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Gesamtentwickelung des einzelnen Menschen, des einzelnen Volkes, wie die der gesamten Menschheit. Überall beginnt die psychische Entwickelung mit mystisch-phantastischen, gefühlsbeschwerten, durch Furcht und Hoffnung entstellten Vorstellungen. Die Religionen, auf derartigen Vorstellungen beruhend, werden einerseits selbst immer nüchterner, rationalistischer ich erinnere nur an das Herauswachsen des Protestantismus aus dem Katholizismus anderseits verlieren sie in der antiken wie in der christlichen Zeit die Vorherrschaft erst an die synthetische und deduktive Philosophie, unter deren Vertretern Heraklit nicht allein der Beiname des Dunklen gebührt, dann an die analytische, induktive Naturwissenschaft, wie schon Comte gezeigt hat. Diese Entwickelungs. reihe: Religion Philosophie Naturwissenschaft läuft ganz gleich der Entwickelungsreihe, die bei den nachahmenden Künsten von der phantastisch erfindenden über die idealistisch komponierende zur naturalistisch beobachtenden Darstellungsart führt. Auf allen Gebieten geht gleichsam die Bahn von der Poesie, die Hamann die Muttersprache des menschlichen Geschlechtes nennt, zur Prosa; überall von höchster zu geringster psychischer Energie, soweit sie sich in innerer Bewegung darstellt; überall aus Nacht zum Licht: aus der Nacht überhitter, blind wütender Gefühle und Triebe zum Lichte des kalten, nüchternen, lahmen Verstandes.

Voll fieberhafter Energie ist das Leben eines Volkes zu Beginn, sagt Ruskin. Er vergleicht seine Entwickelung der eines Lavastromes: zuerst glühend und ungestüm, dann hell und heiß, endlich langsam und dickflüssig mit erstarrenden Krusten. Dies Gleichnis gilt zunächst von dem künstlerischen Schaffen des einzelnen Künstlers, der einzelnen Schule, des einzelnen Stils, des einzelnen Volkes, wie von dem der ganzen Menschheit. Aber über das Reich der Kunst hinaus erstreckt sich das Gesetz der allmählichen Erstarrung auf alle Gebiete des seelischen Lebens überhaupt. Ja, es beherrscht nicht bloß die Bewußtseinsvorgänge, sondern auch die Bewegungsvorgänge, nicht nur die psychische, sondern auch die physische Welt: der Weltprozeß ist immer und überall, im kleinen wie im großen, ein Erstarrungsprozeß.

S

Der Krieg im Lichte der Sprache.

Von F. Kunze - Weimar.

aß die Sprache der Spiegel der Seele sei, ist ein altes, oft wiederholtes Wort. Und wenn es auch sicher ist, daß sie lange nicht ausreicht, um alle Regungen der Seele restlos zu offenbaren, an der Gültigkeit des Sahes im allgemeinen wird daran nichts geändert. Aber nicht allein was wir haben, sondern auch was wir hatten, deuten uns nach Goethes treffendem Ausdruck die Worte. Anschauungen und Gedanken, Glaubenssäße, Sitten und Lebensregeln längst vergangener Zeiten werden durch die Sprache oftmals lebendig wie durch Bilder, Kunstwerke, Waffen und anderes Gerät. Nur muß man ihre Zeichen zu deuten verstehen, und um das zu können, ist es nicht nur nötig, den verdunkelten Ursprung der einzelnen Wörter aufzusuchen, sondern auch den verlorenen Zusammenhang zwischen verwandten Gliedern wieder herzustellen. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben der Sprachwissenschaft, an deren Lösung gerade in den letzten Jahrzehnten mit besonderem Erfolg gearbeitet ist und noch gearbeitet wird. Ein einzelnes Beispiel möge das eben Gesagte verdeutlichen.

Es ist nachgerade eine Binsenwahrheit geworden, daß kriegerischer Sinn und kriegerische Tätigkeit von alters her zu den Haupteigenschaften der Völker germanischer Raffe gehören. Nicht als ob sie alle anderen Völker an Tapferkeit überträfen. Es ist überflüssig, auf die Taten des Heroismus hinzuweisen, welche Griechen und Römer, Slawen und Romanen, Orientalen und andere im Dienste des Kriegsgottes vollbracht haben. Aber das kriegerische Feuer, das in den Adern der Germanen loderte, war doch von einer besonderen Art und Heftigkeit, ihnen war der Krieg Aufgabe und Beruf des Lebens, der ihnen nicht bloß die Mittel zur Existenz gewährte, sondern auch zu Ansehen, Ehre, Ruhm und Macht verhalf. Es war eine Schande für den germanischen Krieger, den Strohtod zu sterben, und die auf der Walstatt Gefallenen wurden von den Schlachtenjungfrauen in die Halle der Seligen geleitet, um dort mit den Göttern vereint weiter zu leben. Und auch dort gab es täglich Speerkampf und Schwerterschlag.

Diese ungewöhnliche Kampfesfreudigkeit mußte auch in der Sprache ihren Ausdruck finden. In der Tat gibt es schwerlich

ein anderes Volk, das eine solche Fülle von Wörtern besist, um die Begriffe von Kampf und Krieg auszudrücken, wie das germanische. Freilich ein großer Teil des alten Erbes ist im Laufe der Zeiten verloren gegangen; aber andere Ausdrücke sind nachgewachsen, ohne freilich für das Verlorene vollwertigen Ersaß zu bieten. Übersieht man aber die ganze Entwickelung, so zeigt sich doch ein Schaß von seltener Größe und Schönheit.

Da fällt nun der Blick zunächst auf fünf Wörter, die in den ältesten Denkmälern unserer Literatur vornehmlich den hier in Rede stehenden Begriffskreis vertreten, es sind die Wörter gund, hild, hadu, wig und badu, deren Lautstand durch die Zeit und die Landschaft, in der sie erscheinen, entsprechend den durch die Lautverschiebung geschaffenen Normen bestimmt ist. Sie bezeichnen alle den Begriff des Kampfes im weitesten Sinne des Wortes; aber sie sind heute aus der lebendigen Sprache verschwunden und nur noch in erstarrten Gebilden, in einigen Personennamen nämlich, für den Laien unverständlich, erhalten. Gund kommt vor in den Namen Gunther oder Günther (ahd. gunthari, Kampfheer), Gundomar (kampfberühmt, von mâri berühmt), Guntram (Kampfesrabe,*) ram ist gleich raban), Gustav (Kampfstab, entstanden aus gundstaf und aus dem Nordisch-Niederdeutschen entlehnt), Hildegund und Gunhild, beides tautologische Bildungen, die eigentlich Kampfstreit bedeuten, Gudrun das ist Gundrun (von rûna, das Geheimnis), und andere mehr. Auch ein Appellativum gibt es, in dem das Wort gund steckt, aber das ist keine deutsche, sondern eine romanische Bildung: es ist das italienische gonfaloniere, das eigentlich den Bannerträger, jest einen Gemeindebeamten, meist den Bürgermeister, bedeutet. Die Deutschen haben im Mittelalter das Wort gundfano (die Kampfesfahne) nach Italien gebracht, dort ist es romanisiert, erweitert und umgedeutet worden.

Hild oder Hilt finden wir z. B. in Namen wie Hildebrand und Hilderich, sodann in den bekannten Frauennamen Brunhild (d. i. Brünnekampf), Krimhild (Helmkampf), Hildegard (Kampfheim), Klothilde (Ruhmkampf von hluod, der Ruhm) Machthild, später Mathilde (d. i. Machtkampf) Thusnelda(=Thursinhilda, d. i. Riesenkampf) und in den schon genannten Gunhild und Hildegund; und Hadu steckt

*) In der altgermanischen Poesie spielt der Rabe bei Schilderungen von Kämpfen eine große Rolle. Er folgt den zum Kampf ausziehenden Heeren und wartet gierig der Beute.

in Hadubrant, Hadumod, Haduwig (= Hedwig) und anderen. Hadu ist auch identisch mit dem nordischen Hödr, dem Namen des blinden Gottes, der den Baldr tötet. Das Wort wîg oder wîo haben wir schon in der eben angeführten Doppelung Haduwig bemerkt, außerdem erscheint es namentlich in dem bekannten Mannesnamen Ludwig (= Hluodwig), aber auch in Herwig und Hartwig und als erstes Kompositionsglied in Wichmann, Wichgram (= Kampfrabe), Wicher, Wigbert (kampfglänzend) und einigen anderen, während das stammverwandte Wiegand Partizipium von wîgan (kämpfen) ist. Ganz veraltet sind die mit badu oder patu gebildeten Namen, wie Baduhild, Paturich, Patufrid, dies eine seltsame contradictio in adjecto, man hat sie auch in der Neuzeit mehr zu beleben gesucht.

Abgestorben wie die eben genannten Ausdrücke ist auch das Wort werra, das mit wirren zusammenhängt, und ursprünglich nicht sowohl den Kampf oder den Krieg als die Begleiterschei= nungen des Krieges, die Unruhe, die Verwirrung meinte, also so ziemlich dem lateinischen tumultus entsprach. Rixas et dissensiones seu seditiones, quas vulgo werra vocant, heißt es in einem Kapitulare Karls des Kahlen. So mag denn, wenn der Feind ins Land brach und der Heerbann aufgeboten wurde, der Ruf werra, werra! durch die Lande geflogen sein. Dennoch hat fich die Bedeutung des Wortes in dieser Richtung nicht weiter entwickelt, es ist nicht wie das lateinische bellum auf den Begriff des Krieges festgelegt, und wo man es durch Krieg überseßen kann, klingen doch die eben angeführten Vorstellungen der Unruhe und des Wirrsals als Nebentöne deutlich mit oder vor, wie es denn meist in Verbindung mit einem andern den Hauptbegriff noch präziser wieder gebenden Worte erscheint. Das gilt allerdings nur für Deutschland. In England ist bekanntlich war schon lange der stehende Ausdruck, wenn man den Volkskrieg meint, ja das deutsche Wort ist bekanntlich ins Romanische übergegangen und hat in der romanisierten Lautform guerra, guerre die Funktion des abgestorbenen lateinischen bellum übernommen. In der Zeit der Sprachmengerei hat man es zurückgeholt. Die spanische Verkleinerungsform guerrilla wird noch heute in der tautologischen Mißbildung Guerrillakrieg angewandt.

Noch weniger hat ein anderes Wort die ihm innewohnende Grundbedeutung zur Reife gebracht, das ist das Wort „Ernst“ (mhd. ernust). Es meinte ursprünglich die Anstrengung, den Eifer, den Kampf und galt in diesem Sinne noch auf der Höhe

des Mittelalters. Aber da es vorwiegend gebraucht wurde, um den blutigen Ernstkampf im Gegensaß zum Schein- und Turnierkampf auszudrücken, trat der Hauptsinn mehr und mehr gegen den zugetretenen Nebensinn zurück, bis er zuleßt gänzlich verdunkelt wurde. Heute empfinden wir bei der Nennung des Wortes nur, was zunächst als Nebenfinn gemeint war, wie er im Gegensaße zu Schimpf oder Scherz zur Geltung kommt. Etwas mehr als im Deutschen hat im Englischen das Wort seinen Grundton festgehalten. Vollends aber im Nordischen hat es die ihm vorgezeichnete Bahn bis zum Ende verfolgt, wenn anders das nordische orrosta wirklich, wie man gewöhnlich annimmt, mit dem deutschen ernest identisch ist. Im Dänischen und Schwedischen verschollen, lebt es doch im Isländischen orusta fort und ist dort zum Deckwort für den Begriff des regelrechten Krieges (bellum) geworden.

Für diesen Begriff, d. h. für den Begriff des Volks. und Landkrieges, galt im Mittelalter das Wort urliuge. Wohl bedeutete es auch den Kampf im weiteren Sinne, aber es ist bezeichnend, daß es das eine Mal, wo es im Nibelungenliede vorkommt, von dem Volkskriege gegen die Sachsen gebraucht wird. urliuge ist ein aus den Fugen gegangenes Wort; es hätte urlage zu lauten als Oberstufe eines althochdeutschen urlagi, dem wiederum ein niederdeutsches orlag, ein angelsächsisches orlege, ein nordisches orlög entspricht. Das lehte Wort, eigentlich eine Pluralform, kennt man aus Bildungen wie Orlogsschiffe und Orlogsflotte, die aus dem Dänischen stammend gelegentlich auch im Deutschen verwendet worden sind. Alle diese Wörter bedeuten aber das Schicksal, eigentlich das Urgeseh oder wie das nordische orlög die Urgesetze - für den Krieg gewiß ein ebenso naheliegender als treffender Ausdruck. Ist doch auch heute noch tros aller Bestrebungen der Friedensfreunde und Humanitätsapostel der Krieg, um mit Schiller zu reden, das Schicksal und Geset der Welt.

Heute ist das Wort gänzlich veraltet, es gilt dafür bekanntlich das eben erst wieder genannte und viel gebrauchte „Krieg“. Das ist heute ein Ausdruck von imponierendem Gewicht. Aber wenn man seine Geschichte überblickt, sieht man, daß es eigentlich ein Emporkömmling ist, der von bescheidenen Anfängen aus langsam zu seiner dominierenden Stellung aufgestiegen ist. Auch seine Sippe ist weder vornehm noch alt. Man kennt das Wort kaum in der althochdeutschen Zeit. An der Schwelle des Mittelalters,

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