Die alttestamentliche Religion im Rahmen der andern altorientalischen. Von Prof. D. Ernst Sellin in Wien. LEIPZIG. A. Deichert'sche Verlagsbuchhandlung Nachf. (Georg Böhme). 1908. Vorwort. Die nachfolgende Abhandlung ist das Konzept einer dreistündigen Vorlesung, die ich am 1.-3. Oktober auf der PastorenLehrkonferenz in Dresden gehalten habe. Die Literaturangaben und Belegstellen machen auf Vollständigkeit keinerlei Anspruch. Eine breitere Ausführung einzelner Gedanken möchte manchen erwünscht erscheinen. Aber teils hindern mich zurzeit andere dringende Arbeiten daran. Teils war es der Wunsch der Konferenzteilnehmer, den Vortrag in der Form gedruckt zu lesen, wie sie ihn gehört und freundlich aufgenommen hatten. Und so möge er denn hinausgehen als ein neuerliches Zeugnis dafür, daß wir allen Grund haben, das Licht aus dem Orient" mit Freuden zu begrüßen, als ein bescheidener Beitrag zur Ehrenrettung der alttestamentlichen Religion gegenüber verwirrenden, ephemeren Schlagworten, aber auch als Beleg dafür, daß es der evangelischen Theologie fern liegt, sich wissenschaftlichen Tatsachen zu verschließen. Wien, den 6. Oktober 1907. 223514 Der Verfasser. UNIV. OF CALIFORNIA Einleitung. Die alttestamentliche Religion im Rahmen der anderen Religionen des alten Orients man kann wohl sagen: das ist das Generalproblem, welches heutzutage die alttestamentliche Wissenschaft beschäftigt, hinter dem alle anderen plötzlich zurücktreten, auf das hin alle zusammenfassenden Darstellungen der alttestamentlichen Religion sowohl wie sämtliche Einzeluntersuchungen eingestellt werden müssen, wenn anders sie auf der Höhe der Zeit stehen wollen. Als ein charakteristisches äußeres Anzeichen dafür mag gelten, daß das vorige Jahr allein uns drei Schriften bescherte, die alle in der einen oder anderen. Weise Stellung zu diesem Probleme zu nehmen suchten: Marti, „Die Religion des Alten Testaments unter den Religionen des Vorderen Orients"; Winckler, „Religionsgeschichtlicher und geschichtlicher Orient" und Bäntsch „Altorientalischer und israelitischer Monotheismus". Natürlich, das Problem ist nicht erst von gestern oder ehegestern, seit dem Beginn des vorigen Jahrhunderts, seitdem allmählich der alte Orient erschlossen wurde, ist es da, mit jeder neu entzifferten, die Religion betreffenden Quelle wachsend, nach einigen Funden geradezu ruckweise sich weiter entwickelnd, ich nenne etwa den der Opfertafel von Massilia oder des Meschasteines oder die noch viel stärker wirkenden Auffindungen der Bibliothek Assurbanipals mit den babylonischen Epen von Schöpfung und Flut, der Tafeln von Tell el Amarna oder des Hammurabikodex. Aber erst in den letzten Jahren hat sich fast Sellin, Alttest. Religion im Rahmen der andern altorientalischen. 1 |