Britte Periode. Die Begegnung. Noch seh' ich sie, umringt von ihren Frauen, Was ich in jenem Augenblick empfunden, Und als die Saiten lange schon geschwiegen, droben nur in sel'ger Geister Chören Werd' ich des Tones Wohllaut wieder hören! „Das treue Herz, das trostlos sich verzehrt, Und still bescheiden nie gewagt zu sprechen, Ich kenne den ihm selbst verborg'nen Werth; Am rohen Glück will ich das Edle rächen. Dem Armen sey das schönste Loos bescheert; Nur Liebe darf der Liebe Blumen brechen. Der schönste Schaz gehört dem Herzen an, Das ihn erwiedern und empfinden kann.“ An Emma. Weit in nebelgrauer Ferne Liegt mir das vergang'ne Glid, Nur an einem schönen Sterne Weilt mit Liebe noch der Blick; Aber wie des Sternes Pracht Ist es nur ein Schein der Nacht. Deckte dir der lange Schlummer, Dir der Tod die Augen zu, Dich besäße doch mein Kummer, Meinem Herzen lebtest du. Aber ach! du lebst im Licht, Meiner Liebe lebst du nicht. Kann der Liebe süß Verlangen, Emma, kann's vergänglich seyn? Was dahin ist und vergangen, Emma, kann's die Liebe seyn? Ihrer Flamme Himmelsglut, Stirbt sie wie ein irdisch Gut? Daß ja die Menschen nie es hören, Weil Freude nie sie selbst entzückt. Leis auf den Zehen kommt's geschlichen, Die Erwartung. Hör' ich das Pförtchen nicht gehen? Nein, es war des Windes Wehen, Stille, was schlüpft durch die Hecken Nein, es scheuchte nur der Schrecken O! lösche deine Fackel, Tag! Hervor, Rief es von ferne nicht leise, Nein, der Schwan ist's, der die Kreise Mein Ohr umtönt ein Harmonicenfluß, Hör' ich nicht Tritte erschallen? Des Tages Flammenauge selber bricht Nein, es ist der Säule Flimmern ! sehnend Herz, ergöße dich nicht mehr, Laß ihre Hand, die zärtliche, mich fühlen, Und leis, wie aus himmlischen Höhen Der Abend. Nach einem Gemälde. Sente, strahlender Gott, die Fluren dürsten Nach erquickendem Thau, der Mensch verschmachtet, Matter ziehen die Rosse Senke den Wagen hinab! Siehe, wer aus des Meers krystallner Woge Lieblich lächelnd dir winkt! Erkennt dein Herz sie? Rascher fliegen die Nosse, Thetis, die göttliche, winkt. Schnell voin Wagen herab in ihre Arme Springt der Führer, den Zaum ergreift Cupido, Trinken die kühlende Flut. Sehnsucht. Ach! aus dieses Thales Gründen, Die der kalte Nebel drüct, Könnt' ich doch den Ausgang finden, Ach, wie fühlt' ich mich beglückt! Dort erblick ich schöne Hüger, Ewig jung und ewig grün! Hätt' ich Schwingen, hätt ich Flügel, Nach den Hügeln zdg' ich hin. Harmonieen hör' ich klingen, Töne süßer Himmelsruh, Und die leichten Winde bringen Mir der Düfte Balsam zu. Gold'ne Früchte seh' ich glühen, Winkend zwischen dunkelm Lauv, Und die Blumen, die dort blühen, Werden keines Winters Raub. Ach wie schön muß sich's ergehen Dort im ew'gen Sonnenschein, Und die Luft auf jenen Höhen, wie labend muß sie seyn! Doch mir wehrt des Stromes Toben, Der ergrimmt dazwischen braust; Seine Wellen sind gehoben, Daß die Seele mir ergraust. Einen Nachen seh ich schwanken, Der Pilgrim. Noch in meines Lebens Lenze Zog ich fort mit Kindersinn. Denn mich trieb ein mächtig Hoffen Und ein dunkles Glaubenswort; Wandle, rief's, der Weg ist offen, Immer nach dem Aufgang fort. Bis zu einer gold'nen Pforten Du gelangst, da gehst du ein, Denn das Irdische wird dorten Shimmlisch unvergänglich seyn. Abend ward's und wurde Morgen, Nimmer, nimmer stand ich still; Aber immer blieb's verborgen, Was ich suche, was ich will, Berge lagen mir im Wege, Ströme bemmten meinen Fuß, Ueber Schlünde baut' ich Stege, Brücken durch den wilden Fluß. Und zu eines Stroms Gestaden Kam ich, der nach Morgen floß; Froh vertrauend seinem Faden, Warf ich mich in seinen Schooß. hin zu einem großen Meere Trieb mich seiner Wellen Spiel; Vor mir liegt's in weiter Leere, Näher bin ich nicht dem Ziel. Ach, kein Steg will dahin führen, Ach, der Himmel über mir Will die Erde nie berühren, Und das Dort ist niemals hier. Die Ideale. So willst du treulos von mir scheiden Kann nichts dich, Fliehende! verweilen, Erloschen sind die heitern Sonnen, Die einst das trunk'ne Herz geschwellt,*) Wie einst mit flehendem Verlangen und theilend meine Flammentriebe Es dehnte mit allmächt'gem Streben Die enge Brust ein kreisend All, Herauszutreten in das Leben, In That und Wort, in Bild und Schall. *) Im Musenalmanach vom Jahr 1796, wo dies Ge dicht zuerst erschien, findet sich nach diesen Worten folgende Stelle: Die schöne Frucht, die kaum zu keimen Die Wirklichkeit mit ihren Schranken Wie groß war diese Welt gestaltet, So lang die Knospe sie noch barg, Wie wenig, ach! hat sich entfaltet, Dies wenige, wie klein und karg!") Wie sprang, von kühnem Muth beflügelt, Wie leicht ward er dahin getragen, Die Liebe mit dem süßen Lohne, Doch ach! schon auf des Weges Mitte Sie wandten treulos ihre Schritte, Ich sah des Ruhmes heil'ge Kränze Und immer stiller ward's und immer Bon all dem rauschenden Geleite, Und du, die gern sich mit ihr gattet, *) Fier folgt in der ersten Ausgabe die Strophe: So sprang 2c. Des Mädchens Klage. Der Eichwald brauset, Die Wolken ziehn, Das Mägdlein sizet An Ufers Grün, Es bricht sich die Welle mit Macht, mit Macht, Und sie seufzt hinaus in die finst're Nacht, Das Auge vom Weinen getrübet, „Das Herz ist gestorben, Die Welt ist leer, Und weiter gibt sie Dem Wunsche nichts mehr. Du heilige, rufe dein Kind zurück, Ich habe genossen das irdische Glück, Es rinnet der Thränen Vergeblicher Lauf; Die Klage, fie wedet Die Todten nicht auf; Doch nenne, was tröstet und heitet die Brust Nach der süßen Liebe verschwundener Lust, Ich, die himmlische, will's nicht versagen. „Laß rinnen der Thränen Bergeblichen Lauf! Es wecke die Klage Den Todten nicht auf! Das süßeste Glück für die traurende Brust, Nach der schönen Liebe verschwundener Lust, Sind der Liebe Schmerzen und Klagen.“ Der Jüngling am Bache. An der Quelle saß der Knabe, Blumen wand er sich zum Kranz, Und er sah sie fortgerissen Treiben in der Wellen Tanz. Und so fliehen meine Tage, Wie die Quelle rastlos hin! Und so bleichet meine Jugend, Wie die Kränze schnell verblüh'n! Fraget nicht, warum ich traure In des Lebens Blüthenzeit! Alles freuet sich und hoffet, Wenn der Frühling sich erneut. Aber diese tausend Stimmen Der erwachenden Natur Weden in dem tiefen Busen Mir den schweren Kummer nur. Was soll mir die Freude frommen, Die der schöne Lenz mir beut? Eine nur ist's, die ich suche, Sie ist nah' und ewig weit. Sehnend breit' ich meine Arme Nach dem theuren Schattenbild, Ach, ich kann es nicht erreichen, Und das Herz bleibt ungestilt! Komm herab, du schöne Holde, Und verlaß dein stolzes Schloß! Blumen, die der Lenz geboren, Streu' ich dir in deinen Schooß, Sporch, der Hain erschallt von Liedern Und die Quelle rieselt klar! Raum ist in der kleinsten Hütte Für ein glücklich liebend Paar. Die Gunst des Augenblicks. Und so finden wir uns wieder In dem heitern bunten Reih'n, Und es soll der Kranz der Lieder Frisch und grün geflochten seyn. Aber wem der Götter bringen Wir des Liedes ersten Zou? Denn was frommt es, daß mit Leben Zuct vom Himmel nicht der Funken, Aus der Götter Schooß das Glück, Und der mächtigste von allen Herrschern ist der Augenblick. Von dem allerersten Werden Ist ein Lichtgedanke nur. Wie im hellen Sonnenblicke Iris durch den Himmel schwebt, So ist jede schöne Gabe Flüchtig, wie des Blizes Schein; Schnell in ihrem düstern Grabe Schließt die Nacht sie wieder ein. Berglied. Am Abgrund leitet der schwindlichte Steg, Er führt zwischen Leben und Sterben; Es sperren die Riesen den einsamen Weg Und drohen dir ewig Verderben, Und willst du die schlafende Löwin nicht wecken, So wandle still durch die Straße der Schrecken. Es schwebt eine Brücke, hoch über den Rand Der furchtbaren Tiefe gebogen, Sie ward nicht erbauet von Menschenhand, Es dffnet sich schwarz ein schauriges Thor, Bier Ströme brausen hinab in das Feld, Ihr Quell, der ist ewig verborgen ; Sie fließen nach allen vier Straßen der Welt, Zwei Zinken ragen in's Blau der Luft, Es ist die Königin hoch und Kar Die Stirn' umkränzt sie sich wunderbar Darauf schießt die Sonne die Pfeile von Licht, Anmerkung. Ldwin, an einigen Orten der Schweiz der verdorbene Ausdruck für Lawine. Der Alpenjäger. Willst du nicht das Lämmlein hüten? Spielend an des Baches Nanft. Mit des Hornes munterm Klang? Lieblich tönt der Schall der Glocken In des Waldes Luftgesang. „Mutter, Mutter, laß mich gehen, Schweifen auf den wilden Hdhen!" Willst du nicht der Blümlein warten, Die im Beete freundlich stehn? Draußen ladet dich kein Garten; Wild ist's auf den wilden Höh'n! „Laß die Blümlein, laß sie blühen! Mutter, Mutter, laß mich ziehen!“ Und der Knabe ging zu jagen, Und es treibt und reißt ihn fort, Rastlos fort mit blindem Wagen An des Berges finstern Ort; Vor ihm her mit Windesschnelle Flieht die zitternde Gazelle. Auf der Felsen nackte Rippen Klettert sie mit leichtem Schwung, Durch den Riß geborst'ner Klippen Trägt sie der gewagte Sprung, Aber hinter ihr verwogen Folgt er mit dem Todesbogen. Jego auf den schroffen Zinken Hängt sie, auf dem höchsten Grat, Wo die Felsen jäh versinken, Und verschwunden ist der Pfad. Mit des Jammers stummen Blicken |