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die nachtlingenden Stimmungen des Pietismus wieder in sich aufnahm, aber zum geläuterten Ideal reinen und harmonischen Menschendaseins emporhob. Aus Hamann erwuchs der Humani= tätsbegriff Herder's. Der Pietismus, selbst der edle Pietismus Spener's, verhält sich zu diesem Humanitätsbegriff, wie in Goethe's unsterblichem Lehrroman die krankhafte Empfindelei der „schönen Seele" zur gesunden Werkthätigkeit Nataliens.

3. Versuche der Kircheneinigung.

Unter den Ursachen, welche auf der Wende des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts in Deutschland den Sturz der starren Orthodorie herbeiführten, ist neben dem Erstarken des freien philosophischen Denkens und neben der durch den Pietismus geweckten tieferen Gemüthsinnerlichkeit eine dritte Gruppe von Ereignissen nicht zu übersehen, welche an sich zwar ganz ergebnißlos verliefen, aber eben durch diese Ergebnißlosigkeit auf die Denkweise der Menschen einen sehr mächtigen und bleibenden Einfluß übten.

Es sind die wiederholten Versuche, die drei abendländischen Sonderkirchen zu ihrer ursprünglichen Gemeinschaft zurückzuführen.

Freilich mißlangen diese Versuche. Sie mußten mißlingen; denn es ist die Natur eines jeden religiösen Bekenntnisses, sich für das allein wahre zu halten. Indem aber durch die lebhaft gepflogenen Verhandlungen diese gegenseitige Ausschließlichkeit klar und bestimmt in das Bewußtsein trat, und indem zugleich die Nothwendigkeit, den verderblichen offenen Hader endlich abzubrechen und für die Zukunft unmöglich zu machen, durch die entseglichen Erfahrungen der langen Religionskriege bei allen Edlen und Verständigen untilgbar feststand, faßte der Begriff und die Pflicht religiöser Duldsamkeit in den Ge= müthern immer kräftiger Wurzel.

Die Geschichte dieser kirchlichen Wiedervereinigungsversuche ist daher in der That nichts anderes als die Entstehungsgeschichte

jener Idee der Toleranz", welche, durch die Einwirkungen der englischen und französischen Freidenker unterstüßt und fortgebildet, der Grundgedanke und der Abschluß der gesammten deutschen Aufklärung wurde.

Länger als anderthalb Jahrhunderte waren seit dem Bruch des Protestantismus mit der katholischen Mutterkirche verflossen; und noch immer trug man sich auf beiden Seiten mit der nur aus der Gewohnheit tausendjähriger Zusammengehörigkeit erklärbaren Täuschung, als sei diese Spaltung lediglich ein unseliger und unnatürlicher Familienstreit, dessen Ausgleichung früher oder später mit Sicherheit zu erwarten stehe. Selbst die Urkunde des west= fälischen Friedens spricht in den mannichfachsten Wendungen wiederholt den Gedanken aus, daß dieser Friede nur ein vorläufiges Abkommen sei, bis dem staatlichen und bürgerlichen Frieden auch der Kirchenfriede nachfolge (usquedum de religionis dissidiis per Dei gratiam conventum fuerit); sie erachtet sogar für nöthig, ausdrücklich hinzuzuseßen, daß dieses Abkommen nichtsdestoweniger vollgiltig fortbestehen solle, auch wenn wider Verhoffen jene vorauszusehende Kircheneinigung ausbleibe (si vero, quod Deus prohibeat, de religionis dissidiis amicabiliter conveniri non possit, nihilominus haec conventio perpetua sit et pax semper duratura). Daher jezt von allen Seiten die verschiedenartigften Entwürfe der Vermittelung und Einigung. An die Stelle des Schwertes war die Feder, an die Stelle des Krieges der friedliche Denkschriftenwechsel und die diplomatische Unterhandlung getreten. Der Ausgang war der gleiche.

Papst und Jesuiten wußten genau, was sie wollten. Nicht Ausgleichung durch Nachgiebigkeit, sondern Wiedererlangung der verlorenen Alleinherrschaft. Zwar fehlte es nicht an einzelnen mildgesinnten und hochherzigen Katholiken, welche aufrichtig die Hand zur Versöhnung boten. Johann Philipp von Schönborn, Kurfürst von Mainz, schon bei dem westfälischen Frieden segensreich einwirkend, veranstaltete 1661-1673 einen Briefwechsel zwischen der theologischen Fakultät zu Helmstädt und den katholischen Theologen

in dem freisinnigen Kapitel von Mainz; auf Seiten der Protestanten. machte Hermann Conring, auf Seiten der Katholiken Boineburg den Vermittler. Man kam troß des redlichsten Willens über den Streit nicht hinaus; es läßt sich kein weiteres Ergebniß berichten, als daß Leibniz hier zum ersten Mal auf diese Fragen hingelenkt wurde. Auch Landgraf Ernst von Hessen-Rheinfels (1649—1693), ein zum Katholicismus übergegangener Protestant, erörterte in seinem 1660 nur in achtundvierzig Exemplaren verbreiteten Buch: „Der so wahrhafte als ganz aufrichtig und discretgesinnte Katholische“ mit unbefangener Schärfe alles ihm in der katholischen Kirche Anstößige, namentlich die störende Vermischung des Weltlichen und Geistlichen in der Machtstellung des Papstes. In den lezten Jahren seines Lebens correspondirte er mit Leibniz über die Einigung der Kirchen (Vgl. Chr. v. Rommel, Leibniz und Landgraf Ernst von Hessen-Rheinfels). Im Auftrag des zum Katholicismus übergetretenen Herzogs Anton Ulrich von Wolfenbüttel sprach sich 1709 der gleichfalls convertirte Reußische Consistorialrath von Räsewiß, unter dem angenommenen Namen Zephyrinus de Pace durchaus in demselben Sinn aus (nöthige Wiederaufrichtung der ersten christlichen Kirche). Doch solche vereinzelte Milde vermochte nicht aufzukommen. Die maß= gebenden Machthaber der Kirche selbst schlugen andere Wege ein. Innocenz XI. war eben durch die von Ludwig XIV. verkündigten Freiheiten der gallikanischen Kirche mit neuem Verlust bedroht. Kaiser Leopold I. wünschte durch allgemeine Katholisirung die Macht feines Kaiserthums und die Einheit seiner Erblande zu stärken, um den türkischen und französischen Eroberungsgelüften die Spitze bieten zu können. Ludwig XIV. sann bereits auf die Aufhebung des Ediktes von Nantes. Da man keine Gewalt hatte oder die lezte Härte zur Zeit noch scheute, so wendete man Verstellung und List an. Christof Rojas oder Roxas, aus dem berühmten italienischen Geschlecht der Spinola, ein spanischer Franciscaner, Beichtvater in Wien, Bischof von Thina in Kroatien, wurde (1675—79) an alle deutsche protestantische Höfe und an die bedeutendsten evangelischen Geistlichen geschickt, die umfassendsten Zugeständnisse anzubieten. Der

Papst sollte, den von Spinola gemachten Vorschlägen gemäß, die Haupthindernisse der möglichen Wiedervereinigung hinwegräumen, er sollte das Abendmahl in beiderlei Gestalt, die Abschaffung des Cölibats, die Lehre von der Rechtfertigung gestatten, die Kirchengüter feierlich abtreten, den protestantischen Fürsten die bischöflichen Rechte auf Grund des westfälischen Friedens überlassen und die Beschlüsse des Tridentinischen Concils aufheben; die Protestanten dagegen sollten die Oberhoheit und Gerichtsbarkeit des Papstes als des ersten christlichen Patriarchen anerkennen und die Entscheidung über streitige Glaubensfäße der Stimmenmehrheit einer neuen vom Papst zu berufenden und von Katholiken und Protestanten zu beschickenden allgemeinen Kirchenversammlung anheimstellen. Ernstlich wurde die Frage im Jahre 1683, als es Spinola gelang, den hannöverschen. Hof, mit ihm auch Leibniz, den Hoftheologen Molanus und den milden Calixtus für sein' Unternehmen zu interessiren. Entgegen= kommende Schriften wurden gewechselt und auch versucht Bossuet, den berühmten Bischof von Meaur, in die Sache hineinzuziehen. Dieser war zwar 1671 in seiner berühmten „Exposition de la doctrine de l'église catholique" nicht so weit vorgeschritten; aber auch er hatte doch der Auslegung der tridentinischen Beschlüsse eine so ge= schmeidige Dehnbarkeit gegeben, hatte den Katholicismus so sehr als die allen zugängliche und bequeme Religion darzustellen gewußt, daß die Mahnung zu allgemeiner Vereinigung unter diesem Zeichen sich von selbst ergab. Eines der wichtigsten praktischen Hemmnisse suchte er in der Schrift Traité de la communion sous le deux espèces" hinwegzuräumen. 1678 veranstaltete er einen Disput mit dem reformirten Prediger Claude, dessen Verlauf veröffentlicht wurde. Aber dennoch war es gerade sein entschiedener Widerspruch, an dem die weitgehenden Pläne Spinola's jetzt scheiterten. Auch zeigte es sich sowohl in Deutschland wie in Frankreich nur allzubald, wie richtig Landgraf Ernst diese Pläne durchschaut hatte, wenn er sie eine den Protestanten gelegte Falle nannte; nur gemacht, die Protestanten noch mehr unter sich zu veruneinigen und dann dieselben um so leichteren Kaufs zu gewinnen.

Rathloser und schwankender waren die Protestanten. Die Orthodoxen und Pietisten sind niemals ernstlich auf diese Lockungen eingegangen. Jedoch gab es eine freisinnige und gebildete Mittelpartei, welche, der unaufhörlichen Zänkereien und des aus der Kirchenspaltung entstandenen staatlichen, kirchlichen und gesellschaft= lichen Unheils müde, aus vollem Herzen eine friedliche Verbrüderung der gesammten Christenheit wünschte. Der calvinistische Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz, der Spinoza auf den akademischen Lehrstuhl berufen wollte, erbaute in Heidelberg den Lutheranern die Providenzkirche und errichtete in Mannheim die Friedenskirche für alle drei christlichen Bekenntnisse gemeinsam. Und auch unter den Männern der Wissenschaft war der milde versöhnende Sinn des großen Georg Calixt noch nicht ausgestorben. Matthäus Prätorius, Prediger zu Memel im Herzogthum Preußen und königl. polnischer Historiograph, sendete 1682 dem Corpus Evangelicorum zu Regensburg eine später (1685) zu Köln gedruckte Schrift: „Tuba pacis ad universas dissidentes in Occidente Ecclesias seu Discursus theologicus de Unione Ecclesiarum, Romanae et Protestantium", von welcher er willkürlich behauptete, daß sie von den bedeutendsten Königsberger Professoren, deren Namen er anführt, gebilligt werde. Dieses Buch richtet sich in besonderen namentlichen Zuschriften nicht nur an alle mächtigsten Fürsten-ohne Unterschied der Religion, sondern sogar an den Papst selbst, den es unbedenklich als Bischof der Bischöfe, als den von Altersher mit dem Recht über alle abend= ländischen Kirchen Betrauten bezeichnet. Es beginnt mit der Erklärung, daß es nur Eine heilige katholische und apostolische Kirche gebe, außer welcher kein Heil sei, daß dem Papst nicht nur der Primat des Ranges, sondern auch der Gerichtsbarkeit zustehe, verlangt aber zum Friedenswerk der Wiederherstellung dieses Primats, daß ein neues Concilium berufen werde, welches sich über die Concilien von Kostnih, Basel und Trident stelle, und daß die symbolischen Schriften aller Kirchen bis dahin eine nur vorläufige Geltung beanspruchen dürften. Prätorius' Schrift fand indeß auf keiner Seite Anerkennung; er selbst trat schon 1684 zum Katholicismus über. Vom höchsten

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