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ein ohrenbetäubendes Gebrüll aus, und in der Zaunöffnung erschien jemand.

Es war Holger.

Jens sah seine Augen starr werden. Ein Großer hatte einen Kleinen geschlagen! Er wußte, was ihm bevorstand, und es war niemand da, der Holger sagen konnte, wenn es genug war. Er fühlte schon seine Rippen gebrochen und sein Gesicht zu Mus geschlagen.

Außer dem Schrecken erfaßte ihn Kummer, nicht über das, was er getan hatte, sondern weil Holger immer sein Freund und Beschützer gewesen war und nun als sein Gegner vor ihm stand.

Das konnte man seinen Augen ansehen, und Holger hielt inne, ehe er zuschlug, und fragte verwundert und drohend zugleich:,,Warum hast du das getan?"

Jens versuchte ehrlich, die Wahrheit zu sagen: „Er war so dick!"

,,Ich fragte, warum du ihn geschlagen hast?“ Holger kam einen Schritt näher.

Jens brach in Tränen aus; er konnte es ja nicht besser ausdrücken. Er hörte Holger gerade über seinem Kopf noch einmal fragen; und halbtot vor Angst schluchzte er hervor: ,,Es stieg so in mir auf. Ich konnte es nicht leiden, daß er hier war. Und da stieg es in mir auf.“

Wo blieben die Schmerzen? Nichts tat weh. Er stand noch immer aufrecht. Er hob vorsichtig den Kopf, um zu sehen, was nun käme; es dauerte ja so lange. Er begegnete Holgers Augen, die ihn sahen und auch nicht sahen. Es war etwas in ihnen, was keinen Platz finden konnte. ,,Stieg es in dir auf?!" sagte Holger ruhig.

Jens weinte laut, weil er hören konnte, daß Holger Mitleid mit ihm hatte, und da mußte es ja etwas ganz Schreckliches sein, was so in ihm aufgestiegen war.

Holger griff in die eine Westentasche und dann in die andre. Er hatte Tränen in den Augen und biß sich auf die Lippe-hart, denn es kam Blut. Dann suchte er in den Jackentaschen, die leer waren. In der rechten Hosentasche

fand er ein Messer, hielt es in der Hand und betrachtete es zögernd. Es war alt, und das Blatt war schartig, aber er hatte nichts Besseres bei sich.

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,Willst du das haben?" sagte er.,,Es ist einmal gut

gewesen.

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Jens sagte nichts; er konnte von allem nichts begreifen. Holger steckte ihm das Messer in die Hand.

,,Es soll dir gehören. Geh jetzt nach Hause. - Betest du manchmal zum lieben Gott?"

,,Ja.“

,,Das ist gut. Das ist das einzige, was nützen kann.“

Er wandte sich nach dem Kleinen um und trug ihn in das Feld hinein. Hinter der Hecke hörte Jens ihn sagen: Wenn du mir versprechen willst, zu Hause nichts zu sagen, bekommst du am Sonntag von mir Kuchen.“

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Erst in dem,,Stuhl" der Haselnußhecke wußte Jens, daß er zugeschlagen hatte, weil ihm die unsinnige Vorstellung gekommen war, der kleine Junge habe Brüderchens Essen verzehrt und auch sein Spielzeug wegnehmen wollen...

Sein Kopfweh hörte nicht auf. Jeden Morgen kam der Tag mit Spiel zu den andern, mit denselben ermüdenden Kopfschmerzen zu ihm. Eines Sonntags, als es still auf dem Spielplatz war, fühlte er, daß er mit den qualvollen Schmerzen im Kopfe nicht weiterleben könne. Alles, was er sah, tat ihm weh.

Er setzte sich in den tiefen Schatten des Holunderbaumes an der Kirchhofsmauer, um nur nichts zu sehen. Er lehnte den Nacken gegen einen Ast. Ach, das tat gut! Der Holunder stand still in der regungslosen Luft. Jens war fast, als gebe er sich Mühe, kein Geräusch mit den Zweigen und Blättern zu machen. Er war nun in Gesellschaft, nicht mehr allein. Er schmiegte sich dichter an den Stamm, er kam ihm so nahe, als er nur konnte, und als er leiblich nicht näher herankommen konnte, begann er sich innerlich zu nähern. Eine Zärtlichkeit und Hingebung, so stark und ungeteilt, wie er sie für einen Menschen nicht aufbringen konnte, ging von seinem Herzen zu diesem

friedlichen Holunderbaum hinüber, der, ohne viel Wesens davon zu machen, ihm den Kopf öffnete und die Kopfschmerzen herausnahm; und statt dessen kam etwas, was, wie er glaubte, er und der Holunderbaum gemeinsam dachten. Es war so still um ihn her und in ihm, daß er den Holunderbaum nicht nur spürte, sondern geradezu sein Innerstes hörte. Nein, nicht nur hörte, es war ja dieses Wohlbekannte, das sowohl sehen als auch hören und fühlen auf einmal war - die Himmelssprache war es. Die breitete sich durch sein ganzes Wesen aus und nahm ihm jeden Wunsch. Das Wort Alles erfüllte aufquellend sein ganzes Herz, und irgend etwas, wohl der Holunderbaum, antwortete:,,Ja, hier ist alles." Er wußte, daß er unter dem Holunderbaum saß, aber im Grunde konnte es gern überall sein; nichts war mehr lang oder kurz, nahe oder fern. „Alles ist hier Brüderchen auch?" Er hatte das kaum gedacht, und schon verspürte er den weichen, warmen Druck kleiner Finger, und er fragte, aber nur in Gedanken: „Bist du wirklich hier?", und in seinem Innern hörte er Brüderchens feine Stimme sagen:,,Ja." Er fragte: „Wie kannst du in mir sprechen?" Brüderchen antwortete:,,Du stehst ja offen, ich kann geradewegs in dich hineingehen.“ „Ach die Himmelssprache macht, daß ich offen stehe," sagte Jens,,,aber du, bist du immer in der Nähe oder zuweilen weit weg?",,Weder nahe noch fern," sagte Brüderchen. ,,Wie die Himmelssprache," sagte Jens, und Brüderchen antwortete: „Ja, die Himmelssprache ist nirgends und überall.",,Niemand kann sie hören, und niemand kann sie übertönen." Das sagte wohl der Holunderbaum.,,Jedesmal, wenn du sie sprichst, weiß ich es," sagte Brüderchen. ,,Und kommst du dann?" fragte Jens.,,Dann bin ich ja hier," sagte Brüderchen.,,Ich verstehe es," sagte Jens,,,du bist immer darin. Und jetzt bin ich bei dir.“ Und er blieb still bei ihm sitzen.

Lange nachher spannte der Holunderbaum seine Äste und es kam ihm so vor, als sagte er:,,Jetzt mußt du hinausgehen!"

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Als er über den Spielplatz ging, lachte er über sich selbst, weil er sich aus Spaß unbeholfen benahm. Es war lächerlich, daß er so Schritt für Schritt ging und nur langsam vorwärts kam.,,Es ist gerade so, wie wenn wir sprechen," dachte er. „Wir sagen ein Wort nach dem andern, und es dauert geraume Zeit, und doch sind es nur Bruchstücke, die wir erfahren oder sagen können. In der Himmelssprache sagen wir alles auf einmal, ohne ein einziges Wort zu sagen, und in dem Offenen ist alles gerade da, wo wir sind. Im Geschlossenen draußen ist etwas nah und anderes weit weg, und da müssen wir gehen oder reisen. Die aber, die die Märchen machten, die sind sicherlich im Offenen gewesen. Und der Kandidat der sieht es. Wenn er nur nicht so alt wäre!"

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Er wurde einsam, aber glücklich zwischen den unruhigen Menschen. Wenn die Eltern trauerten, sah er, daß das Brüderchen für sie weg war, vielleicht nahe, vielleicht weit weg, vielleicht existierte es gar nicht mehr. Er selbst brauchte nur offen zu sein, und dann waren sie zusammen, enger beieinander als je zuvor. „Du stehst ja offen, und ich kann geradewegs in dich hineingehen," hatte Brüderchen gesagt, und es zeigte sich täglich, daß das wahr war. Daher konnte ein heller, glücklicher Ausdruck in sein Gesicht kommen, wenn die Eltern von dem Kleinen sprachen. Sie sahen ihn verwundert an, und seine Mutter sagte:,,Man möchte glauben, du freust dich, daß dein Bruder tot ist!" Er begriff, daß sie nahe daran war, Abscheu vor ihm zu empfinden, und er sah sie mit sonderbar überlegenem Mitleid an, weil sie nichts wußte und ihr nicht zu helfen war. Damit mischte sich ein klein wenig krankhafte Lust, ungerecht beurteilt zu werden. Meistens ertrank diese jedoch in der Sehnsucht, daß die Mutter ihn lieb haben möchte wie früher.

Zuweilen dachte er daran, sich dem Kandidaten anzuvertrauen, der,,in das Offene sah" und doch erwachsen war, und dem die Erwachsenen also zuhören würden, wenn er ihnen die Sache erklärte. Aber daraus wurde nie etwas.

Die Sache war die, daß er, wenn er allein war, keiner Hilfe bedurfte.

Aber eines Tages erlebte er etwas Wunderliches, das ihn zugleich in die Arme der Mutter zurückführte.

Er saß in der Stube, in der Brüderchen gestorben war, da, wo er ihn eines Tages hatte erwachen und wie eine Blase aus der Tiefe der unergründlichen Augen, die noch nach dem Himmel zurückstarrten, aus dem er gekommen › war, hatte auftauchen sehen. Er dachte an den Todestag, als er versucht hatte, in seinem Inneren Brüderchen auf dem Wege nachzufolgen, den er gegangen war. Jetzt war er offen, Brüderchen war bei ihm, und er dachte:,,Ob ich jetzt wohl kann?“, und Brüderchen flüsterte ihm zu: ,,Ja. Still ganz still Himmelssprache in dir - Himmelssprache außer dir - Himmelssprache überall. Nichts weiter als Himmelssprache." Er wiederholte es selbst wohl hundertmal, und währenddem geschah es; die Stube und alles blieb weg, er war nirgends, einen Moment sah er Brüderchen, nicht mit den Augen, sondern mit seinem ganzen Wesen, sah nicht seinen Körper, sondern Brüderchen selbst und wurde aus dem Stuhl emporgerissen, und sein Herz fing so zu hämmern an, daß er glaubte, es ginge in Stücke.

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Seine Mutter starrte ihn angstvoll an. Ihre Hände, die ihn vom Stuhl emporgerissen hatten, zitterten noch.,,Jens," schrie sie. Es dauerte eine Weile, bis er die Herrschaft über seine Stimme gewann und zu fragen vermochte, was los sei. „Du sahst aus, als wärst du tot," sagte sie,,,und du hattest das Gesicht deines Bruders. Geh nicht von mir wie er,“ flüsterte sie und preßte ihn an sich.

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Er legte die Hand auf ihren Arm und sagte mit einem Ernst und einer stillen Würde, die sie erschreckte:,,Brüderchen ist nicht tot. Er lebt.“

Sie preßte die Hand an ihr Herz und sagte langsam und zögernd, wie jemand, der sich eine Aufgabe überhört. Er sah geradezu einen Katechismus vor sich:,,Ach ja

ja!

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