein Rätsel als einen Aufschluß, wenn es auch an überbrückenden Bindegliedern keineswegs fehlte. Die Sache erhält erst ein anderes Gesicht und wird für das mykenische Problem von Bedeutung durch die Erkenntnis, daß die Urartäer-Chalder erst in historischer Zeit in Armenien eingewandert sind3), daß diese Einwanderung schwerlich anders als von Westen her erfolgt

1) Die altkretischen Kultstätten, Archiv für Religionswissenschaft VII S. 154. Vgl. oben S. 263. 2) C. F. Lehmann: Zeitschr. f. Ethnologie, S. 187 Anm. 1. 3) Sayce, Journal of the Royal Asiatic Society, 1901 p. 652. 4) Aus Georgien, a. a. O.

5) Sie treten unter Assurnaşirabal (885--60 v. Chr.) zum ersten Mal in Armenien auf, um aus den assyrischen Berichten nicht wieder zu verschwinden. Tiplatpileser I. (um 1000 v. Chr.) dagegen, der gelegentlich seiner Kriegszüge im armenischen Hochlande dessen Völkerschaften aufzählt, kennt sie noch garnicht.

sein kann und wahrscheinlich mit einem Vorstoß der thrakisch-phrygischen Einwanderung zusammenhängt.

Diese thrakische Einwanderung in Kleinasien beginnt, wie die trojanischen Siedelungen zeigen, schon in sehr früher Zeit, vielleicht bereits gegen Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr., und das Ausweichen der thrakischen Völkerschaften nach Osten wird mit Recht als ein Anzeichen dafür betrachtet, daß ihnen andere Indogermanen, eben die Griechen, in der Besiedlung der südlicheren Teile der Balkanhalbinsel zuvorgekommen sind; freilich ohne daß wir wüßten, in welcher Dichtigkeit und mit welchem Erfolg in der Ausbreitung über das spätere Mittel- und Südgriechenland. Und so wenig wie die dorische Wanderung (s. alsbald), brauchen sich die älteren Wanderungen der Hellenen auf das Festland beschränkt zu haben. So könnten auch die griechischen luseln, wenn sie auch der Mehrzahl nach und im Kern der Bevölkerung bis zur dorischen Wanderung „karisch“ blieben, könnte auch Kreta in vordorischer Zeit eine griechische Einwanderung erfahren haben, und es wäre an sich nicht undenkbar, daß der mächtige Herrscher (oder die mächtige Dynastie), der seinen Sitz auf Knossos hatte, hellenischer Nationalität war, wie denn ja auch Minos, sein Spiegelbild und Niederschlag in der Sage, die Ur bevölkerung aus Kreta sowie die Karer von den Kykladen vertrieb und das Meer von Seeräubern reinigte.

Aber daß in solchen Fragen urgeschichtlicher Nationalität der Tradition, die ich im allgemeinen erheblich höher zu bewerten geneigt bin, als es neuerdings vielfach geschieht, keine entscheidende Stimme zugestanden werden darf, lehrt das Beispiel der überwiegend indogermanischen Armenier, die die Taten und Schöpfungen der vorarmenischen nichtarischen Chalder, ihrem nationalen Eponymen Haik (und außerdem der von auswärts übernommenen Gestalt der Semiramis) zuschreiben. Für die Frage einer vordorisch-griechischen Besiedlung Kretas und der oder gewisser Inseln des ägäischen Meeres ist das Vorkommen der Aqaiwasa unter den, Ägypten zur Zeit des Merneptah (um 1250 v. Ch.) bedrohenden Seevölkern von Bedeutung.

Die Bewegung, die wir als die dorische Wanderung bezeichnen, hat sich zu Lande und zu Wasser vollzogen, und hat im ägäischen Meere Griechen wie Nichtgriechen betroffen und in Bewegung gesetzt. Bei allen derartigen Wanderungen wird die historische Betrachtung erschwert durch die, nur allzu oft unbeachtete, Möglichkeit, daß den Drängern und Zuwanderern Teile der Geschobenen und von dem Vorstoß Betroffenen vorausgehen oder sich ausschließen. So müßte gegenüber der ersten Äußerung solcher Völkerbewegungen immer die Frage erhoben werden: Sind es nur die Geschobenen oder nur die vordringenden Zuwanderer, mit denen wir zu tun haben, oder sind beide miteinander vermischt? Es ist das eben die Schwierigkeit, die für eine frühere Periode hinsichtlich der Pelasger obwaltet. Unter den Forschern, die ihnen überhanpt eine gewisse Realität und Greifbarkeit zugestehen, sind die Meinungen geteilt. Die einen sehen in ihnen Vertreter einer ältesten griechischen, die anderen, zu denen ich mich bekenne, einer vorgriechisch-nichtarischen Völkerschicht (s. oben S. 390 Anm. 1). Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß der Pelasgername an alle den Stätten von Dodona und Thessalien bis nach Kreta hin haftete, die für die Einwanderung wie der älteren Griechen so der Dorer entscheidende Stationen bilden. Die Folgerung, daß ein im eigentlichen und engeren Sinne als Pelasger zu bezeichnender Volksstamm in nordsüdlicher Richtung vorgedrungen resp. verdrängt sei, wird zutreffen. Aber für die Frage, ob sie zu dem Vortrupp der Schiebenden, den ältesten griechischen Einwanderern, oder zur Nachhut der geschobenen Vor- und Nichtgriechen gehören, folgt daraus garnichts.

Bei der dorischen Wanderung nun wären im ägäischen Meere als die Geschobenen die karischen Nichtgriechen und etwaige vordorische Griechen, als die Schiebenden die Dorer anzusehen,

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