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Anfänge, so änderte sich plötzlich die Scene beim Abgang meines Vaters von Hof und bei der Rückkehr mit seiner Familie auf das Land. Zaubert Matthisson in seinem trefflichen Gedicht die Kinderjahre" jedem, der sich seiner auf dem Lande verlebten Jugend erinnert, diese Unschuldswelt in das Gedächtniss zurück, so wird auch, so lange ich athme, jener Eindruck nie in meiner Seele erlöschen, den, beim Eintritt ins ländliche Vaterhaus, die erste Ausflucht in den grossen, von singenden Vögeln wimmelnden und in voller Baumblüte prangenden Garten, der nun mein täglicher Aufenthalt sein sollte, auf das junge Herz machte. Gar bald wandelte der ländliche Aufenthalt, im Genuss freier und belebter Natur in einer der anmuthigsten Gegenden, bei einfacher Kost, munterer Lebensweise, stets heiterer Stimmung, fast zu weniger Sorge für die Gesundheit und bei keinerlei Verzärtelung, die im väterlichen. Hause herrschten, den Eigensinn in muthwilligen Leichtsinn und Kränklichkeit in gesunde Lebensfülle und kräftiges Emporwachsen um. Gar bald und in wenigen Jahren überflog der rüstige gesunde Knabe die breitesten Gräben, erklimmte alle Vogelnester und schwang sich nach der Väter Weise aufs Ross, sobald es zu besteigen ihm vergönnt war. Ohne Witterung zu scheuen übte er rastlos Vogelstellen, Fischfang und Jagd und sank jeden Abend ermüdet in die Arme eines festen, ruhigen, weder durch überfüllten Magen noch durch die Bilder üppiger Phantasie gestörten Schlafs. Freilich ging es dabei und durch so manche Zerstreuung nur langsam und nicht so schnell, als in mancher jetzigen Treibanstalt unserer Tage, mit dem Erlernen der Anfangsgründe in Sprache und Wissenschaft. Aber kräftig entwickelte sich dabei manche Geistesanlage, besonders leichte Fassungsgabe bei stets heiterem Gemüth und ein in der That seltenes Gedächtniss. Der Umgang und gewöhnliche Sonnabendsbesuch bei einigen wackern Landpredigern der Nachbarschaft, die als vorhinnige Zöglinge der vortrefflichen Sächsischen Fürstenschulen ihre Fertigkeit in der lateinischen und griechischen Sprache oft in strenger Prüfung über die Dogmatik mit den Hofmeistern übten, erzeugten wenigstens im Stillen den Wunsch, es einstens auch so weit zu bringen. Das öftere Lob, das die von mir noch jetzt verwahrten, in der That horazischen lateinischen Gedichte des so sprachkundigen Gerichtshalters Löwe aus dem Munde meines Vaters erhielten, und das Bemühen des Lehrers, mir deren Schönheit ins Deutsche zu übersetzen, legten bei mir vielleicht den ersten Grund zu der in der Folge erwachten ganz

besondern Neigung zur lateinischen Poesie. Weniger glücklich waren die Versuche einer alten Französin, ihren unverständlichen Galimathias einer von ihr selbst halb vergessenen Sprache durch Nachwerfen der Grammaire des Dames hinter dem fliehenden ihre Lehrmethode verlachenden Knaben begreiflich zu machen. Der Religionsunterricht, den ich genoss, statt, dass er Sache des Herzens sein und die heiligsten Wahrheiten nicht blos dem Verstande anvertrauen, sondern durch sie das Herz zur Tugend und das Gemüth zur Sittlichkeit erwärmen sollte, bestand damals, nach der gewöhnlichen Bildung der Lehrer als Kandidaten des Predigtamts, im Auswendiglernen des lutherischen Katechismus und der Hauptstücke des Glaubens, begleitet mit einer steifen Exegese der Beweisstellen und einer kalten Formular-Dogmatik.

Der Zeitpunkt trat nun ein, in welchem ich das väterliche Haus verlassen, aus der Privaterziehung zur öffentlichen Schule übergehen sollte. Es war dies um so nothwendiger, wenn ich den Studien ernstlich gewidmet und nicht, wie mir so oft bei Wildheit und Muthwillen gedrohet wurde, den Soldatenstand erwählen sollte. Die Nähe der Klosterschule Rossleben, als eines eigentlichen Familien-Instituts und wo ich auch in ökonomischer Rücksicht auf eine Freistelle die gegründetsten Ansprüche gehabt hätte, bot hierzu die beste Gelegenheit dar. Allein der damals sehr gesunkene Flor der Schule und der Rath erfahrener Männer, dass die Schule dem väterlichen Wohnsitz zu nahe und die Lehrer zu viele mir nachtheilige Rück- und Nachsichten erwarten liessen, bestimmten meinen Vater zu einer andern Wahl. Auf den Vorschlag meines ersten Lehrers, des Predigers Schmidt, wurde die Stadtschule zu Naumburg erwählt und ich bei dessen Verwandten, dem Rector Milke, als Kostgänger untergebracht. Plötzlich und durch eine ganz neue Lebensordnung hatte sich nun meine Lage gegen die im väterlichen Hause geändert. An Jagd, Vogelfang und jedes ländliche Vergnügen war nicht mehr zu denken. Der tägliche Gang in die Rechen- und Schreibstunde zum Thorschreiber des entfernten Marienthors und einzelne wöchentliche Spaziergänge in Gesellschaft des Rectors Milke, wo aber keine Turnübungen stattfanden, waren in der That die einzigen Veränderungen, die mit den Lehrstunden abwechselten. Aus dem ländlichen Wildfange wurde ein mit bestem Erfolg in Sprachkenntnissen fortrückender Schüler, gewöhnt an anhaltenden, ausdauernden Fleiss, bei erwecktem Ehrgefühl. Die gründlichste Anweisung in der lateinischen Sprache,

nach festen dem Gedächtniss eingeprägten Regeln, so auch die Anfangsgründe der griechischen, das fleissige Lesen und Uebersetzen der Autoren in beiden Sprachen mit genauer Anwendung und Einübung der Grammatik, das Analysiren der Constructionen und die Erklärung des Periodenbaues, Prosodie, Poetik nach ihren ersten Gesetzen und ihrer Entstehung, alles dieses war wesentlich verschieden von dem im elterlichen Hause genossenen Unterricht. Selbst das Auswendiglernen einzelner Stellen der Märkischen Grammatik, während dessen den übrigen Schülern die hebräische Sprache gelehrt wurde, hat mir in der Folge, bei höherer Ausbildung der lateinischen Sprachkunde, grossen Nutzen gebracht. Dieses und ein trockener, des fleissigen Betens und Singens, sogar in lateinischer Sprache, ohngeachtet das Herz kalt lassender streng orthodoxer Religionsunterricht war aber auch, nebst einer Privatstunde in der französischen Sprache, die ganze Sphäre, innerhalb welcher sich die Wissbegierde bewegte. Weder Erdbeschreibung noch Geschichte noch mathematische Wissenschaft wöchentlich eine halbe Stunde Unterricht im Rechnen in erster Instanz an der schwarzen Schultafel abgerechnet

ebensowenig Aus

bildung der Muttersprache wie des äussern Anstandes und der Darstellung waren hier gewöhnlich. Schöne Künste und Wissenschaften waren diesen Schulmännern, nach dem Bildungsgrad ihres Zeitalters, brodlose Künste, Naturlehre und Naturgeschichte, wie damals auf den mehresten Schulen, war terra incognita.

Um dieses wesentlichen Mangels willen sendete mich mein Vater, nach fünfvierteljährigem Aufenthalt in Naumburg, im Jahre 1771 auf das Königliche Pädagogium zu Halle. Schon von weitem lächelte der grosse, die Ausdehnung der Anstalt verkündende Plan des Waisenhauses, noch mehr aber die freie schöne etwas erhabene Lage des Pädagogiums den eben die düstern Mauern einer einsamen Schulwohnung Verlassenden freundlich an. Der muntere Empfang und Zuspruch der auf dem Vorplatz in frohen Spielen begriffenen Scholaren, die liebreiche Begrüssung der nicht als strenge Belauscher und Tadler jedes Ausbruchs munterer Freude, sondern mehr als Theilnehmer unter den hohen Kastanien. umherwandelnden Lehrer liessen den neuen Ankömmling mit inniger Zufriedenheit und froher Hoffnung diesen lieblichen Lehrsitz betreten. Die von den vorigen ganz verschiedenen Verhältnisse zwischen Lehrern und Lernenden, der heitere Anstrich, das zuvorkommende Ungezwungene des Umgangs zwischen ihnen, ohne der Würde und Achtung der ersteren

zu vergeben, die im geselligen Verein mit frohem Genuss jugendlicher Lust und Vergnügens ausgefüllten täglichen Frei- und Feierstunden, selbst die wohlthätige Abwechslung in den einzelnen Lehrstunden waren ihm eine um so angenehmere neue Erscheinung, je seltener ihm dieses bis dahin geworden war. Auch die feinere äussere Lebensart und Kultur, die mancher der Mitschüler, nach früherer guter Erziehung, durch bisherigen Aufenthalt auf dem Pädagogio erreicht hatte, war auffallend verschieden von dem, was mich bis dahin, in gewöhnlicher Einschränkung auf die Schule, umgab. Um so unbegreifflicher waren daher dem Seelenvergnügten die Klagen manches Zöglings über Schulzwang und Mangel an Freiheit.

Die zweckmässige, Zutrauen erweckende Art der ersten Prüfung vor dem Eintritt in die Klassen veranlasste, dass man alsbald deutlich die Fähigkeiten, die ich besass, aber auch alles das, was ich nicht wusste, erkannte. Der damalige Inspector Schrader staunte, zumal da ihn der Zufall auf die mir innigst vertrauten Eklogen Virgils führte, über meine Kenntnisse in der lateinischen Sprache und Dichtkunst bei fast gänzlicher Ignoranz selbst der Anfangsgründe mancher anderen Wissenschaften. Noch vor Ablauf eines Jahres wurde ich auch in den übrigen Lectionen zur zweitobersten Klasse, in welche ich im Lateinischen gleich beim Eintritt gelangt war, versetzt. Gross aber war der Triumph, als ich in der Folge, bei Fertigung der Probearbeiten zur öffentlichen Prüfung und Deklamirübung, mit hundert wohlgesetzten lateinischen Hexametern zum Lobe des Herbstes auftrat, während meine Mitschüler derselben Klasse nur mühsam einige holpernde disticha zusammengebracht hatten. Sei es Ehrbegierde, sei es Stolz, aber bemerkenswerth bleibt es immer, dass das Gefühl des Uebergewichts und des Vorzugs ein edles Herz in der Jugend gewöhnlich nicht zur Vernachlässigung und Erschlaffung führt, sondern zum vermehrten Antrieb wird, immer weiter empor zu dringen und noch mehr zu leisten, zumal wenn erst das Gefühl des quantum est quod nescimus lebendig geworden ist.

Mit diesem regen Gefühle und unverdorben, aber angefeuert durch das Lob, welches ich bis dahin davon getragen hatte, trat ich nach Prima über. Schnell genug, aber nicht ohne grossen Gewinn, verliefen mir die weiteren anderthalb Jahre, wo ich dann nach zurückgelegtem achtzehnten meines Alters und nach beendigter Schulzeit die Universität beziehen sollte. Dankbar und feierlich nahm ich beim öffentlichen

Schulact in einem lateinischen Gedicht, in welchem das bekannte tempus edax rerum aufs Leben und meine nun zu beschliessende dasige Laufbahn angewendet wurde, mit inniger Rührung Abschied von einer Anstalt, der ich so viel zu danken hatte.

Ohngeachtet schon damals eine Kurfürstlich Sächsische Verordnung allen Eingeborenen, die künftig Beförderung suchen wollten, die Verbindlichkeit auflegte, die inneren Landes-Universitäten zu besuchen, so fiel doch die Wahl meines Vaters auf die Universität Jena, theils aus ökonomischen Rücksichten und weil er nach dem persönlichen huldvollen Wohlwollen der erhabenen Herzogin Amalia von Weimar und durch die Unterstützung mehrerer in Weimar befindlichen Verwandten hoffen konnte, dereinst in dortigen Diensten Anstellung für mich zu finden. Auch glaubte er, man sei da fleissiger als zu Leipzig. Ich war der Rechtsgelahrtheit bestimmt, sollte aber auch, nach meines Vaters ausdrücklichem Willen, Kameralwissenschaften studiren. Ohne weitere Vorbereitung und Studienplan blieb es mir überlassen, nach dem Rath erfahrener Professoren meinen Kursus einzurichten und nach Herkommen und Gewohnheit mit den Institutionen, der Rechtsgeschichte, Logik und einem historischen und mathematischen Collegio meine akademische Laufbahn zu beginnen. Ein Empfehlungsschreiben an den Kammerrath und Professor Wiedeburg, mit dem man über Kost und Wohnung übereingekommen war und dessen väterlicher Rath mir in der Folge den grössten Nutzen brachte, nebst einer Anmahnung zu Fleiss und guter Aufführung war das Geleite, mit welchem ich nach Jena gesendet wurde. Den gewöhnlichen Neckereien und der Verspottung, denen damals jeder neue Ankömmling in Jena ausgesetzt war, entging ich vermuthlich dadurch, dass ich meinen Einzug auf einem stattlichen Engländer meines Vaters in vollem Trabe über den Markt hielt und dadurch für einen schon alten Akademiker gehalten wurde. In der Folge aber wurde ich ohne meine Schuld in mehrere Verdriesslichkeiten verwickelt, die, so unbedeutend sie waren, doch nach dasiger Tendenz und Toleranz nicht anders als mit dem Degen in der Faust geschlichtet werden konnten. Dass ich an jenem wilden Betragen, trotz der nun erlangten mehreren Freiheit und Ungebundenheit und bei der Lebhaftigkeit meines Charakters, keinen Gefallen finden, auch nicht in den Strudel hineingezogen werden würde, dafür hatten meine edlen Hallischen Lehrer gesorgt. Frühere Bekanntschaften in Weimar und auf dem Lande in kurzer Entfernung

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