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visorischen Regierung, die Abweisung Cumberlands eine Revolution, gegen die das Reich hätte einschreiten müssen, denn nur bei wirklicher Hinderung galt das Regentschaftsgeseß. Als Revolution ist der Vorgang aber weder in Berlin, noch in Braunschweig aufgefaßt worden.

Es ist also zu konstatiren, daß das besprochene Kennzeichen des Bundes nicht vorhanden ist. Die Existenz der Braunschweigischen Regentschaft legt wie die der Reichslande dauernd Zeugniß ab gegen die föderative Natur des Reiches.

Wir kommen zu dem legten Kriterium des Bundes und fragen, ob das Reich durch übereinstimmenden Willen aller seiner Glieder aufgelöst werden kann. Es dürfte allerdings hartnäckige Vertheidiger des Bundesgedankens geben, die, allem Rechtsgefühl der deutschen Nation zum Troz, die Frage bejahen möchten, in Wahrheit fann niemals davon die Rede sein. Aber ich stüße mich nicht auf die allgemeine, feste Ueberzeugung, daß dergleichen thatsächlich nicht geschehen werde, sondern ich behaupte, daß es rechtlich nicht geschehen dürfe, daß die Auflösung, wenn sie wirklich vollzogen würde, einen Rechtsbruch bedeutete.

Eine solche Auflösung des Reiches müßte, wenn es ein Bund wäre, in derselben Weise geschehen, in der es nach der Föderationstheorie gegründet worden ist. Nicht ein Bundesrathsbeschluß, denn dieser würde auf der Reichsverfassung basiren, sondern ein formeller Staatsvertrag zwischen allen Gliedern des Reiches müßte jedes einzelne seiner Pflichten gegen die andern entbinden, Geseze aller einzelnen Staaten müßten die Gültigkeit der Reichsverfassung in den betreffenden Gebieten aufheben. Das könnte durchführbar scheinen, wenn nicht eine Potenz vorhanden wäre, die sich ganz zweifellos eine Existenz- und Wirkungsberechtigung neben den Staaten zuschreibt, sich niemals in solcher Weise zur Seite schieben ließe und lassen dürfte, die Vertretung des deutschen Volkes, der Reichstag. Dieser könnte einen solchen Auflösungsvertrag nicht billigen, weil er damit den Boden der Reichsverfassung verließe,

er darf nur Bundesrathsbeschlüssen zustimmen seine Einwilligung also gar keine Gültigkeit besäße; wäre es aber zulässig, daß die Staatenhäupter nur mit Bewilligung ihrer Parlamente den Reichszusammenhang lösten, so stände der Reichstag in Abhängigkeit von diesen Partikulargewalten, eine Annahme, die seiner anerkannten rechtlichen Stellung widerspräche. Er könnte vielleicht 3 abhängig betrachtet werden, wenn er von den Regierungen nur

zur Vereinfachung der Bundesaktionen, zur Vermeidung der vielen Einzelparlamentsverhandlungen gegründet wäre, wenn er mit den Einzelparlamenten wesensgleich, durch sie voll ersehbar wäre. Dann könnte das Reich, wie Seydel es bezeichnet,*) ein konstitutioneller Staatenbund sein. Die Möglichkeit dieses Begriffs gebe ich vollkommen zu. Solche Voraussetzungen sind aber in unserm Falle falsch. Mit der Gründung des Reichstags wurde der Nation eine seit Jahrzehnten erhobene Forderung gewährt, weil die EinzelLandtage ihrem politischen Bedürfniß durchaus nicht genügten, mit ihm erhielt sie unwiderrufliche Rechte, die sie bis dahin nicht in gleichem Maße besessen hatte. Deren Zurücknahme müßte das Rechtsgefühl des Volkes aufs Tiefste verlegen. Da nun die Rechtswissenschaft kein utopisches, sondern das geltende, allgemein anerkannte Recht lehren lehren und daraus ihre daraus ihre Folgerungen für Charakterisirung und Nomenklatur der Institutionen ziehen soll, so muß sie auch die Lehre, die Staaten könnten vertragsmäßig den Reichstag zur Seite schieben, könnten eine Trennung des Reichsverbandes vollziehen, als unrichtig verwerfen. Schon der Versuch der Regierungen, in nicht verfassungsmäßiger Weise über Angelegenheiten der Nation zu beschließen, würde als Rechtsbruch betrachtet und vom Reichstag als solcher gebrandmarkt werden. Diese Körperschaft ist eben ein Staatsorgan, ihr Bestehen muß uns jeden Zweifel an dem Staatscharakter des Reiches benehmen.

Darum finden wir auch so häufig gerade im Reichstag die staatliche Natur des Reiches hervorgehoben. Gewiß hat der falsche Begriff des Bundesstaates, wie M. Seydel sagt,**) „eine ganze Fülle von Verwirrung über die Reichstagsverhandlungen ausgegossen," aber man griff zu ihm, weil die Existenz des Parlaments mit einem wirklichen Bunde unvereinbar war. Hätte die Wissenschaft jenen Pseudobegriff nicht geboten, so hätte der Reichstag, wenn er seine Rechtsstellung nicht selbst verleugnen wollte, das Reich immer als wirklichen Staat anerkennen müssen, wie er es schon so wie so vielfach gethan hat.

Man könnte einwenden, auch der Norddeutsche Bund, der doch von mir als Staatenbund bezeichnet worden sei, habe ein Parlament gehabt. Gewiß, aber hier war die Möglichkeit der Auflösung, der Beseitigung des Parlaments gegeben, ja sie ist wirklich, wie

*) M. Seydel, Commentar S. XVI.

**) Kommentar S. 31.

Preußische Jahrbücher. Bd. LXXXIII. Heft 1.

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wohl in inkorrekten Formen, vollzogen worden, freilich nur unter der einen Vorausseyung, daß der Deutsche Staat gegründet würde, daß ein Deutscher Reichstag an die Stelle des Norddeutschen trat. In seinem kurzen Dasein hat der Norddeutsche Bund sich nicht als Staat erweisen können, in seinem Hingang hat er sich als Bund gezeigt. Freilich projektirte man 1870 wieder eine Föderation; aber unwiderstehlich brach sich die Erkenntniß oder wenigstens das Gefühl Bahn, daß dies ganz Deutschland umfassende, jezt unauflösbare System kein Bund mehr sein könne. Diesem richtigen Gefühl entsprang die Forderung der Namen „Kaiser und Reich“, die Erneuerung der Namen aber und die Art, wie sie vollzogen wurde, drückte der wirklich geschehenen Wiederherstellung des alten Reiches deutscher Nation den rechtlichen Stempel auf. Doch davon später. Hier ist nur zu konstatiren, daß beim Reiche auch das lezte Kriterium des Bundes, die Auflösungsfähigkeit, nicht zu finden ist.

Das Deutsche Reich ist sonach unzweifelhaft kein Bund, sondern ein souveräner Staat mit reicher, wenn auch wenig zweckmäßiger Gliederung in autonome Gemeinwesen. Diese Gemeinwesen haben manche Eigenschaften von Staaten, ihre Existenz ist mit so viel Garantieen umgeben, daß sie gesicherter dastehen, als souveräne Staaten von gleichem Umfang, ihre Oberhäupter genießen alle Ehren und viele Rechte von Staatsoberhäuptern, sie sind als ständige Theilhaber der Reichsgewalt vor allen Reichsangehörigen in eminenter Weise privilegirt. Dennoch gründen sich Existenz und Befugnisse der Staaten und ihrer Häupter auf eine höhere Macht, das Reich, selbst wenn man dieses als eine Neugründung auffaßt und die Staaten somit ein höheres Alter zu besißen scheinen. Sie sind, so will es die höhere Gewalt, autonome, nur hinsichtlich bestimmter Angelegenheiten beschränkte Gemeinwesen; ihre Oberhäupter, so will es jene Gewalt, führen Titel, üben Rechte wie Souveräne, die Rechtsbeziehungen der Staaten unter einander, auch dies ist von der Reichsgewalt festgesezt oder zugelassen, gleichen vielfach denen von verbündeten Staaten, ja, es wird amtlich von Bund und verbündeten Regierungen, Bundesgenossen 2c. gesprochen. Dennoch sind die Reichsglieder keine Staaten, dennoch ist das Ganze kein Bund, weil eben Alles auf der höheren Gewalt basirt, von ihr in solcher Weise geordnet ist. Nicht auf das Völkerrecht gründet sich die Territorial-Autonomie, sondern allein auf das in der Verfassung ausgedrückte Staatsrecht, auf das Reich. Auch dem Ausland gilt die Reichsgewalt als absolute Herrin innerhalb

der deutschen Grenzen. Etwaige Kompetenzstreitigkeiten können niemals vor das Forum fremder Staaten gezogen, müssen stets als interne Angelegenheiten behandelt und entschieden werden. Freilich ist es die offenkundige Tendenz des Reiches, jene Autonomie so wenig anzutasten, als es das Wohl des Ganzen irgend zuläßt; freilich herrscht an leitender Stelle das Bestreben, in Rücksicht auf fürstliche und partikularistische Illusionen die staatliche Natur des Ganzen künstlich zu verhüllen und amtlich zu leugnen, in wirklich ernsten Momenten aber wird, wie schon wiederholt geschehen, die Wahrheit jedem Einsichtigen klar vor Augen treten.

Mit dieser Auffassung kann man den Rechtszustand unseres Vaterlandes verstehen, alle Vorkommnisse vernünftig interpretiren, mit der Bundestheorie wird man überall auf Widersprüche und Absurditäten stoßen. Wer einen derartig organisirten Staat, dem der amtliche Titel „Bund“ angehängt ist, mit dem Namen „Bundesstaat" belegen will, der mag es thun, wiewohl mir der Ausdruck dezentralisirter Staat korrekter scheint; nur muß sich der Betreffende immer bewußt bleiben, daß jenes Gebilde troß gewisser Aehnlich feiten mit einem Bunde doch ein Staat ist im vollen Sinne des Wortes. Die Bezeichnung Bundesstaat“ darf nicht zum Vermittelungs-Ausdruck werden, wie sie in der Politik wohl manchmal angebracht sind, der Wissenschaft aber nicht ziemen.

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Für die praktischen Zwecke des Staatsrechts kann das eben gezogene Resultat genügen. Die Reichsgewalt hat, zwar gestüßt auf Abmachungen der Einzelstaaten, aber doch aus eigenem Recht die neue Rechtsordnung als Reichsgrundgesez erlassen. Diese Thatsache und der Wortlaut dieses Grundgesezes muß die Basis und die alleinige Basis aller staatsrechtlichen Erörterungen bleiben. Selbst wenn das Reich als eine Fortbildung des alten Staates zu erweisen ist, so liegt es doch im Sinne der neuen Verfassung, daß mit ihrem Erlaß alle früheren Reichsgeseße und Gebräuche als beseitigt zu gelten, daß sie alle in dieser Urkunde ihren vollen Ersatz gefunden haben. Aber wenn dem praktischen Juristen eine weitere Prüfung der Genesis unseres Gemeinwesens überflüssig erscheinen könnte, so bleibt es doch für tiefer denkende Rechtsgelehrte eine interessante, für Historiker aber eine nothwendig zu lösende Aufgabe*), die wahren Fundamente aufzusuchen, auf denen der

*) Es ist eine seltsame Behauptung, die mehrere von meinen Fachgenossen in ihren Rezensionen aufgestellt haben: die hier aufgeworfene Frage sei eine unnüze

Bau der deutschen Einheit beruht. Wenden wir uns zu dem Zwecke wieder der Kaiserproklamation zu.

Wir hatten, um die Richtigkeit ihres Inhalts zu erweisen, zuerst die Frage aufgeworfen, ob das alte und das neue Reich gleichartige politische Institutionen seien, und können diese Frage jezt dahin beantworten, daß sie beide als selbständige Staaten zu gelten haben, ein Resultat, aus dem sich die Möglichkeit eines staatsrechtlichen Zusammenhanges ergiebt. Weiter hatten wir zu fragen, ob eine Identifizirung des heutigen Kaiserthums mit dem ehemaligen, wie in jener Urkunde geschehen, zulässig sei, denn ohnedem wäre eine solche Kontinuität unmöglich. Auf diesen Punkt also werden wir jezt unsere Blicke richten müssen.

Ich habe in meinem Buche*) nachzuweisen versucht, daß die Art der Erhebung Wilhelms I. auf den deutschen Kaiserthron mit den Grundsäzen des alten Reichsrechts vereinbar war, daß sie von den Potenzen vollzogen worden ist, denen die Vollziehung ge= bührte. Die Anwendbarkeit des in der goldenen Bulle vorgeschriebenen Wahlmodus ließ sich nach deren eigenen Bestimmungen für diese Wahl bezweifeln, da das Recht der Kurfürsten an einen, diesmal längst überschrittenen Ausübungstermin gebunden war. Sonach blieb, wenn eine unanfechtbare Wahl zu Stande kommen sollte, nur übrig, daß sich alle im unbestrittenen Besitz von Reichsland befindlichen Potenzen zu einer Willenskundgebung entschlossen; denn daß diese Gewalten durch einstimmigen Beschluß rechtlich befähigt waren, einen Kaiser zu küren, ist in der ganzen Reichsgeschichte niemals angezweifelt und noch 1848 und 1870 mehrfach hervorgehoben worden. Die Formen, in denen dies geschah, hatten unter solchen Umständen keinerlei Bedeutung, denn jene vor dem 14. Jahrhundert geltenden Bräuche waren nie gesetzlich festgelegt und hatten nur den Zweck, unter damaligen schwierigen Verhältnissen jeden Zweifel an der Authentizität der fürstlichen Willensmeinung auszuschließen. Wer die im alten Reich herrschende Auffassung einigermaßen kennt, der wird zugeben, daß wegen der Gültigkeit einer Kur, wie sie 1870 vollzogen wurde, Niemand Bedenken hegen konnte. Bei zweifelhafter Wahl mochte die richtigere Form zuweilen ins Gewicht fallen, eine einstimmige war in jedem Falle unanfechtbar.

Spitfindigkeit und der Erwägung unwerth; als ob es nicht eine Hauptaufgabe der Geschichtsforschung wäre, den Ursprung der bestehenden Institutionen zu erfunden, gleichgültig ob dadurch praktischer Nußen erzielt wird oder nicht. *) I. Kap. 5.

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