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nar anzuerkennen.,,Er hat nicht studiert," sagte er und sah so aus, als machte er dem Prädikanten einen Vorwurf, weil er an der Erfindung der Buchdruckerkunst nicht beteiligt gewesen war, und Pastor Barnes gegenüber wiederholte er mit einem Lächeln, wie es der Primus in der ersten Klasse hatte, wenn er überhört wurde:,,Was er sagt, mag ja ganz gut sein, der Fehler ist nur, man merkt, daß er nicht studiert hat." Pastor Barnes lächelte wie der Lehrer, wenn der Primus richtig geantwortet hat. Er sagte nichts, schien aber mit dem Küster einverstanden zu sein.

Der berühmte Name des Missionars hatte das Versammlungshaus gefüllt, und die aus der Gemeinde und der Provinzstadt zusammengeströmte Zuhörermasse geriet bald in den Bann des Redners.

Er war ein großer, starker Mann, von prächtigem Gliederbau, aber noch mächtiger im Geiste. Seine lebhafte, von Leidenschaft durchglühte Phantasie konnte Bilder vom Himmel und von der Hölle entwerfen, die auf die Zuhörer wie persönlich Erlebtes wirkten. Die Gesichter leuchteten vor Verlangen nach der Herrlichkeit des neuen Jerusalem. Er versetzte sie in eine Ekstase, die, solange der Rausch anhielt, sie zu Märtyrern ihres frohen Glaubens hätte machen können. Als er aber dann plötzlich mit lauter Stimme rief: „Doch da ist noch ein anderer Ort!"

und die Luft mit Donner und Blitz, mit brennendem Schwefel und Seelenpein füllte, da spiegelten die Gesichter alle Qualen der ewig Verdammten wider und zugleich eine fürchterliche Todesangst.

Nur der Küster und der Pfarrer und der Kandidat schienen sich der allgemeinen willenlosen Unterwerfung zu entziehen. Der Pfarrer und der Küster sahen mißvergnügt aus, und der kleine Jens Dahl erinnerte sich, daß der Missionar ja nicht studiert hatte. Das hatte dagegen der Kandidat getan, und der ließ seinen Blick aufmerksam von einem zum andern schweifen, bis er bei einem kleinen Mädchen halt machte, deren erschreckte Seele ganz vorne in ihren Augen saß. Jens erkannte sie sehr gut; es war

die kleine Helen Strömstad, die, von der die Leute immer sagten, sie sei so lieb und wohlerzogen, worauf sie regelmäßig hinzufügten:,,Das muß man der Mutter ja lassen, ihr Kind hat sie gut erzogen, aber sonst muß man ja freilich ..." Was man sonst freilich mußte, kam nie zum Vorschein, wenn Kinder zugegen waren.

Die kleine Helen war entsetzt über alles, was einem Menschen nach dem Tode passieren konnte, und ängstigte sich, weil die Erwachsenen neben ihr weinten. Sie schmiegte sich an ihre Mutter, eine schöne, üppige Frau, die der Kleinen zuzulächeln suchte und einen scheuen Blick nach dem Lotteriekollekteur hinüberwarf, der aus der Stadt gekommen war. Diesem standen große Schweißperlen auf dem dünnbehaarten Schädel; er zerrte nervös an dem herabhängenden Schnurrbart und sah so aus, als wollte er sagen:,,Was haben wir hier auch zu suchen? Haben wir nicht sowieso genug zu tragen?"

Die kleine Helen wurde immer bleicher, und Jens hätte ihr am liebsten ins Ohr geflüstert:,,Laß ihn doch reden; er hat ja nicht studiert." Aber er saß festgeklemmt zwischen zwei wohlbeleibten Frauen und konnte nicht entkommen. Da fiel er in einen Halbschlummer und erwachte erst, als sie alle draußen auf dem offenen Platz standen, wo die frische Luft und die durch das sanfte Herabschweben der großen weißen Schneeflocken noch verstärkte Stille nach der Erregung in dem überfüllten Versammlungssaal so überwältigend wirkten, daß niemand imstande war, ein Wort zu sagen oder sich zum Weggehen aufzuraffen.

Plötzlich wurde die schweigende Stille von einem dünnen, hellen Stimmchen durchschnitten.,,Mutter, was ist eigentlich Schnee?" fragte die kleine Helen.

Der Missionar näherte sich mit einer Erklärung, aber der Kandidat, der neben dem kleinen Mädchen stand, schnitt ihm das Wort ab und sagte, sich zu ihr herabbeugend: ,,Das sind Wattebäuschchen, die dem lieben Gott aus den Ohren fallen, mein liebes Kind!“

Sie sah ihn verwundert an und fragte: „,Wozu hat er denn all die Watte in den Ohren?"

,,Damit er nicht zu hören braucht, wie häßlich die Menschen seinen Namen mißbrauchen," antwortete der Kandidat. Diese Erklärung wirkte auf die Gemüter, die vorhin bei der Beschreibung der Höllenqualen völlig die Herrschaft über sich verloren hatten, mit unwiderstehlicher Gewalt. Frauen wie Männer lachten jetzt ungefähr ebenso laut, wie sie vorhin im Saal geschluchzt hatten.

Der Missionar, der sein Werk gefährdet glaubte und noch von ekstatischer Erregung bebte, trat vor den Kandidaten und rief:,,Hüten Sie sich, daß Gott Sie nicht hört, wenn Sie spotten. Denn Gott ist ein mächtiger Gott und ein eifriger Gott. Gott kann die Kraft Ihres Armes lähmen! Gott kann Sie zu Boden schmettern vor diese meine Füße in diesem Augenblick! Zu ewiger, niemals aufhörender Qual kann Gott Ihre Seele verdammen. Gott kann Ihr Leben zu einem ewigen, nie gestillten Schmerzensschrei machen.“

Schon gewann er wieder Gewalt über die lauschende Schar. Aber der Kandidat sagte nur ganz ruhig zu dem kleinen Mädchen, während er in die Luft hinauf zeigte: ,,Sieh nur, jetzt hat es aufgehört zu schneien. Du begreifst wohl, daß der liebe Gott jetzt seine Watte selber braucht.“

Der Missionar sah das Lächeln, das die Lippen der Männer umspielte. Sein Blut geriet in Brand, und da die Erregung seine Zunge lähmte, fuhr ihm der Jähzorn in die Glieder. Er hob den Arm und drohte dem Kandidaten mit der mächtigen geballten Faust ins Gesicht.

Was dann geschah, ging so schnell vor sich, daß niemand alles genau verfolgen konnte. Einige sahen die linke Hand des Kandidaten in die Höhe zucken und den rechten Arm des Missionars auffangen; andere sahen ihn,,wie der Blitz" vorgehen und den linken Arm packen. Alle aber erinnerten sich genau, wie er die Handgelenke seines Gegners fest umklammert hielt und mit dessen Arm eine kleine kurze Drehung vornahm, und wie dann wütender Schmerz das breite Gesicht verzerrte.

Der Kandidat sah dem Missionar lächelnd in die Augen und sagte, indem er bei jedem,,selig“ seinen Armen eine kleine kunstgerechte Drehung versetzte:,,Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen. Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen."

Und das eine Auge zukneifend und seine Muskeln spannend, schloß er:,,Selig seid ihr, wenn euch die Menschen verfolgen."

Während der letzten harten Drehung sank der Missionar mit einem heillosen Schmerzgebrüll zu Boden, und der Kandidat steckte die Hände in die Taschen und ging nach Hause.

Ein paar Männer hoben den Geschlagenen auf und brachten ihn ins Pfarrhaus. Die Menge stand einen Augenblick unsicher da, konnte sich über das, was sie gesehen und gehört hatte, nicht recht klar werden. Aber plötzlich sagte einer, er habe Hunger; da atmeten alle erleichtert auf und sagten, den hätten sie, weiß Gott, auch, worauf sie sich trennten und jeder nach Hause ging.

Holger stand neben Anninens Niels Peter und Jens Dahl. Er starrte dem Kandidaten mit großen Augen nach.

,,Er hat ihn untergekriegt," sagte er leise.,,Er hat ihn untergekriegt, und er ließ ihn ruhig liegen. Er ist nicht einen Augenblick außer sich gewesen.“

„Nein, er lachte die ganze Zeit," sagte Niels Peter. „Aber seine Bergpredigt, die konnte er.“

,,Schweig still!" sagte Holger und sah zum Himmel hinauf, wo eine Sternschnuppe ihren weißen Streifen zog. Der große Junge faltete die Hände und sah der Sternschnuppe mit feuchten Augen nach.

,,Was hast du?" sagte Niels Peter, als Holger die Hände wieder in die Hosentaschen steckte.,,Hast du gebetet?" ,,Man sagt," meinte Holger,,,was wir wünschen, wenn ein Stern vom Himmel fällt, geht in Erfüllung."

,,Was hast du dir denn gewünscht?"

Wenn Holger nicht so furchtbar stark gewesen wäre, würde Niels Peter himmelhoch gelacht haben, denn Holger sah aus wie ein ganz kleiner Junge, als er mit leiser Stimme aufrichtig antwortete:,,Ich habe mir gewünscht, ich möchte einmal so werden wie der Kandidat..

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Drüben im Pfarrhause ließ der Missionar sich seine Handgelenke von der Pastorin massieren. Christian sah zu. Der Pastor ging im Zimmer auf und ab und fragte, ob es immer noch schmerze. Jedesmal, wenn er dem Missionar den Rücken zukehrte, kniff er den Mund zusammen und schloß die Augen. Christian war fest davon überzeugt, daß sich sein Vater ein Lachen verbiß. Offenbar hatte der Pastor an dem, was dem Missionar passiert war, im stillen seine Freude.

5. KAPITEL

Die Himmelssprache

Jens bekam doch noch sein Brüderchen. Das geschah eines Tages, als er glaubte, der Kleine sei gestorben. Tags zuvor hatte er Jakob Hansens jungen Hund auf der Seite liegen sehen mit ausgestreckten Pfoten und ohne zu atmen. ,,Er ist tot," hatte der Großknecht gesagt.,,Das muß ich gleich dem Jakob sagen, der hat ihn so gern gehabt.“

Als Jens am nächsten Tage ins Schlafzimmer kam, sah er Brüderchen auf der Seite liegen, bleich im Gesicht, die Arme über der Bettdecke ausgestreckt und ohne zu atmen. ,,Er ist tot," dachte Jens.,,Das muß ich gleich der Mutter sagen." Wenn er traurig war, so vergaß er das jedenfalls darüber, daß er der erste war, der es bemerkte.

Auf einmal, er konnte nicht sagen weswegen, sagte ihm sein Gefühl, daß der Kleine doch am Leben sei. Der Kopf, der eben noch tot gewesen war, sah jetzt aus, als schlafe er, und nach einer Weile konnte man die Atemzüge hören; es kam auch Farbe in die Wangen.,,Gewiß war er beinahe tot," dachte Jens,,,aber jetzt ist er wieder lebendig!"

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