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entstehenden Lücken so weit wie möglich durch verwandte Gedankengänge aus anderen Reden Frommels ausgefüllt werden. Am schwierigsten gestaltete sich die Arbeit des Herausgebers in Frommels eigenen Handschriften, in denen Stellen vorkommen, die an den bezifferten Baß in den Bachschen Partituren erinnern: nur Melodie und Grundton, nur Stichworte, deren Verbindung zur Harmonie im Sinne des Meisters herzustellen dem Schüler überlassen bleibt. Alles in Allem habe ich mich gezwungen, möglichst wenig in die Handschriften „hineinzuarbeiten“, damit kein fremder Ton den Eindruck des Ganzen störe. Dieser Eindruck war bei den gesprochenen Reden der einer ungekünstelten Unmittelbarkeit, und gerade darin lag ihre Stärke, ihre Wirkung auf die Hörer. Sie hatten und haben nichts von der Art jener „marmorkalten Reden" an sich, aus denen das Leben entflohen ist, weil der Meißel zu viel daran gearbeitet, die in dem bewegten Augenblick wie eine eiskalte Hand wirken, die sich aufs warme Herz legt.

So sind denn auch die mitgetheilten Reden alle wirklich gehalten und nicht nur geschrieben; das gilt auch von denjenigen, von welchen nur der Gedankengang aufgenommen ist. Persönliche Beziehungen, Namen wurden jedoch nur da erwähnt, wo diese durch die geschichtliche Bedeutung der Betreffenden oder ihre Stellung im öffentlichen Leben, in Kunst oder Wissenschaft weiteren Kreisen bekannt sind.

Das Buch möchte den Amtsbrüdern unter den Freunden Frommelscher Art, vor Allem den jüngeren, einen Dienst thun, obgleich zu hoffen ist, daß sie nicht der ausschließliche Leserkreis der Reden bleiben werden. Nicht zum Kopiren, wohl aber um aus ihnen und an ihnen zu lernen, mögen unsere jungen Theologen diesen Band zur Hand nehmen. Sie werden darin Muster finden, wie man kasuell reden kann, ohne trivial zu werden; ex tempore"

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und doch „ex aeterno"; wie man dem schlichten Mann ebenso wie dem Hochgebildeten, bis hinauf zu denen, die auf den Höhen der Menschheit wandeln, muthig und treu zu Herzen spricht. Sie werden auf dem Wege, wo das Fallen so leicht, auf einem Gebiete, auf dem mehr denn irgendwo im Pfarramt gesündigt und versehen wird, in dem Buche einen Freund finden, der ihnen gute Führerdienste leistet und sie sit verbo venia vor Entgleisung

bewahren kann.

Und doch ist der Zweck dieses Bändchens nicht in dem eben Gesagten allein zu suchen.

Im Rahmen des Gedenkwerkes, in den sie durchaus hineingehören, sollten diese Reden zu dem Lebens- und Zeitbild, wie es die Biographie in ihren zwei Bänden zu zeichnen versucht hat, weitere Farben hinzufügen. Sie sollten die eigenthümliche Gestalt Emil Frommels auch nach der ihm besonders kongenialen Seite seiner pfarramtlichen Thätigkeit den Lesern der Lebensbeschreibung noch näher bringen. Lag doch gerade hier im „Kasuellen“, nach seiner eigenen oft ausgesprochenen Ueberzeugung, Frommels besondere Stärke. Hier offenbarte sich vor Allem der Künstler, der einen so mächtigen Theil seines Wesens bildete; hier zeigte sich noch mehr, als es in Predigt und Unterricht möglich war, das reiche und zarte Herz, das sich mit dem Takt der Liebe, die es nicht fertig bringt, zu verlegen, mit der Wärme der Empfindung, die selbst die Widerstrebenden mit sich zieht, in Stimmung und Verhältnisse, in Freud und Leid des Andern so ganz hineinversetzt; hier kam das intensive Mitfühlen mit seinen Hörern zur Geltung, das ihn stets so sprechen ließ, als handle es sich um seine eigensten Angelegenheiten, als seien es seine eignen Kinder, die er taufe, traue, segne, ermahne, seine eigenen Lieben, von denen er Eines zu Grabe trage. Hier

trat, besonders bei den Beicht- und Grabreden, das Sieghafte seines Glaubens und seiner Hoffnung hervor, seine charismatische Befähigung, mit dem Trost, mit dem er selbst getröstet worden, Andere zu trösten. Ich kann hier nur die Worte des Lebensbildes wiederholen: „Wenn Einem, so hatte ihm Gott gegeben eine gelehrte Zunge, zu reden zu den Müden zur rechten Zeit; ein Herz und ein Auge, zu weinen mit den Weinenden; eine Hand, wegzunehmen allerlei Lasten von den Menschenkindern“. Er pflanzte die Hoffnung am Grabe auf, wie Wenige, und nicht nur am Grabe des äußeren, auch des inneren Menschen. Denn seine Liebe glaubte Alles, hoffte Alles. Davon wird auch die nachfolgende Sammlung von Reden Zeugniß ablegen.

Und so denke ich mir denn schließlich den Kreis der Leser und den Nugen des Buches etwas weiter und größer, als er bei ähnlichen Veröffentlichungen sonst vorausgesetzt wird. Was Frommel selbst einst mit seinen leider nur in wenigen Seiten erschienenen „Kohlen auf dem Herd“ wollte, nämlich für die Feste des Hauses, für die Höhetage wie für die Trauertage, für die Weihestunden der Familie in Freud und Leid Gedanken und Bilder zum Nachsinnen und Bewegen zu geben (ähnlich wie er es für die Feste der Kirche in den „Festflammen" gethan): dies oder doch etwas davon können vielleicht die nachstehenden Reden erreichen.

Sie enthalten unter dem vergänglichen Gewand der Kasualrede, die zunächst nur auf den besonderen Fall des Einzelnen berechnet ist, eine Fülle bleibender werthvoller Gedanken, Anregungen zur sinnenden Betrachtung über Kindheit und Erziehung, Ehe und Beruf, Leben und Tod, Zeit und Ewigkeit, so daß auch der Laie um ihretwillen gern den Rahmen der „Amtsrede“, in den sie eingespannt sind, in den Kauf nehmen wird. Voraus

gesezt, daß er das Buch so benut, wie es gedacht ist: in dem Buche lesend, nicht das Buch, als ob es eine fortlaufende Geschichte wäre; so wird er, dessen bin ich gewiß, darin für manche Stunde seines Lebens, für die dunkelsten vielleicht am meisten, auch an seinem Theile Segen und Trost finden.

Leiha bei Roßbach, Prov. Sachsen,

Ostern 1902.

Bilo H. Frommel.

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