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Was den Menschen unbekannt
Oder wohl veracht,

In dem himmlischen Gewand
Glänzet bei der Nacht.

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Es liegt auf der Hand, daß Frau von Stein hier die zweite Fassung des Goethe'schen Gedichts benugt hat. Da nun am Anfang des von Dünger veröffentlichten Blattes die Notiz steht „in Kochberg im September 1786 zu einer Melodie eines Volkslieds, das die Kantern auf der Zither spielt", so hat Dünger geschlossen, Goethe müsse das Gedicht an den Mond“ vor dem September 1786, also vor der italienischen Reise umgedichtet haben. Zwingend ist dieser Schluß nicht. Denn da die zweite Hälfte jener Notiz „zu einer Melodie eines Volkslieds u. s. w." nur auf ein Gedicht der Frau von Stein, und zwar auf das erste, „Ihr Gedanken. fliehet mich", Bezug hat, so haben die Worte „in Kochberg im September 1786" doch selbstverständlich auch nur für dieses Gedicht Gültigkeit. Das zweite Gedicht ist also später wegen der Aehnlichfeit der Stimmung beigeschrieben worden. Dazu stimmt, daß auf einer Kopie, die sicher vor dem 4. September 1790 gemacht ist, das erste Gedicht ohne die Travestie des Goethe'schen steht.*) Sie ist eben zu einer Zeit gemacht worden, wo die Travestie noch nicht beigeschrieben war.

Immerhin wäre es an sich wahrscheinlich, daß Frau von Stein das zweite Gedicht nicht allzu lange nach dem September 1786 beigeschrieben habe. Seßt es die Situation voraus, die durch Goethes Reise nach Italien zwischen beiden eingetreten war? Bei den Worten:

„Da des Freundes Auge mild

Nie mehr kehrt zurück.

Lösch das Bild aus meinem Herz
Bom geschiednen Freund"

liegt es nahe an den Herbst 1786, wo Frau von Stein sich mit dem Gedanken an ein Nimmerwiedersehen quälte,**) zu denken, besonders da wir geneigt sind unter dem „geschiednen“ Freund den „abgereisten“ zu verstehen. Es wird aber wohl in dem Sinne gesagt sein, in dem wir von „geschiedenen" Leuten oder einer „geschiedenen" Frau reden, und die Verse können sich sehr wohl auf

*) Die Kopie stammt aus Knebels Nachlaß. (Br. a. d. Frau v. Stein II2 630.) **) Schöll-Fielit a. a. D. 348.

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die Trennung beziehen, die im Jahre 1789 eintrat.*) Daß dem so ist, und die Verse thatsächlich erst nach Goethes Rückkehr aus Italien entstanden sind, ergiebt sich unwiderleglich aus den lezten Strophen:

"Seelig wer sich vor der Belt

Ohne Haß verschließt,

Seine Seele rein erhält

Ahndungsvoll genießt,

Was den Menschen unbekannt
Oder wohl veracht

In dem himmlischen Gewand
Glänzet bei der Nacht."

Mit diesen schwülstigen Worten kann nur die sittliche Reinheit gemeint sein, zu der Frau von Stein Goethe erziehen wollte. Sie sind mit bittrer Beziehung auf ihn gesagt, der sich von diesem Ideal so schnöde abgewandt hatte und seine Seele eben nicht rein erhielt."**) Während Goethes Abwesenheit in Italien hat die Veränderung, die Frau von Stein in diesen Strophen vornahm, gar keinen Sinn.

Es war also ein Irrthum, wenn man seit Düngers Veröffentlichung annehmen zu müssen glaubte, Goethe habe dem Gedicht „an den Mond“ schon vor seiner italienischen Reise seine jezige Gestalt gegeben. Ohne das irreführende Kochberger Blatt wäre wohl Niemand auf diese Idee gekommen. Denn was in aller Welt hätte den Dichter veranlassen sollen, in einem Gedicht, das in erster Linie der Frau von Stein galt, den Preis der geliebten Frau zu tilgen und dafür die traurigen Worte einzusehen:

Fließe, fließe, lieber Fluß!

Nimmer werd' ich froh;

So verrauschte Scherz und Kuß

Und die Treue so.

Ich besaß es doch einmal,

Was so köstlich ist!

Daß man doch zu seiner Qual

Nimmer es vergißt!

Noch im Jahre 1796 nennt Frau v. Stein die Loslösung Goethes einen Abschied.
Sie schreibt an Frau Schiller: „So bin ich durch Goethes Abschied für alle
mir noch bevorstehenden Schmerzen geheilt worden." (Ulrichs, Charlotte von
Schiller und ihre Freunde II 311.)

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**) So läßt Frau v. Stein in ihrer Dido" Ogon-Goethe sagen: „Ich war einmal ganz im Ernst an die Tugend in die Höhe geklettert, ich glaubte oder wollte das erlesene Wesen der Götter sein, aber es bekam meiner Natur nicht, ich wurde so mager dabei.“

Wie begreiflich ist das alles dagegen in den Sommermonaten des Jahres 1788. Wir wissen, wie es nach des Dichters Rückkehr zwischen ihm und der Freundin kälter und kälter wurde. Christiane trat bereits in sein Leben ein. Goethe ordnete in diesen Monaten die Gedichte für den 8. Band der Gesammtausgabe. Das Gedicht ,,an den Mond“ konnte schon aus formellen Gründen, wie es war, nicht in die Welt gehen. Bei der Umarbeitung ist das Bekenntniß Her aus dem Jahre 1778 zu einem Bekenntniß aus dem Jahre 1788

geworden. An die Stelle der ruhigen Freude über den Besitz ist die Klage über den Verlust getreten. Es ist eine Klage, kein Vorwurf. Die verlassenen Jünglinge, die sich die Verse zu eigen. machen, mißverstehen sie gründlich. Goethe wußte, daß er der Frau von Stein im Grunde so wenig vorzuwerfen hatte, wie sie ihm.

Einige Monate später hat der tiefe Schmerz, der diese Strophen durchweht, noch einmal im „Tasso“ seinen Ausdruck ge= funden. Für Tasso, wie er ist, kann die Gabe, die er so stolz rühmt:

„Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt,
Gab mir ein Gott zu sagen, wie ich leide“

nicht den Ersag für das verlorene Glück bieten, den er in einer
augenblicklichen Wallung von ihr erhofft. Goethe konnte so sprechen.
Und so wendet er sich auch in unserem Gedicht von der verlorenen
Liebe zu dem, was ihm treu geblieben ist, zur Poesie:

„Rausche, Fluß, das Thal entlang,

Ohne Rast und Ruh',

Rausche, flüstre meinem Sang

Melodien zu.

Wenn du in der Winternacht

Wüthend überschwillst,

Dder um die Frühlingspracht

Junger Knospen quillst."

Diese leyte Strophe, die in der ersten Fassung ziemlich bedeutungs los war, ist hier wunderbar verwerthet. Das wechselnde Leben des Flusses wird zum Symbol für die Elemente der Dichtung : Sturm der Leidenschaft und süße Anmuth.

Fast unverändert schließen daran die leßten Strophen des früheren Gedichts mit ihrem Preis der Freundschaft:

,,Selig, wer sich vor der Welt

Ohne Haß verschließt,

Einen Freund am Busen hält

Und mit dem genießt.

Was von Menschen nicht gewußt,
Dder nicht bedacht

Durch das Labyrinth der Brust
Bandelt in der Nacht."

Der Vorschlag Rößlers, unter dem hier genannten Freund den Fluß zu verstehen, damit die vier leßten Strophen des Gedichtes nicht in zwei disparate Theile auseinander fallen,*) unterliegt schweren Bedenken. Vorher ist der Fluß durchaus als Naturkraft gefaßt, und es wird von ihm nichts verlangt, als was er wirklich kann und thut. Wie unsäglich affektirt wäre es, diese Naturkraft plöglich zu personifiziren und ihr nicht allein eine Umarmung, sondern auch Verständniß zuzumuthen für das Seelenleben des Dichters.

Dieser Sprung wäre weit unerträglicher, als wenn wir annehmen, daß der Dichter hier zu dem Freunde zurückkehrt, den V. 8 bereits angekündigt hat. **) Es möge freilich dahingestellt bleiben, ob Goethe diese beiden Strophen zugesezt hätte, wenn eine Stunde das Gedicht gezeitigt hätte. Aber wir haben es mit einer Ueberarbeitung zu thun; bei der Entwickelung der Gedanken. wirkte das alte Gedicht stetig mit. Der Preis der Frau von Stein sezte sich um die Klage über ihren Verlust, der Preis des Herzogs erwecte die Frage, ob ihm das Glück dieser Freundschaft treu geblieben sei.

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Es ist bekannt, daß die Beziehungen Goethes zu Karl August öfters getrübt waren. Nie hat er aber über den Fürsten so bitter geschrieben als in den Sommermonaten des Jahres 1788, in dem unser Gedicht geändert wurde. Ueber die Familie Gores, der sich der Herzog damals mit Leidenschaft und Bewunderung hingab, schreibt Goethe: Gores sind recht gut, wenn man in ihrer Art mit ihnen lebt, sie sind aber in sittlichen und Kunstbegriffen so eingeschränkt, daß ich gewissermaßen gar nicht mit ihnen reden kann.“***) Als der Herzog dann wegen eines kranken Fußes das Zimmer hüten mußte, getrennt von den geliebten Gores und dem geliebten Militär, und Goethe viel um sich hatte, klagte dieser: „Es ist wieder ein rechtes Probestückgen wie er sich und andern das Leben sauer macht. Ich mache so ein gut Gesicht als möglich und bin in einer innerlichen Verzweiflung, nicht über diesen be

*) A. a. D. 159.

**) Diese Ankündigung verbietet auch die leßten Strophen so aufzufaffen, als ob der Dichter darin ein Glück priese, das ihm selbst versagt ist. ***) An Frau v. Stein am 12. August 1788.

sonderen Fall, sondern weil dieser Fall wieder sein und unser ganzes Schicksal repräsentirt. Ich mag nichts weiter sagen und flagen."*) Und in einem Brief an Herder vom 4. September 1788, der dieselben Klagen enthält, schließt er die Nachricht, daß er täglich viel mit dem Herzog zusammen sei, mit den Worten ab: „So vergeht eine Zeit nach der andern, man wird des Lebens weder ge= wahr noch froh." Aus Stimmungen dieser Art mögen jene Worte entstanden sein, mit denen Tasso es ablehnt bei seinem Fürsten Vertrauen zu suchen:

„Und so ist er mein Herr, und ich empfinde
Den ganzen Umfang dieses großen Worts.
Nun muß ich schweigen lernen, wenn er spricht,
Und thun, wenn er gebietet, mögen auch

Verstand und Herz ihm lebhaft widersprechen.“

In diesen Verhältnissen mußten auch die lezten Strophen des früheren Gedichts mit ihrer Erinnerung an die brüderliche Freundschaft mit dem Fürsten bittere Gedanken über die Gegenwart hervorrufen. Troßdem konnte Goethe diese Strophen stehen lassen; was ihm 1778 der Herzog gewesen, war ihm jezt Herder. „O mein Bruder," schreibt er diesem am 22. September 1788 nach Rom, welcher böse Geist trieb dich, mich zurückzuberufen? Ich hätte dich nun auffangen können und wir hätten sie alle ausgelacht."

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Die Freundschaft, die zwischen den Beiden in dem Jahrzehnt von 1783-1793 bestand, war um die Mitte dieses Zeitraums zu einer wahrhaft brüderlichen ́ Herzlichkeit gesteigert, und man muß sich wohl hüten, sich das Bild durch die späteren Gehässigkeiten trüben zu lassen. Es war anders zwischen ihnen als später zwischen Goethe und Schiller: in der Freundschaft der beiden Heroen hatten nur die höchsten menschlichen Thätigkeiten Interesse, für Goethe und Herder kam die ganze Existenz des andern in Betracht. So konnte Goethe schon im Jahr 1786 an die Stein von Herder schreiben: „Ich verliere viel, wenn er geht, denn außer Dir und ihm wäre ich hier allein."**) Wenn man diese Aeußerung neben die oben verwendete vom Jahre 1778 stellt („Sie und der Herzog wohnen über mir wie Nagel und Schleife daran Rahm und Gemählde hängt"), so erkennt man die ganze Veränderung der Verhältnisse.

*) An dieselbe am 24. August 1788. **) 14 Juli 1786.

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