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Erste Vorlesung.

Wohl vermögen wir in der Geschichte der Menschheit verschiedene und mächtig eingreifende Entwickelungsepochen, in denen Großes und Bedeutungsvolles hervortritt, zu unterscheiden, aber keine derselben erreicht im entferntesten an Bedeutsamkeit und Umfang den großen Wendepunkt unsres Geschlechtes, wo das Christenthum als welthistorische Erscheinung in das Leben desselben eintrat. Die Erscheinung Jesu Chrifti als des Sohnes Gottes wird der fündigen und von Gott abgefallenen Welt die Quelle eines neuen göttlichen Lebens, und die Weltgeschichte theilt sich fortan in zwei große Hälften, deren eine seinen Namen trågt und alles wahre Leben von ihm empfångt. Wir sehen, wie die Macht seiner heiligen Persönlichkeit alle Jahrhunderte durchdringt und das Leben der Gesammtheit wie das Leben der Einzelnen umwandelt und neu gestaltet. So können wir uns auch nicht gegen die Erkenntniß verschließen, daß sein Leben für uns alle der Grund und Boden ist, in dem unser geistiges Dasein wurzelt, und je nachdem der Eindruck desselben uns lebendig und wahrhaft ergriffen und die rechte innere Vermittelung erfahren hat, wird jeder desto fichrer Theil nehmen an dem Schahe der himmlischen Güter, welche er der Menschheit erworben und zu eigen gegeben hat. Werden wir dadurch immer dringender aufgefordert zu einer allseitigen Durchlebung und Erfahrung der christlichen Wahrheit, so werden Sie mir Recht geben in der Behauptung, daß diese recht eigentlich geistlicher Natur ist und der Glaubensentwickelung

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angehört, aber Sie werden auch gewiß mit mir nicht verkennen, daß daneben doch immer fortgehen wird und soll ein Ringen nach Erkenntniß, ein Kampf des geistigen Lebens, das sich abmüht, auf intellectuellem Wege das Thatsächliche des Christenthums zu erkennen und zu durchdringen, so weit es der ernsten Forschung möglich ist.

Dieser Kampf des geistigen Lebens kann niemanden erlassen werden; er tritt einem jeden von selbst entgegen, welcher, inmitten des geistigen Lebens seiner Zeit stehend, von den Elementen derselben berührt wird. Ist aber in der Entwickelung unserer Zeit mannigfache Anregung zum Zweifel gegeben, so darf und muß derselbe, und darin werden Sie alle mir beistimmen, nicht von Außen her, sondern durch die Macht der innern Wahrheit überwunden werden. Die Gegenwart hat ein bedeutendes Erbtheil an kritischen und philosophischen Zweifeln nicht allein aus der Vergangenheit mit herüber genommen, sondern auch an ihrem Theile dieselben bis auf eine Spiße getrieben, wo sie eine Vernichtung alles geschichtlich Gegebenen bezwecken. Die Bewegung, welche das Straußsche Werk*)_unter_uns_hervorgerufen hat, und die auch an Ihnen mehr oder minder nicht spurlos vorüber gegangen ist, erklärt sich zur Genüge aus der Tendenz desselben, den geschichtlichen Chriftus, welcher die Grundlage der christlichen Kirche durch alle Jahrhunderte gewesen ist und seyn wird, in einen mythischen zu verwandeln. Sie fühlen es lebendig mit mir, daß weder dieser, der nur ein Erzeugniß der Phantasie ist, noch der ideale Christus, den sich die Philosophie willkürlich construirt, Ihnen ein Brunnen des lebendigen Wassers werden kann, das in das ewige Leben quillet. Nur der geschichtliche Christus ist es, deffen heiliges Leben jenen gewaltigen, die Menschheit umbildenden Einfluß geübt hat, den die Weltgeschichte bezeugt. Daher muß das christliche Bewußtsein die mythische Auffassungsweise betrachten als auslaufend auf die Vernichtung des christlichen Glaubens, und um so mehr und mit desto größerer Stärke tritt uns die Frage entgegen, ob jene Auffassungsweise ihre wissenschaftliche Berechtigung habe oder nicht; sie wird oft für den Einzelnen,

*) Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet von David Fried. Strauß. Bd. I. Tübingen 1835. Bd. II. 1836. Dritte, mit Rücksicht auf die Gegenschriften verbesserte Auflage. Bd. I. Tübingen 1838.

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der im Ringen und Forschen begriffen ist, desto schmerzlicher, wenn in ihm von vorne herein das weit verbreitete Vorurtheil sich festgesezt hat, daß die Wissenschaft und ihre Resultate im Widerspruch ftånden mit dem kindlichen Glauben.

Es kann dies nur widerlegt und beseitigt werden, wenn die große Frage, um welche es sich hier handelt, offen und ohne Rückhalt erörtert wird; aber sollte es nicht Gefahr drohen, so könnte Mancher vielleicht einwenden, daß im weiteren Kreise vor Laien Dinge besprochen werden, die als ein Geheimniß der Schule oder der Gelehrsamkeit besser in dem Gewande einer fremden Sprache vorgetragen werden müßten. Doch wenigstens Sie werden diese Meinung nicht theilen, die Sie Sich versammelt haben, um in lebendiger Theilnahme an dem Leben des Erlösers, so wie es in Ihnen lebt, auch diejenigen Dinge mit Ernst und mit gerechter Würdigung erörtern zu hören, welche daffelbe auf dem Wege philofophifcher und historischer Kritik haben vernichten sollen. Und wahrlich ein Anrecht haben Sie darauf! Freuen wir uns mit einander, daß nicht Gleichgültigkeit und Indifferenz tismus die Laien fern hålt von dem Forschen über den Grund des Glaubens, auf den sie ihre Hoffnung gründen sollen, freuen wir uns, daß sie den Zusammenhang ihrer Ueberzeugungen mit der Quelle, aus welcher das Leben der ganzen chriftlichen Welt hervorgegangen ist, sich klar und deutlich vor die Seele stellen wollen. Es zeugt von Leben in unsrer protestantischen Kirche, daß Alles Theil nimmt an dem Kampfe und nach größerer Erkenntniß ringt. Wie wir Protestanten uns bewußt sind, daß wir alle berufen sind zum heiligen Volke, zum königlichem Priesterthum, *) so werden wir nimmer die Ansicht gelten lassen dürfen, als gebe es ein gelehrtes Priesterthum, von dem wir etwa die Resultate für unsern Glauben zu empfangen håtten. Die Kirche theilt ihre Glieder nicht ein in wissende und gläubige und kann weder auf speculativem noch kritischem Gebiete Exoteriker und Esoteriker anerkennen; nur die Gläubigen sind auch die eigentlich Wissenden. Haben aber schwierige und unerledigte Probleme, kritische Zweifel und unhaltbare Hypothesen ihren Eingang gefunden oder drohen sie wenigstens, ihn durch eine hervortretende Zeiterscheinung bei denen zu finden, welche der

*) 1. Pet. 2, 9.

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Entwickelung der Wissenschaft ferne stehen und welche nicht die rechten wissenschaftlichen Waffen gegen Dinge der Art haben können, so werden Sie es mit mir für eine nothwendige Aufgabe der theologischen, von dem Bekenntnisse Christi durchdrungenen Wissenschaft in unsrer Zeit halten, ernst und unbefangen und ohne Beimischung einer entfremdenden Polemik die großen Gegensäße so zur Sprache zu bringen, daß auch die Laien, gleichwie sie in einer wahren Synodalverfassung berufen sind, an der Leitung der Kirche Theil zu nehmen, in den Stand gesezt werden, sich ein Urtheil über dasjenige zu bilden, was ihnen Grund und Quelle ihres christlichen Lebens ist. *)

Versuchen wir mit einander, uns in wenigen Umrissen die Tendenz des Straußschen Werkes klar zu machen und dieselbe von unserm Standpunkte aus zu bekämpfen, dann aber auf jene innere und äußere Basis hinzuweisen, von welcher aus die Darstellung des Lebens Jesu von uns unternommen werden soll, um wenigstens annåhernd das Bild zu erreichen, welches von dem Urbilde sich die ganze christliche Menschheit durch alle Jahrhunderte hindurch entworfen hat.

Es wäre ein Irrthum, wenn jemand sich einreden wollte, daß diese Gegensäße gegen das Evangelium Chrifti erst in einer bestimmten Zeit sich gebildet håtten oder daß etwa erst die neuere Zeit sich derselben bewußt geworden sei. In dem natürlichen Menschen lag in allen Jahrhunderten die Negation gegen das Evangelium, welches den Juden ein Aergerniß und den Griechen eine Thorheit war, aber diese Negation hat zu verschiedenen Zeiten sich in verschiedenen Formen geltend gemacht und ist zugleich getragen worden von den verschiedenen Elementen der jedesmaligen philosophischen Zeitbildung; nur darin unterscheidet sich unsre Zeit und die Negation des Christlichen in ihr von allen früheren, daß nie und nirgends die geschichtliche Basis des Christenthums so umfassend und entschieden in Abrede gestellt ist. Die verschiedenartigsten Modificationen naturalistischer und rationaliz stischer Auffassung haben von Zeit zu Zeit Anklang gefunden und

*) Vgl. Lücke in der Recens. der Betrachtungen eines Laien über die neue Betrachtungsweise der Evangelien; in den Gött. gelehrt. Anzeig. 1837. Stück 194. 95.

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sich Eingang zu verschaffen gewußt. Auch die mythische Auffassungsweise ist früher mehrfach auf die evangelische Geschichte, namentlich auf den Anfang und Schluß derselben angewandt worden. Von dieser Seite aus wird man schwerlich behaupten können, daß das Straußsche Werk ein solches sei, das eine neue Erkenntniß in der Wissenschaft eröffnet habe, *) wenn man nicht etwa diese darein sehen will, daß der Begriff des Mythus, bisher nicht umfassend genug angewandt, consequent auf alle Theile der evangelischen Geschichte angewandt worden ist. **) Aber diese Consequenz, die häufig als das Verdienstliche und characteristisch Tüchtige bezeichnet worden ist, möchte vor Allem geeignet seyn, die Schwäche des ganzen Princips zum Bewußtsein zu bringen.

Die Eigenthümlichkeit des Werkes kann nur in dem Verhältnisse liegen, in welchem dasselbe zur Hegelschen Philosophic steht, und von diesem Gesichtspunkt aus gewinnt der Angriff seine Bedeutung, weil er zugleich zeigt, was an die Stelle des historisch Vernichteten gesezt werden soll. Wo nicht frivole Gesinnung den Zweifel erzeugt und nåhrt, sondern die Arbeit des forschenden Geistes ihn hervorruft, da hat er auch ein Recht zu seyn, denn er sucht die Wahrheit und kann zur Wahrheit führen. In dies sem Sinn wollen wir zugeben, daß wir es hier mit Zweifeln zu thun haben, welche aus dem Begriff der Wissenschaft hervorges gangen sind; aber wenn man den Einwurf, der gegen Strauß mit Recht gemacht worden ist, daß er die früheren historischen Zweifel bloß zusammengestellt und was sonst gegen die Wahrheit der heiligen Geschichte vorgebracht worden ist, nur zusammen. gefaßt und auf die Spiße getrieben habe, dadurch hat beseitigen und dahin wenden wollen, daß Strauß sich als Organ eines Gesammtbewußtseins ausspreche, so läßt sich darauf nur erwies dern, daß jenes Zusammenfassen negativer Elemente aus früherer Zeit allerdings ein Zeugniß ablegt für die bereits berührte Ne

*) Aehnlich urtheilt Ewald in dem Schlußwort zum vierten Theile der poetischen Bücher des Alten Bundes. Gött. 1837. S. 251: ,,Wie wenig der große Haufe von Gelehrten darauf gerüstet war, zeigt nichts mehr als der laute Schrei, den man über ein an sich so wenig bedeutendes, keine neue Erkenntniß eröffnendes Werk erhob.“ **) Vgl. Strauß Leben Jesu Bd. I. S. 56 ff. (3te Aufl.)

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