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seiner Kundgebungen zu Gebote standen, seine Thätigkeit mit einer solchen Behauptung beginnen dürfen, wenn sie seiner Meinung nach der Wahrheit nicht entsprach? Seine klaren Worte bei dieser wichtigen Gelegenheit beweisen, daß es an die Bundestheorie nicht ernstlich glaubte. Doch nicht hierin suche ich die Bestätigung meiner Lehre, sondern in der Urkunde, mit deren Erlaß der neue Rechtszustand ins Leben trat, der Kaiserproklamation. Sie ist an das deutsche Volk gerichtet. Von berufenster Seite ist hier der Nation verkündet, wie die vollzogene Wandlung verstanden werden soll; und wenn uns nicht in klarer, unanfechtbarer Form der Beweis geliefert wird, daß ihr Inhalt den Thatsachen, der Rechtslage nicht entspricht, dann sind wir berechtigt und verpflichtet, daran festzuhalten. Bis jezt ist dieser Beweis nicht erbracht, im Gegentheil, ich glaube dargethan zu haben, daß wir in jener Kundgebung die volle geschichtliche, staatsrechtliche Wahrheit ausgedrückt finden.

Zum Schluß noch einige Worte über die Aufnahme, die meine Theorie in der Gelehrten- und Laienwelt gefunden hat. Daß sie von der Mehrzahl verworfen wurde, stand zu erwarten, trat sie doch zu sehr aus dem Gedankenkreis heraus, in dem man sich bisher bewegt hatte; aber leider bin ich durch sämmtliche geg= nerische Besprechungen nicht um einen Deut gefördert worden. Um die Methode meiner Widersacher zu charakterisiren, mache ich auf eine Rezension in der Deutschen Litteraturzeitung (1895 Nr. 11) aufmerksam, deren Lektüre ich im Interesse meiner Lehre angelegentlichst empfehlen möchte. Ihr Ton verbietet mir eine Widerlegung, ihr Inhalt macht sie überflüssig. Meine eigentliche Meinung, die wirklichen Fundamente meiner Beweisführung sind von jenen Rezensenten, auch wissenschaftlichen Autoritäten, offenbar garnicht erkannt worden, sie schieben mir die seltsamsten Behauptungen unter. Das mag zum Theil an der Anordnung des Stoffes liegen, durch die jene Fundamente minder klar hervortraten; ich habe deshalb diesmal einen anderen Weg eingeschlagen und die Konturen des Beweises möglichst freigelegt, - zum Theil an verschiedenen unwesentlichen Mängeln, die ich, wiewohl sie mir bisher Niemand vorgehalten hat, hier zu tilgen versucht habe, zum größten Theil aber ist die Schuld daran dem Vorurtheil zuzuschreiben, mit dem Jene an das Buch eines sogen. Dilettanten herangetreten sind, der geringen Aufmerksamkeit, die sie ihm geschenkt haben. Zu Entgegnungen sah ich also vorerst keinen Grund, doch stehe ich jedem ernsthaften, sachverständigen Gegner, der sich in ge

bührenden Formen hält, gern zur Verfügung. Ich möchte nur hervorheben, wie falsch es ist, meine Lehre, wie mehrfach geschehen, als kezerische Antastung einer festbegründeten Wahrheit zu behandeln und zurückzuweisen, wo es doch an einer anerkannten Wahrheit fehlt. Wenn es bereits eine haltbare, widerspruchslose Theorie gäbe, so würde ich gern vor ihr die Segel streichen, bis jezt ist mir aber keine begegnet, und so ist auch mein bescheidenes Schiff wie die anderen berechtigt, die hohe See zu befahren. Vielleicht ist es nicht gar so gebrechlich, wie man vielerseits zu glauben scheint.

Deutsche Geschichte vom wirthschaftlichen

Standpunkt.

Von

Felix Rachfahl.

Seit ihrer Neubegründung im Anfange dieses Jahrhunderts hat sich die deutsche Geschichtswissenschaft mit nimmer rastendem Eifer der Erforschung unserer nationalen Vergangenheit gewidmet. Durch die mühevolle und entsagungsreiche Arbeit von Generationen wurde ein unerschöpflicher Reichthum von Quellen erschlossen; auf Grund der neu gewonnenen Methode suchte man die einzelnen Begebenheiten und Perioden der deutschen Geschichte in zahllosen Monographien und Einzeldarstellungen vom Wuste befangener und falscher Ueberlieferung zu befreien und zur Anschauung ihres wahrheitsgetreuen Verlaufes vorzudringen; ausgehend von Anregungen, welche den Studien auf dem Gebiete verwandter Wissenschaften zu verdanken sind, begann man, Theile der inneren Entwickelung, die vorher kaum der Beachtung für werth befunden wurden oder doch nur einen Tummelplay dilettantischer Bestrebungen bildeten, mit erhöhter Sachkenntniß zu behandeln, und gelangte so zu fruchtbaren Ergebnissen, welche die werthvolle Voraussetzung einer vollkommeneren Erkenntniß des staatlichen Werdeganges unseres Volkes wurden. Schon längst freilich warf man der historischen Wissenschaft vor, daß sie sich in Einzelheiten verliere, daß sie sich in Spezialistenthum auflöse: sollte nun die Zeit gekommen sein, da es möglich wäre, die Summe all der ungeheueren Anstrengungen einer auf dem Grundsaye weitgehender Arbeitstheilung beruhenden intensiven Thätigkeit fast eines Jahr

hunderts zu ziehen? Es wäre gewiß ein Riesenwerk, für dessen Vollendung die Dauer eines Menschenlebens allzu kurz befristet erscheinen könnte. Nach drei Gesichtspunkten jedenfalls würde man den Werth einer derartigen Leistung zu bemessen haben, einmal ob die Darstellung der Größe und der Würde des Gegenstandes gerecht wird, sodann ob sie beruht auf einer verständnißvollen Zusammenfassung der bislang von der Wissenschaft festgestellten Rejultate, ob sie die bisherige Forschung gleichsam unter Dach bringt, und endlich ob sie getragen wird von einer tiefen und selbständigen Auffassung staatlichen und historischen Werdens überhaupt.

Augenblicklich ist ein Buch im Erscheinen begriffen, welches die Lösung dieser großen Aufgabe unternommen hat, und zwar, aus der Aufnahme zu schließen, die es gefunden hat, mit Beifall und Erfolg. Es ist dies die „Deutsche Geschichte“ von Karl Lamprecht.*) Das Ziel, welches sich der Verfasser gesteckt hat, ist kein niedriges. Das Buch bringt, wie die vorgedruckte Ankündigung besagt, neben der politischen Entwickelung vor Allem auch die Entfaltung der Zustände und des geistigen Lebens zur Darstellung“; es macht „den ernstlichen Versuch, die gegenseitige Befruchtung materieller und geistiger Entwickelungsmächte innerhalb der deutschen Geschichte klarzulegen, sowie für die Gesammtentfaltung der materiellen wie geistigen Kultur einheitliche Grundlagen und Fortschrittsstufen nachzuweisen“.

Inwieweit der Autor dieses Programm erfüllt hat, inwieweit sein Werk dem eben von uns gekennzeichneten Ideale einer Ge= sammtdarstellung der deutschen Geschichte nach Form und Inhalt entspricht, darüber ein Urtheil zu fällen, ist hier nicht der Ort. Nur die eine Frage wollen wir uns vorlegen, ob in dem Buche der Hauch einer eigenartigen und selbständigen Geschichtsauffassung zu spüren ist, durch die unsere Erkenntniß vom Wesen der staatlichen Entwickelung des deutschen Volkes vertieft und erweitert werde. In der That hat Lamprecht den Versuch gemacht, eine neue Anschauung der deutschen Verfassungsgeschichte zu begründen, deren Inhalt in die wenigen Worte sich fassen läßt: Der Prozeß staatlicher Entwickelung ist im Wesentlichen wirthschaftlicher Natur; wirthschaftliche Momente bestimmen vorzugsweise die Wandelungen

*) Karl Lamprecht, Deutsche Geschichte, Band I bis V, 1, Berlin 1891-94; Band I und II sind bereits in zweiter Auflage erschienen. Wie aus einer Bemerkung L's in der Deutschen Litteratur Zeitung 1895 Sp. 926 erhellt, wird die zweite Auflage auch der übrigen Bände nicht lange auf sich warten lassen.

Breußische Jahrbücher. Bd. LXXXIII. Heft 1.

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staatlichen Lebens in Deutschland; wie der fränkisch-deutsche Staat vom 7. bis 13. Jahrhundert der Naturalwirthschaft sein Entstehen verdankt, so auch ist die Geldwirthschaft die Grundlage aller späteren staatlichen Bildungen und insbesondere auch der neuen Einigung des deutschen Volkes in diesem Jahrhundert. Er ist bestrebt, den Nachweis für die Richtigkeit seiner Behauptung zu bringen, indem er dem Leser die Epochen der deutschen Verfassungsgeschichte vorführt und dabei den Einfluß schildert, den die wirthschaftlichen Zustände auf die Wandlungen des deutschen Staatslebens ausgeübt haben. Wir müssen daher sowohl prüfen, ob die von Lamprecht aufgestellte Perioden-Eintheilung berechtigt ist, als auch ob die Veränderungen in der Verfassung in der That ausschließlich oder doch vornehmlich auf wirthschaftliche Ursachen zurückzuführen sind. Am bestimmtesten hat der Verfasser seine Ansichten ausgesprochen in einer Stelle des vierten Bandes seines Werkes (S. 304); die dort niedergelegten Betrachtungen sind im Wesentlichen eine Wiederholung seiner Ausführungen in der Leipziger Festschrift zum deutschen Historikertage von 1894 (S. 165 ff.). Da dieser Passus des vierten Bandes für des Autors Geschichtsauffassung besonders charakteristisch ist, so geben wir ihn hier im vollen Wortlaute wieder, um dann an ihn unsere Kritik zu knüpfen:

Der Haupteinschnitt der deutschen Verfassungsentwickelung fällt in die Zeit der Staufer. Von hier aus erstreckt sich sechs Jahrhunderte rückwärts die Verfassung des fränkischen Reiches, wie sie im deutschen Reiche des 10.-13. Jahrhunderts fortlebte; von hier dehnt sich sechs Jahrhunderte vorwärts die Verfassung der immer selbständiger werdenden Landesstaaten aus, die in dem aufgeklärten Absolutismus des vorigen Jahrhunderts gipfelte. Und vor und nach diesen beiden großen Perioden liegen mehr demokratisch ge= kennzeichnete Verfassungszustände, der Staat der deutschen Urzeit und die konstitutionelle, dem Reichsgedanken dienstbar gemachte Monarchie des 19. Jahrhunderts".

„Die Wandlung von Zeitraum zu Zeitraum innerhalb dieser Grenzen wurde vor Allem durch wirthschaftliche und soziale Vorgänge veranlaßt. Der Völkerschaftsstaat der Urzeit mit seinem agrarischen Kommunismus und seinem kameradschaftlich-militärischen Freiheitsbegriff war eine Verfassung kriegerischen Nomadenthums und flüchtiger Besißnahme des Landes im Geschiebe der Völkerwanderung: der Lehnsstaat des fränkisch-deutschen Reiches war ein Erzeugniß der Naturalwirthschaft: der fürstliche Beamtenstaat mit

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