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sein verlorenes Paradies zurückzugewinnen, denn dort allein, das wußte er, war es ihm möglich, in Frieden mit sich selbst zu leben.

Aber er wollte fort aus diesem Hause, das ihm kein Heim mehr war.

Den kleinen rostigen Spaten in der Hand, ging er auf den Spielplatz hinüber und blieb vor dem geschlossenen Holunderbaum stehen.

Tine war er an jenem Sonntag nachgelaufen, als er den Hut verlor und der Holunderbaum nicht mehr offen stand. Tine! Er wußte nicht weshalb, aber zu ihr wollte er gehen und nicht zu den andern, ehe er abreiste. Ihr wollte er Lebewohl sagen, ihr, die, ohne ihm etwas Böses antun zu wollen, ihn aus dem Paradies der Kindheit herausgelockt hatte.

Sie stand an der Gartenpforte und sah in die Ferne hinaus, wie es ihre Gewohnheit war, wenn sie eine müßige Stunde hatte.

Sie sah ihn von weitem näher und näher kommen. Die Erde schwankte unter ihr; sie mußte sich an der Pforte festhalten. Ihr war, als käme er unabwendbar auf sie zu mit ihrem Schicksal, und sie fühlte, ob er nun mit Kälte oder Wärme zu ihr kam, so kam er mit Kummer.

Jetzt blieb er stehen und sah sie lange an, ohne etwas zu sagen. Aber in diesem Schweigen vernahm sie mehr, als sie im Augenblick zu verstehen vermochte, mehr, als sie in vielen Jahren würde in Gedanken umsetzen können.

Sie stand gesenkten Hauptes da. Schließlich hob sie langsam die sanften Augen mit den langen dunklen Wimpern und fragte, weil sie nicht länger zu schweigen wagte, ob er nicht hereinkommen wolle.

Er schüttelte den Kopf:,,Ich komme nur, um Lebewohl zu sagen. Ich reise morgen ab. Möge es Ihnen gut gehen."

Er stutzte, als er merkte, daß er Sie gesagt hatte. Zu ihrem Mann und allen andern Schulkameraden sagte er du, zu ihr sagte er Sie!

,,Dann sehen wir Sie vielleicht nicht mehr?" sagte sie. Die Stimme erstarb wie der letzte Ton eines feinen Instruments.

,,Nein," sagte er,,,ich komme nicht mehr hierher. Leben Sie wohl!"

,,Leben Sie -.“ Weiter kam nichts, nicht einmal ein Flüstern. Aber sie sah ihn mit einem kurzen, klaren Aufblitzen an, das ihre eigenen Augen blendete, so daß sie sie schließen mußte mit einem kurzen Aufblitzen von brennendem Jammer, das von der Dunkelheit gedämpft und verborgen wurde.

Er entfernte sich schnell. Sie hatte ihn angesehen wie ein junges Mädchen, das gerne leben möchte, aber weiß, daß es sterben muß, und fühlt, daß es so am besten ist. An der Wegkreuzung sah er zurück.

Sie stand noch immer an der Gartenpforte. Der Kopf war gesenkt; sie sah zu Boden. Die Hände lagen schlaff auf der Pforte. Sie sah so aus, als sei sie ganz allein in der Welt.

Eine Sekunde war es ihm, als würde sein Bewußtsein in die schlaffe, seltsam aufgelöste Gestalt dort an der Gartenpforte versetzt; er wußte, daß sie sich freute, weil sie ihn nicht mehr wiedersehen würde, daß sie aber darüber weinte.

Plötzlich aber richtete sie sich auf, als hätte jemand auf eine geheime Feder gedrückt, die ihr ganzes Wesen um ein einziges Ziel zusammenschloß. Ihre beiden Kinder waren herausgekommen, und das kleinste war die Treppe hinuntergepurzelt.

Als Dahl wieder auf dem Spielplatz angelangt war, blieb er stehen und faßte in seine Tasche. Er zog den kleinen Spaten heraus und betrachtete ihn einen Augenblick. Dann ging er auf den Kirchhof.

Da lagen die drei Gräber, das neue hohe der Mutter, das zusammengesunkene des Vaters und das von Brüderchen, das zu einem kleinen Blumenbeet geworden war.

Er bog vorsichtig die Blumen zur Seite und steckte den

Spaten tief in die Erde hinab. Dann ging er nach der Schule hinüber, bezahlte sein Zimmer und teilte mit, daß er am nächsten Tage abreisen wolle.

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Am nächsten Vormittag ging Dahl in aller Frühe in den Garten hinaus, um zum letztenmal durch die Hecke zu sehen.

Der Glöckner Kristen bastelte an einer Schubkarre herum.,,Nun wollen Sie uns also verlassen?" sagte er.

„Ja,“ sagte Dahl und betrachtete die alte Pfeife, die in Kristens zahnlosem Munde baumelte. Das war ja dieselbe, mit der er gespielt hatte, als sie noch neu war. Jetzt hatte sie den Glanz verloren.

,,Der liebe Gott und der Himmel und die ganze Erde stecken nicht mehr in deinem Pfeifendeckel, Kristen," sagte ér.

Kristen lachte:,,Nein, wissen Sie das noch? Das war gerade an dem Tage, als Ihr kleiner Bruder auf die Welt kam, Ja, der Pfeifendeckel ist nun nicht mehr blank, er spiegelt nichts mehr. Es ist Dreck daraufgekommen im Laufe der Zeit."

Dahl ging auf die Hecke zu. Spiegeln ja, tun wir das nicht auch? Wir spiegeln die Welt, je nachdem wir blank sind. Das Auge sieht den Himmel oder die Hölle oder nur die grüne Erde, je nachdem das Herz ist. Was würde wohl sein Herz zu allerletzt spiegeln?

Er stand auf dem Grabendamm. Die Hand um einen Haselzweig, versánk er in Träumerei. Er hatte keinen Gedanken. In der Tiefe seines Wesens ruhte ein müdes geduldiges Warten; er hatte kein Gefühl von irgend etwas anderem, ahnte nichts davon, daß die Zeit verstrich.

Auf einmal kam ihm der Grabendamm ungewöhnlich

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hoch vor, und er hatte die Vorstellung, daß er sich am Haselzweig festhielt, weil er bange war, hinabzufallen. Es war ihm, als seien seine Beine sehr klein und kurz.

Im selben Augenblick entsann er sich, weswegen er hier stand. Er wartete, müde und doch geduldig.

Es war am Tage nach dem Fest im Wäldchen. Geradeso stand er das erstemal, als er hierher ging, um zu warten. Er entsann sich deutlich des kleinen Mädchens im rosa Kleid mit der Düte und den Augen, in die man nur immer hineinsehen konnte. Jetzt kannte er sie! Es waren ja die Augen und die Gesichtszüge, die er sooft in der Schule gesehen hatte, ohne zu wissen, daß sie es waren. Es war Tine!

So sah sie das erstemal aus, als er sie sah.

Tine!

Schon damals!

Er träumte weiter, sank sozusagen immer tiefer in sich selbst hinab, während eine Frage sich gleichsam in ihn hineinbohrte: Ob Tine unlöslich mit seinem Leben verbunden war?

Seine Gedanken standen still, aber er fühlte, wie sich die Frage immer tiefer und tiefer in ihn hineinbohrte. Er fuhr auf. Das war ein scharfes Aufblitzen, als ob gerade vor ihm eine Bombe geplatzt wäre. In dem Blitz sah er viel mehr, als er festzuhalten vermochte. Er sah sein ganzes Leben bis ans Ende.

Die Einzelheiten konnte er nicht festhalten.

Nur dies: daß er in fanatischem Suchen nach dem Stein der Weisen in ein Leben einging, phantastisch reich an inneren Erlebnissen.

Aber welche Erlebnisse? Er hatte sie gesehen. Jetzt waren sie fort.

er

Er entsann sich nur des allerletzten: eine grüne Ebene eine Frau in einem rosa Gewande sie winkte ging auf die Ebene hinab alles wurde dunkel. Aber die Frau, die am Ende seines Lebens stand, war, so schien es ihm, Tine.

Er blieb stehen und starrte durch die Hecke nach etwas, was schon entschieden schien. Nach etwas Unabwendbarem. Annine Clausen kam vorübergetrabt, rief:,,Guten Tag", erhielt keine Antwort, lief weiter zu der Schmiedsfrau Kirsten und sagte:

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Wie wunderlich das doch ist. Da komm ich wieder an der Hecke bei der Schule vorüber, und da steht wieder der Sohn des Küsters und sieht mit unergründlichen Augen an mir vorbei, genau so wie damals, als er eben geboren war und ich zu seiner Mutter sagte:,Was so ein kleiner Kerl wohl sehen mag!' Genau so wie damals sahen seine Augen aus, man könnte beinah glauben, für die Seele gibt es kein Alter. Ach ja, ach ja, wie wunderlich ist doch das Leben!"

Eine gute Stunde später ging Dahl in der Stadt über den Markt nach dem Hafen hinab. Segelmacher Berg stand vor seiner Tür, die Hände in den Hosentaschen. Ihn,,offen stehen" zu sehen, hatte er immer gewünscht, um zu erfahren, was sich für ihn dabei ergeben hatte, daß er durch die ganze,,geschlossene" Welt gereist war und alles gesehen hatte, was es zu sehen gab.

Dahl war wirklich hellseherisch heute. Berg stand offen, und da war nicht das geringste zu verbergen. Er war nicht lebendiger als Frederik VII., abgesehen davon, daß er spucken und mit den Augen zwinkern konnte.

Dahl war zu früh zur Stadt gekommen. Es war noch eine halbe Stunde bis zum Abgang des Schiffes. Er ging ins Hotel und ließ sich eine Tasse Kaffee geben. Als er fortging, fuhren zwei Menschen draußen auf dem Gang erschreckt auseinander. Es war das Zimmermädchen des Hotels und der junge Konsul Urup, Helens Mann.

Das war der letzte Eindruck, den er von der Heimat erhielt.

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