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Des Tiberius Constantinus Novelle napi éniẞon und der
Edictus domni Chilperici regis.

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Von Ernst Stein.

Adiectio (iunctio, Eлßoλ) heißt im späteren römischen und im byzantinischen Recht die Einrichtung, daß den Grundeigentümern, die an ihren Besitz angrenzenden verlassenen und unfruchtbaren Äcker gegen die Verpflichtung zugeschlagen werden, daß sie die auf diesen Grundstücken lastenden Steuern entrichten. H. Monnier, dem wir eine vielfach grundlegende Arbeit über dieses für die davon Betroffenen überaus drückende Institut verdanken1), hat der Vermutung Ausdruck gegeben, daß Kaiser Tiberius Constantinus (reg. seit 574, Augustus 578-582) die лßoký abgeschafft habe). Monnier hat jedoch einen zwingenden Beweis für seine Meinung nicht erbracht; er konnte für sie im wesentlichen nur geltend machen, daß Tiberius eine nicht erhaltene Novelle") betreffend die лẞon erlassen hat, und daß von der лẞo2 in den Quellen weiterhin nicht mehr die Rede ist, bis Kaiser Nicephorus I. das ά22ŋλéyyvov einführt (Theophan. A. M. 6302, p. 486 de Boor), was ebenso gut eine Neuschöpfung wie eine Reformierung der o2 gewesen sein könnte. Aber bei der Quellenarmut des VII. und VIII. Jahrhunderts erscheint ein Schluß ex silentio unzulässig, und der Byzantinist müßte die Frage offen lassen, wenn nicht von anderer Seite ein neues Licht auf sie geworfen worden wäre. Dopsch1) hat nämlich zur Evidenz gezeigt, daß die in den fränkischen Pertinenzformeln des VII. und VIII. Jahrhunderts vorkommende Wendung iunctis vel subiunctis, später gewöhnlich adiacentiis vel appendiciis, mit der die gleichfalls in frühmittelalterlichen Pertinenzformeln oft begegnende Wendung cultis et incultis zusammenzuhalten ist, die Zubehör eines entsprechenden Anteiles an dem noch unaufgeteilten ager inutilis, dem angrenzenden Ödland“, bezeichnet, also das Fortbestehen der adiectio auch im fränkischen Reiche anzeigt. S. 352ff. hat Dopsch weiter dargetan, daß auch das im § 3 des Edikts") des Merowingers Chilperich (561-584) aufgehobene Vicinenerbrecht und der Titel De migrantibus in der Lex Salica, durch welchen den Dorfgenossen das Recht eingeräumt wird, die Niederlassung von Fremden im Dorfe zu verhindern, denselben Tendenzen entspringen wie das griechisch-römische Näherrecht, die лooτiunois.

1) In der Nouvelle revue historique de droit français et étranger XVI (1892). XVIII (1894). XIX (1895).

2) A. a. O. XVIII (1894) 447 ff.

3) Vgl. Ius Graeco-Romanum III p. 31 Zachariae.

4) A. Dopsch, Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung I (1918) 344 ff.

5) M. G., LL. sect. II., t. I, p.

8ff.

Die Bauernschutzpolitik der byzantinischen Kaiser des X. Jahrhunderts hat bekanntlich die Ausgestaltung der oriunos als Hauptwaffe ihrer Gesetzgebung gehandhabt. Wer sich künftighin mit der byzantinischen Agrargesetzgebung befassen wird, dürfte gut daran tun, nicht achtlos an der Tatsache vorbeizugehn, daß eine dem leitenden technischen Gesichtspunkt der oströmischen Gesetzgebung des X. Jahrhunderts diametral entgegengesetzte Maßregel des Königs Chilperich den Ausgangspunkt einer Entwicklung gebildet zu haben scheint, die ganz in der Linie des von Romanus Lecapenus und dessen Nachfolgern vergebens angestrebten Zieles liegt. An Stelle des Vicinenerbrechts trat im fränkischen Reiche eine Ausdehnung des Verwandtenerbrechts. Eine starke Festigung des Besitzrechtes der einzelnen Bauern gegenüber der erdrückenden Macht, welche den Grundherrschaften gerade in spätrömischer Zeit zukam". war nach Dopsch S. 376 die Folge davon. Sollte die hohe Schätzung der der rootiuŋsię zugrunde liegenden Lehre von der aray1), welcher die ov77έveia untergeordnet wird, ein prinzipieller Fehlgriff der byzantinischen Bauernschutzlegislation und einer der Gründe ihres Scheiterns gewesen sein?

Im Gegensatz zu einer älteren Auffassung, die in Weistümern des ausgehenden Mittelalters noch Überbleibsel des alten Vicinenrechts finden wollte 2), erkennt Dopsch in jenen Weistümern Merkmale der Wiederkehr von Zuständen, welche den in der fränkischen Epoche überwundenen spätrömischen analog sind; die Entwicklung des merowingischen Zeitalters aber führt er auf „neue Entwicklungsmotive" zurück, „welche durch den Eintritt der Germanen jetzt triebkräftig gelegt wurden“ (S. 375). Damit ist aber noch nicht die Maßnahme des Chilperich erklärt. und auch nicht der Umstand, daß gerade dieser König das Edikt erlassen hat. Wir kennen den Chilperich fast nur durch die haßerfüllte Darstellung Gregors von Tours; sieht man genauer zu, so will es scheinen, daß der König, obwohl mit allen Lastern der älteren Merowinger behaftet, sich vor den andern Angehörigen seines Geschlechtes nicht nur durch eine für seinesgleichen ungewöhnliche Bildung, sondern auch durch eine den Nachkommen Chlodwigs sonst fremde staatsmännische Befähigung ausgezeichnet habe. Chilperich scheint eine Ahnung von dem, was das Wesen eines Staates ausmacht, besessen und darauf hingearbeitet zu haben, in seinem Reiche nach römischem Muster eine starke Zentralgewalt zu schaffen. Auch seine schöngeistigen und wissenschaftlichen Aspirationen legten ihm solche Tendenzen nahe: war er doch nicht nur lateinischer Dichter, sondern auch, wie Kaiser Justinian, den er vielleicht bewußt nachahmte, theologischer Dogmatiker, und was Gregor von Tours über die ketzerischen Ansichten des Königs erzählt, stellt dessen gesundem Verstande kein. schlechtes Zeugnis aus3).

1) Vgl. Platon, Obs. sur le droit de Ipotiunois 17ff.

2) Vgl. Gierke, Zeitschr. f. Rechtsgesch. XII (1876) 471.

3) Für die Belegstellen s. meine Studien zur Gesch. des byzant. Reiches 115, Anm. 6.

74 Ernst Stein, Des Tiberius Constantinus Novelle regì 3o2is usw.

Ich glaube nun kürzlich mindestens wahrscheinlich gemacht zu haben, daß Chilperich der Spiritus rector der Unternehmung seines Stiefbruders Gundovald war, der im Jahre 582 mit Unterstützung des Kaisers von Konstantinopel aus nach Gallien ging, um dort Guntram von Burgund zu stürzen und sich dessen Reiches zu bemächtigen; ich habe dort auch darauf verwiesen. daß Chilperich schon einige Jahre früher freundliche Beziehungen zum Kaiser Tiberius angeknüpft hatte1), die auch noch über das Jahr 578, in dem sie zuerst in die Erscheinung treten, zurückgereicht haben können.

Läßt es sich auch vom Standpunkt der juristischen Theorie bis zu einem gewissen Grade rechtfertigen, wenn Platon) die Ansicht bekampft, daß die προτίμησις eine notwendige Folge der επιβολή sei, so hat doch im allgemeinen die historische Betrachtung an dem engen Zusammenhang beider unbedingt festzuhalten, wie auch Dopsch es tut. Sollte es da ein Zufall sein, daß der Kaiser Tiberius eine Novelle über die лẞo2n erläßt, der König Chilperich aber das Vicinenerbrecht aufhebt? Mir scheint vielmehr die Aufhebung des Vicinenerbrechts durch Chilperich zu jenen seiner Handlungen zu gehören, in welchen er sich als Nachahmer der für ihn vorbildlichen kaiserlichen Gewalt betätigt haben mag, wobei sein Verfahren auch eine außenpolitische Bedeutung gehabt hätte, insofern es als Akt der Deferenz gegen den Kaiser gelten konnte, wenn er einer kaiserlichen Konstitution in seinem Reiche ein inhaltlich gleichartiges Edikt folgen ließ. Ist aber diese Vermutung richtig, so gewinnen wir einen Anhaltspunkt für die genauere Datierung von Chilperichs Edikt, das der tiberischen Novelle gefolgt sein müßte, also frühestens 575 anzusetzen wäre; in der Tat hat schon Pardessus 3) wahrscheinlich gemacht, daß das Edikt nicht, wie er glaubt, um 574, sondern frühestens damals erlassen worden ist. Wie man sieht, paßt der von Pardessus gebotene terminus post quem zu unserer Hypothese vortrefflich. Vielleicht darf man dann aber auch aus dem Inhalt von Chilperichs Edikt vermuten, daß der θεῖος τύπος περὶ ἐπιβολής nicht, wie Monnier meinte, die völlige Aufhebung der adiectio verfügt hat. Aber auch wer meint, daß die vorstehenden Ausführungen auf allzu unsicherer Grundlage beruhen, wird ihnen vielleicht den Hinweis auf Quellen und Forschungen entnehmen wollen, die außerhalb unseres engeren Studienkreises liegen, deren Heranziehung für diesen aber gelegentlich von Nutzen sein kann.

1) Studien 108. 115, Anm. 6.

2) A. a. O., bes. 1-8, vgl. 133. Gegenüber der S. 8 gegen Mitteis gerichteten Bemerkung können wir heute die adiectio schon Jahrhunderte vor Konstantin nachweisen, vgl. Rostowzew, Studien zur Gesch. des röm. Kolonates (1910) 58. 199f., Anm. 1. 348, Anm. 1. 392 ff.

3) Diplomata etc. ad res Gallo-Francicas spectantia I (1843), p. 143 (der zweiten Seitenzählung), Anm. 1.

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Über einige Fragmente des Cassius Dio.

Von A. G. Roos.

Im X. Bande dieser Zeitschrift, S. 341 ff., hat Vittorio Macchioro über einige Fragmente aus den ersten Büchern des Cassius Dio, besonders über ihre Reihenfolge, Behauptungen aufgestellt, denen zwar meines Wissens noch nicht widersprochen wurde, die aber doch größtenteils unrichtig sind. Im Nachfolgenden werde ich seine Vermutungen der Reihe nach einer Kritik unterwerfen und wo möglich berichtigen. Eine allgemeine Bemerkung gehe voran. Die uns aus den ersten 35 Büchern Dios überlieferten Fragmente danken wir, abgesehen von Zonaras' Epitome, größtenteils den auf uns gekommenen Teilen des großen Exzerptenwerkes des Konstantinos Porphyrogennetos, und zwar den Titeln De Legationibus, De Virtutibus et Vitiis, De Sententiis; in dem nur teilweise erhaltenen Titel De Insidiis kommen keine Stücke aus Dio vor1). Es ist nun zu beachten, daß die Bearbeiter der einzelnen Exzerptenreihen, die die ihnen angewiesenen Geschichtswerke nach einem bestimmten Gesichtspunkte (z. B. dem der πρεσβείαι, dem der ἀρετὴ καὶ κακία usw. zu exzerpieren hatten, dabei nicht willkürlich nun aus diesem, dann aus jenem Teile des zu exzerpierenden Werkes die ihnen zusagenden Stücke auslasen, sondern diese Werke von Anfang bis zum Ende durchnahmen. Die, für uns glückliche, Folge dieser Arbeitsweise ist, daß in jedem der genannten Titel die Exzerpte aus den einzelnen Werken sich in derselben Reihenfolge vorfinden, in welcher sie in den vollständigen Werken von den Exzerptoren gelesen wurden. Dieses geht aus der Reihenfolge, welche die aus noch erhaltenen Schriften entnommenen Exzerpte aufweisen, deutlich hervor. Bei Exzerpten aus jetzt verlorenen Schriften haben wir durch diese Beobachtung einen festen Anhalt: wir dürfen die Reihenfolge, in welcher dieselben uns überliefert sind, nicht willkürlich ändern, sondern müssen bei ihrer Erklärung und bei der Rekonstruktion des Verlorenen eben diese überlieferte Ordnung zum Ausgangspunkt nehmen. Gegen dieses Prinzip ist in den älteren Ausgaben griechischer Historiker

1) Die beste Übersicht über dieses Exzerptenwerk, das jetzt in der Ausgabe von De Boor, Boissevain und Büttner-Wobst-Roos bequem zu benutzen ist, gibt Büttner-Wobst, Die Anlage der historischen Encyklopädie des Konstantinos Porphyrogennetos, Byzantin. Zeitschr. XV, S. 88-120.

manchmal gesündigt worden: öfter ist ein Fragment, welches auf ein bestimmtes historisches Ereignis bezogen wurde, dieser Beziehung wegen von seiner überlieferten Stelle verdrängt, da man sich nicht klar war, daß eben diese Stelle die angenommene Beziehung ausschloß und daß man also, anstatt die Reihenfolge der Exzerpte zu ändern, das Fragment auf irgend ein anderes Ereignis zu beziehen hatte. Die bei den Dionischen Fragmenten früher fälschlich gemachten Umstellungen sind von Boissevain in seiner Ausgabe alle beseitigt, und in der Mnemosyne, Vol. XXXVIII (1910) S. 281 ff., habe ich gezeigt, daß die von Angelo Mai herrührende und noch in Jacoby's Ausgabe befolgte Reihenfolge der Exzerpte aus den letzten Büchern der Römischen Geschichte des Dionysios von Halicarnass in einigen Punkten dem oben erörterten Prinzip widerspricht und also zu berichtigen ist.

Kehren wir zu Macchioro zurück. Nach einigen einleitenden Bemerkungen über die manchmal fast wörtliche Übereinstimmung Dios mit seiner Quelle, bespricht er S. 344 zuerst Fragment 1, 1 (Vol. I, S. 12 ed. Boissevain)1):

ὁ δὲ Δίων φησὶν ὅτι σπουδὴν ἔχω συγγράψαι πάνθ' ὅσα τοῖς Ῥωμαίοις καὶ εἰρηνοῦσι καὶ πολεμοῦσι ἀξίως μνήμης ἐπράχθη, ὥστε μηδὲν τῶν ἀναγκαίων μήτε ἐκείνων τινὰ μήτε τῶν ἄλλων ποθῆσαι.

Es ist dieses Fragment, welches von Bekker dem Prooemium Dios zugeschrieben und deshalb ganz an den Anfang des Werkes gestellt wurde, das zweite in der Reihenfolge der Dionischen Exzerpte in dem nur im Codex Peirescianus überlieferten Titel περὶ ἀρετῆς καὶ κακίας (Bd. II, S. 235 in der Ausgabe dieser Exzerpte); das erste Dionische Fragment im Peirescianus (Dio, Fragm. 6, 2, S. 12 Boiss.) handelt über Numa und erzählt, wo er in Rom seinen Wohnort hatte. Da auch das dritte Peirescianische Fragment (Dio, Fragm. 6, 5, S. 13 Boiss.) von Numa handelt es ist ohne Frage dem Schluß von Dios Erörterungen über ihn entnommen hat Numas Regierung Dio zu dem uns im zweiten, oben ausgeschriebenen, Fragmente erhaltenen Ausspruch veranlaßt. Er hat auch an dieser Stelle nichts Verwunderliches, denn da Dio bei Romulus fast nur Kriegstaten zu erzählen hatte, konnte er zur Erklärung, weshalb er auch die friedliche Regierung Numas ausführlich darstellte, sehr wohl anführen, daß er eben alles, was die Römer Merkwürdiges geleistet, nicht nur im Krieg, sondern auch im Frieden, zu beschreiben. beabsichtige. Die Vermutung Boissevains (S. 12, Anm.), daß im voll

1) Es ist zu beachten, daß Boissevain, wenn er die Reihenfolge, in der die Fragmente in den früheren Ausgaben (Bekker, Dindorf) aufgeführt werden, ändert, nichtsdestoweniger die alten Nummern unverändert läßt, vgl. die Bemerkung in seiner Praefatio S. CIV. Unser Fragment behält also bei ihm die Nummer 1, 1; obschon er es nicht mehr an den Anfang des Werkes stellt.

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