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Denn dieses Weltbild entspricht der Wissenschaft der damaligen Zeit in demselben Sinne, in dem unsre heutige Wissenschaft von Tertiärzeit, Diluvialzeit etc. redet, nur daß jene Wissenschaft einheitlicher und stabiler war als die unsrige, und daß sie mit ihren kosmischen Spekulationen einen weiteren Horizont hatte, als die heutige rein tellurische Weltbetrachtung. Aber der biblische Erzähler bekümmert sich um die Spekulationen nicht näher, ja er mißachtet sie und polemisiert wohl gelegentlich im stillen gegen die mythologische Gestaltung der Lehre, obwohl er als ein Kind seiner Zeit sie selbst nicht ganz vermeiden kann. Ihm kommt es auf Darstellung religiöser Gedanken an, und er erfüllt alte Formen mit neuem Inhalt1.

Für die einzelnen Punkte ist folgendes Material zur Vergleichung heranzuziehen:

Zu 1. Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde, und die Erde war tohu wa bohu. Diese Erde", von der 1 Mos 1, spricht, kann nicht unsre ,,Erde“ sein, wie die spätere Entfaltung des Begriffes zeigt. Aus der Erde = Tohu und Bohu entsteht ja hernach das dreigeteilte irdische All: der Lufthimmel, die Erde, das Meer. Dann wird also auch in dem Worte,,die Himmel" (im Anfang schuf Gott Himmel und Erde) das dreigeteilte himmlische All sich verbergen, wenn auch später die Trennung nicht aufrechterhalten wird. Es fehlen dem Erzähler die Worte, ebenso wie z. B. den Griechen, die Uranos und Gäa sagen, und damit die gesamte obere und die untere Welt bezeichnen. Die orientalischen Kosmogonien haben dafür künstliche mythologische Personifikationen, die die vereinfachte Darstellung nicht wiedergeben kann.

Das irdische All ist also chaotische Urflut. Die Lehre vom chaotischen Urwasser fanden wir in sämtlichen altorientalischen Kosmogonien. Aus dem Urmeer steigen die Welten empor, s. S. 6.

S.

1) Wir schicken diesen Grundgedanken, den ATAO1 in einem späteren Kapitel (S. 77 ff.) ausgeführt hatte, zum Verständnis voraus. jetzt auch Winckler F III, 386 f., der sich in gleichem Sinne ausspricht. Die Erzähler der Urgeschichten knüpfen an die Wissenschaft ihrer Zeit an, wie wenn etwa ein moderner Theologe, von der Darwinischen Weltentwickelung überzeugt, die Deszendenztheorie zur Grundlage eines Predigt-Vortrags über Weltschöpfung machen würde. Eine lyrisch-religiöse Weltbetrachtung, die sich wiederum an 1 Mos 1 anschließt, liegt bekanntlich Ps 104 vor.

Das Wort Tehom, der Name für die Urflut (ohne Artikel, also personifiziert gedacht), entspricht einerseits dem babylonischen Worte tâmtu,,Meer", das in dem S. 129 ff. besprochenen babylonischen Schöpfungsberichte die Urflut bezeichnet, die (vgl. 2 Pt 3, 5) die spätere himmlische und irdische Welt umfaßt; andrerseits dem mythologischen Begriff Tiâmat, dem drachenartigen Ungeheuer, dessen Besiegung durch den Lichtgott Marduk im babylonischen Epos Enuma eliš der Welt-Neuschöpfung vorausgeht. In dem Worte steckt ein Rest der Mythologisierung der Lehre, die dem Verfasser wohl bekannt ist, die er aber vermeiden will. Noch deutlicher zeigt sich die Mythologie in der Bezeichnung Tohu und Bohu. Wie Tohu Ti(h)âmat entspricht, so klingt Bohu an Behemot (behemat) an, den Namen. eines andren Chaosungeheuers. Beim Kampfe Marduks stellen zwei Ungeheuer das Chaos dar, Kingu und Tiâmat, s. S. 133. Ihnen entsprechen am Globus die Drachen am Nordhimmel und Südhimmel der Sternkarte 1.

Tohu und Bohu gehören der Urwelt an. Die phönizische Báu, die nach Philo die Mutter der Urmenschen ist, und die babylonische Muttergöttin Báu 2,.entsprechen" Bohu, sie gehören aber dem gegenwärtigen Weltäon an.

Zu 2. In dem Bilde,,der Geist Gottes brütet“ verbirgt sich ebenfalls ein Stück altorientalischer Lehre in mythologischer Gestalt. Der weltschaffende ,,Geist Gottes" ist im höheren Sinne das, was in der babylonischen Lehre Mummu (nach Damascius Movus,,,die intelligible Welt" ist, s. S. 6f. 83. Es ist die Sophia, die nach Spr 8, 22 ff. (S. 173) in der Urflut wohnt und die bei der Weltschöpfung wirksam ist. Das Brüten ist der formale Rest einer mythologischen Aussage. Nach einem ägyptischen Mythus (s. Brugsch, Religion 161) soll der Bildner Chnum auf der Töpferscheibe das Ei3 modellieren, welches das Licht in sich trägt.

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1) S. Lepsius, Reich Christi 1903, 227 der für Bohu behemot, ägypt. p-ehe-mau auf den ägyptischen Himmelsglobus weist, der an Stelle des nördlichen Drachens unsers Globus das Nilpferd zeigt. Daß der Verfasser von 1 Mos 1 die Chaosungeheuer kennt, zeigt die Erwähnung der Tanninim bei den Wassertieren, s. unten S. 166.

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Bau (Semiten 364

2) Wenn Hommels Gleichung der Göttin Gur und 379) sich doch bewährt, so ist II R 54, Nr. 3, 18 von Bedeutung, wo ilu Gur Am-utu-an-ki Mutter, die Himmel und Erde geboren" (s. Stucken, Astralmythen S. 71) sich findet.

3) Vgl. S. 167. Zum Weltei der phönizischen Kosmogonie s. oben S. 142. Zum indischen und chinesischen Weltei etc. S. 153, zum indischen Jeremias, A. Test. 2. Aufl.

II

Zu 3. In einer mythologischen Darstellung würde die entstehende Welt als Resultat des ,,Brütens des Geistes" dargestellt sein. Aber der religiöse Gedanke durchbricht die Form. Die Welt entsteht durch das Wort des unabhängig von der Welt und erhaben über der Welt waltenden Gottes. Hier ist nichts von Theogonie zu finden. Die Sicherheit, mit der hier,,Gott" gesagt wird, hebt die biblische Schöpfungslehre hoch empor über jede orientalische Kosmogonie.

Daß auch im Babylonischen der Gedanke eines Schöpferwerkes durch das Wort der Gottheit auftauchen konnte, mag andererseits als Beweis für das hohe geistige Niveau der babylonischen Religion gelten. Als Marduk in der Götterversammlung zum Rächer an Tiâmat und zum Himmelsherrn bestimmt ist, dem,,die Königsherrschaft über das ganze All insgesamt zukommen soll", soll er durch ein Wunderzeichen seine Herrschaft inaugurieren:

,,Sie stellten in ihren Kreis ein „,Gewand“, sprachen zu Marduk, ihrem Erstgebornen:

deine Schicksals(bestimmung), o Herr, stehe vor (der) der Götter! Vernichten und schaffen befiehl, so soll es werden!

Wenn dein Mund sich auftut, soll das Gewand vergehen! Befehl ihm wieder, so soll das Gewand (wieder) unversehrt sein! Da befahl er mit seinem Munde, da war das Gewand vernichtet, er befahl ihm wieder, da war das Gewand (wieder) geschaffen. Wie die Götter, seine Väter, sahen, was aus seinem Munde ausging, freuten sie sich, huldigten: Marduk ist König!"

Die Sache klingt kindisch, aber es liegt ihr ein tieferer Sinn zugrunde. Die Stelle gehört zu denen, in welchen der Rezitator Dinge, die den Hörern bekannt sind oder die umgekehrt vielleicht als Mysterium gelten, nur andeutet. Das ,,Gewand“ kann nicht ein einfaches Kleid sein. Dazu paßt das folgende,,unversehrt sein" nicht. Es wird sich um ein kosmisches Kleid handeln, das der Schicksalsbestimmung dient. Marduks Kleid Abb. 20 zeigt kosmische Figuren, die jedenfalls die Herrschaft über die Weltgeschicke darstellen. Wir werden bei Besprechung des biblischen Ephod und des hohenpriesterlichen Kleides mit seinen kosmischen Verzierungen (s. zu 2 Mos 28, 31 ff.) die gleiche Vorstellung finden. Die Krönungsmäntel, die sich einige der deutschen mittelalterlichen Kaiser ,,mit Darstellungen aus der Apokalypse" in Byzanz anfertigen ließen, werden ebenfalls die Weltherrschaft bedeutet haben.

speziell die höchst interessanten Bilder aus Niklas Müller, Glauben, Wissen und Kunst der Hindu, Mainz 1822.

Zu 4a. Im Lapidarstil berichtet der biblische Erzähler: ,,Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht!" Die heidnischen Kosmogonien sprechen in der uns überlieferten mythologischen Form von einem phantastischen Sieg des Lichtgottes über das finstere Urchaos. Denn die Welt ist aus dem Urchaos hervorgegangen, wie die neue Welt im Frühjahr nach Besiegung des Winterdrachens aus der Winterflut emporsteigt.

Daß Marduk als Lichtspender erscheint, gewinnt eine besondere Bedeutung, wenn man bedenkt, daß in der babylonischen Lehre Marduk, der Bringer des Lichts, als Sohn Eas mit Adapa, dem zêr amelûti, „dem Sproß der Menschheit", der auch das neue Zeitalter bringen wird, gleichgesetzt wird (s. S. 97 und 82). Auch an die biblische Lichtschöpfung, die der Sonne vorausgeht, haben sich bekanntlich Spekulationen von einem Schöpfungsvermittler angeschlossen, wenn sie sich nicht gar ursprünglich dahinter verbergen. Im 104. Psalm, der die sieben Schöpfungsakte lyrisch widerspiegelt, wird der erste Schöpfungsakt mit den Worten angedeutet: ,,der sich in Licht hüllt, wie in einen Mantel" und im Prolog des Johannesevangeliums, das absichtlich an 1 Mos 1 anknüpft (,,im Anfang") wird das Leben des Logos als das Licht charakterisiert, das von jeher alle göttliche Schöpfung durchwaltet; der erhöhte Christus der Apokalypse, der den Drachen besiegt und die neue Welt schafft, heißt Apk 3, 14 ,,Urgrund der Schöpfung Gottes". Das Licht. geht also mit gutem Grunde Sonne und Mond voraus, vgl. Jes 60, 20; Apk 22, 5 und 21, 23, wo das Licht vom dovíov ausgeht 2.

Zu den Zahlen 7 und 3 s. S. 57 ff. Im Epos Enuma eliš, das auf sieben Tafeln verteilt ist, läßt sich die Zahl der Schöpferwerke bei dem fragmentarischen Charakter der Tafeln nicht feststellen. Die Reihenfolge scheint nach den Aufzählungen im Lobpreis des Marduk auf der letzten Tafel so ziemlich mit der des biblischen Sechstagewerkes zu stimmen. Auch die Schöpfungswerke des babylonischen Schöpfungsberichts (S. 129 ff.) erinnern an die Reihenfolge in 1 Mos 1, nur daß im babylonischen Berichte der Mensch vorangeht, was andrerseits

1) Marduk als Sohn Eas entspricht also dem Logos als dem Mittler der Schöpfung. Wenn andrerseits Mummu (= Ea, s. S. 9) als vontòs xóoμos dem Logos entspricht, so ist das kein Widerspruch. Der Sohn entspricht dem Vater im neuen Weltäon. S. hierzu S. 82 f. Anm. 4. Christus, s. S. 69 BNT 16. Der Deutung Wincklers F. III, 282 kann ich mich nicht anschließen.

2),,Widder"

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zu I Mos 2 stimmt. Die S. 154 ff. mitgeteilte etruskische Lehre stimmt überein, ebenso der indische Bericht und der persische im Bundeheš, s. S. 147 ff. und 151f., vgl. auch das Wessobrunner Gebet S. 158.

Zu 4b. Entstehung des rakia' zur Trennung der oberen und unteren Wasser. Eine Spur von der Dreiteilung des himmlischen Alls, das wir in dem Begriff „,Himmel" S. 160 fanden, steckt in dem Begriffe rakîa'. Es ist dasselbe Wort, das Ez I, 22 ff., 10, I die Basis des göttlichen Thronwagens bezeichnet, der von vier Keruben, den Repräsentanten der vier Weltecken, getragen wird. Wenn der Erzähler v. 8 sagt: „,Gott nannte den rakia', der die oberen und unteren Wasser trennen sollte, ,Himmel", so kann nicht der „Himmel" in unserm Sinne gemeint sein'. Rakia heißt das ,,Festgestampfte", die Aufschüttung, entsprechend babylonisch šupuk. Es wird ausdrücklich rakia' des Himmels" (das ist babylonisch šupuk šamê) gesagt v. 14. 17. 20, und v. 14ff. entstehen am rakia' Sonne und Mond und kokabim (,,Sterne", speziell ist wohl an die Planeten gedacht),,als Merkzeichen". Daß der Verfasser von I Mos I die doppelte rakia' kannte, ist durch den Ausdruck rakîa ha šamaim bewiesen. Rakia' als himmlisches Erdreich ist also der Tierkreis; denn am Tierkreis wandeln die Zeitbestimmer. Für das alte Weltbild ist der Tierkreis als Offenbarungsstätte der Gestirne so wichtig, daß die andern Gebiete der himmlischen Welt in den Hintergrund treten. Rakia wird einfach für ,,Himmel" gesetzt 3. Auf das mythologische himmlische All wird dann in 1 Mos 1 völlig verzichtet. An seine Stelle ist der lebendige Gott getreten, der als Schöpfer dem Himmel und der Erde majestätisch gegenübersteht *.

1) S. S. 136 Anm. 4.

2) Chagiga 12b: „Es gibt zwei rakîa' nach 5 Mos 10, 14." Ib. 12a: ,,In die rakîa' sind Sonne, Mond, Planeten und Tierkreisbilder eingesenkt." Vgl. auch den hebr. Text von Si 41.

3) I Mos 1, 20 sollen die Vögel (Ps 104, 12,,Vögel des Himmels“),,hinfliegen am rakîa' des Himmels", das heißt an der uns zugewendeten Vorderseite der himmlischen Welt, die durch den Tierkreis repräsentiert ist. Der Glossator hat als Glosse vorgesetzt: „über der Erde".

*) Ich habe die Ausführungen aus ATAO1 78 wesentlich unverändert stehen lassen, bitte aber, jetzt Winckler F. III, 387f. (Glossen zur Genesis) nachzuprüfen, der meint, daß v. 6, wo der raķîa' geschaffen wird, in der Mitte der Wasser, um Wasser und Wasser zu trennen, das irdische Erdreich, der irdische rakia' gemeint ist, der als Aufschüttung entsteht, wie die Erde und der Tierkreis im babylonischen Schöpfungsbericht S. 129 ff.

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