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Sprache. Es muß noch früher, mindestens im vierten Jahrtausend, eine semitische Bevölkerung eingewandert sein. Was noch weiter rückwärts liegt, ist dunkel. Da die babylonische Schrift nach Ansicht der Philologen zur semitischen Sprache nicht stimmt, so nimmt man an, daß einem nichtsemitischen Volke die protobabylonische Kultur, insbesondere die Schrifterfindung zuzuschreiben sei, und da — freilich in sehr späten assyrischen Aufzeichnungen - von einer,,sumerischen Sprache“ die Rede ist, so spricht man von einer sumerischen Kultur, deren Erbe die babylonisch-semitischen Völkerschichten geworden seien.

Die Frage nach dem Charakter dieser protobabylonischen Kultur, die wir im folgenden zur Unterscheidung von den semitisch - babylonischen Epochen als die euphratensische bezeichnen wollen, ist noch lange nicht spruchreif.1 Die Hoffnung, das Problem auf Grund älterer neu entdeckter Literaturschichten lösen zu können, ist bisher immer von neuem gescheitert. Die ältesten bisher bekannt gewordenen Urkunden, die von Lagaš, verrieten immer wieder semitischen Charakter; dem Funde von Nippur wird dasselbe Geschick beschieden sein. Also von der ältesten Geschichte und von den Anfängen der Kultur wissen wir nichts.2

bereits vergeben; der Name gibt einen falschen Begriff. ,,Westsemitisch" (so neuerdings Hommel) schließt die Aramäer ein, die nicht dazu gehören. Im sog. Babel-Bibel-Streit hat der Ausdruck ,,Kanaanäer" zu argen Mißverständnissen geführt. Delitzsch spricht Babel und Bibel I, 46 von ,,alten kanaanäischen Stämmen, die sich um 2500 v. Chr. in Babylonien seẞhaft gemacht hätten". Nikel, Die Genesis S. 240 beruft sich darauf und meint,,,dann sei also Abraham, als er von Ur in Chaldäa nach Palästina zog, nur in die Stammsitze seiner Ahnen zurückgekehrt". Auch Ed. Königs Protest, Bibel und Babel 18 ff., hängt mit diesem Mißverständnis zusammen.

1) S. F. H. Weißbach, Die Sumerische Frage, Leipzig. J. C. Hinrichs, 1898; Halévy, Le Sumérisme et l'histoire Babylonienne, Paris, 1901. Verfasser hat seinen ,,antisumerischen“ Standpunkt in der Theologischen Literaturzeitung, 1898, Nr. 19, dargelegt. Das für Weltgeschichte, Religionsund Kulturgeschichte unerhört wichtige Problem kann jedenfalls nicht allein vom philologischen Standpunkte aus gelöst werden.

2) Die Unsicherheit in der Frage, wie weit die Babylonier „Semiten“ sind', ist für kultur- und religionsgeschichtliche Untersuchungen nicht von entscheidender Bedeutung. Häufig wird bei der Mahnung, man müsse das Material aus den Keilschriften mit Vorsicht benutzen, weil das Kulturleben von zwei Rassen stamme (so z. B. Curtiss, Quellen der ursemitischen Religion S. 35 f.), Kulturelles und Ethnologisches vermengt. ,,Semitisch" ist ein Begriff, der zunächst eine Sprachfamilie charakteri

Das Wesen der altorientalischen Lehre.

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In den Urkunden aber, in denen uns aus dem wallenden Nebel der für uns prähistorischen Zeit die ersten geschichtlichen Nachrichten entgegentreten, zeigt sich nun, daß nicht die Herrschaft der Gewalt und des Kriegs die Impulse zur Entwickelung des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens gibt, sondern daß neben den materiellen Bedürfnissen, die eine friedliche Entwickelung voraussetzen 1, das gesamte Denken und Tun des Volkes von einer geistigen Anschauung beherrscht wird, die auf der Beobachtung des Himmels und des Gestirnlaufs beruht. Die ältesten Urkunden sowie das gesamte euphratensische Kulturleben setzen eine wissenschaftliche und zugleich religiöse Theorie voraus, die nicht etwa nur in den Geheimlehren der Tempel ihr Dasein fristet, sondern nach der die staatlichen Organisationen geregelt sind, nach der Recht gesprochen, das Eigentum verwaltet und geschützt wird. Je höher das Altertum ist, in das wir blicken können, um so ausschließlicher herrscht die Theorie; erst mit dem Verfall der alten euphratensischen Kultur kommen andere Mächte zur Geltung.

Worin besteht Wesen und Art dieser Theorie, die einen weitgehenden und noch nicht genug gewürdigten Einfluß auf die geistige Entwickelung der Menschheit ausgeübt hat? Zunächst ist im Auge zu behalten, daß nach der gesamten orientalischen Anschauung die Lehre, die,,Wissenschaft", identisch ist mit Religion. Alles Wissen ist göttlichen Ursprungs, den Menschen von den Göttern überbracht, gelehrt, offenbart worden, und zwar das rein geistige Wissen so gut wie Künste, insonderheit die Schreibkunst, die Handwerke und Fertigkeiten. Die Pflege dieses Wissens ist Aufgabe des Priesterstandes, der eine Lehre feststellt, nach der alle Erscheinungen der Welt

siert. Die Kultur macht nicht Halt an den Sprachgrenzen. Die altbabylonische Kultur, ob sie nun ursprünglich semitisch oder nichtsemitisch ist, ist Gemeingut der gesamten altorientalischen Welt, nur daß sie sich vielgestaltig entwickelt hat. Mit der Unterscheidung Semiten, Hamiten, Japhetiten sollte man bei kulturellen Auseinandersetzungen allmählich aufräumen.

1) Daß die altbabylonischen Staaten unter sich auf den Frieden angewiesen waren und daß sie den Krieg, wie ihn die Einfälle der Elamiten und Kossäer brachten, als zerstörende Macht und nicht als Förderungsmittel politischer Entwickelung ansehen mußten, hat auch einen natürlichen Grund. Das paradiesische Land war von einem dichten Kanalnetz durchzogen. Eine politische Störung an irgend einem Punkte des Landes mußte Verstopfung der Kanäle und damit den Ruin des ganzen Landes mit sich bringen.

und die Einrichtungen des Lebens, die gesamte staatliche und gesellschaftliche Ordnung als Ausfluß des Willens und Waltens der Gottheit aufgefaßt und damit als berechtigt erwiesen werden.

Urkundliche Belege für dieses Grundgesetz altorientalischer Weltanschauung:

1. Die Schicksalstafeln“ tupšîmâte: „Tafeln der Schicksale"1, die das,,Gewölbe" 2 von Himmel und Erde festsetzen und auf denen „Befehle der Götter“, „das Leben der Menschen" geschrieben sind. Nebo trägt sie,,,der Schreiber des Alls“, auch Bel, „der Vater der Götter“; im Weltschöpfungsepos, das die Vorherrschaft Marduks, d. h. Babylons, verherrlicht, werden sie Kingu durch Marduk entrissen, s. Kap. III, der sie fortan auf Götterbeschluß als Besieger der Tiâmat und Schöpfer der neuen Weltordnung verwaltet.

2. Die Sage von Enmeduranki, dem siebenten Urkönig, dem gleich andern Urkönigen (vgl. hierzu Zimmern in Schrader KAT3 537 f.) für die Heroenzeit dieselbe Offenbarungsweisheit zugesprochen wird, die ursprünglich nur den Göttern zukommt (Bibliothek Asurbanipals, Text, Transkription und Übersetzung bei H. Zimmern, Beitr. zur Kenntnis der babylonischen Religion, S. 116 ff.): „,dem Enmeduranki, dem König von Sippar, dem Liebling des Anu, Bel und Ea .... haben Šamaš und Adad das Geheimnis Anus, Bels und Eas, die Tafel der Götter, die takaltu (,,Schreibtafel"?) des Geheimnisses von Himmel [und Erde], den Zedernstab, den Liebling der großen Götter, in die Hand gegeben. Er selbst aber, als er solches em[pfangen (?) hatte, lehrte (?) es seinem] Sohn“. Für die Richtigkeit dieser Ergänzung spricht der Schluß des Weltschöpfungsepos: „die fünfzig (Ehren)namen (des Marduk, der die Schicksalstafeln bekommen hat) sollen bewahrt werden, und der „Erste" soll sie lehren, der Weise und Gelehrte sollen sie miteinander überdenken, es soll sie überliefern der Vater, sie seinem Sohn lehren, dem Hirten und Hüter (?) das Ohr öffnen“.

3. Berosus, ein Priester des Marduktempels in Babylon ca. 275 v. Chr., der von einer mehrfachen Offenbarung der göttlichen Weisheit in verschiedenen Weltzeitaltern weiß, erzählt in seinem babylonischen Sintflutbericht, Kronos habe dem Xisuthros geboten, alle Schriften, Eingang, Mitte und Ende, nach Sippar zu bringen, um sie dort zu vergraben. Nach der Sintflut seien seine Kinder und Angehörigen nach Babylon gegangen, hätten die Schriften aus Sippar entnommen und unter den Menschen verbreitet. Es kann kaum zweifelhaft erscheinen, daß im Sinne des Sagenkreises zu diesen Schriften des Urkönigs Xisuthros Tafeln wie die des Urkönigs Enmeduranki gehörten.

4. Die Sage von Oannes, d. i. Ea, dem Gott der Weisheit, die erst in dem hier gebotenen Zusammenhange recht verstanden werden

1) Als Singular zu fassen? Nach Analogie der biblischen Gesetztafeln und der Urim und Tummim könnte man geneigt sein, an zwei Tafeln zu denken.

2) IR 51, Nr. 1, 24b und V R 66, 14 ff.b (Antiochos Soter). Jensen, Kosm. 162 (vgl. aber 505 f.) „,Kreis“, Zimmern,,Grenzkreis“-? Das Wort ist im Arabischen als astronomischer Terminus für „,Globus" erhalten.

Belege für die göttliche Ableitung der ao. Lehre.

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kann.1 Man beachte dabei, daß z. B. nach dem Schlusse des Weltschöpfungsepos die ursprüngliche Weisheit, die auf Marduk übertragen wird, diesem Ea zukommt, ferner, daß das priesterliche Wissen, das die Götter in der Heroensage Enmeduranki zuschreiben, ursprünglich. Ea zukommt, wie ja in den Ritualtafeln „das Geheimnis Eas", auch gelegentlich das Wort aus dem Ozean", dem Wohnsitz Eas, eine Rolle spielt. Oannes berichtet in seiner „,chaldäischen Archäologie“: „In Babylon hätten sich eine große Menge stammverschiedener Menschen, welche Chaldäa bevölkerten, zusammengefunden, die ordnungslos wie die Tiere lebten. Im ersten Jahre (nach der Schöpfung) sei aus dem erythräischen Meere, dort wo es an Babylonien grenzt, ein vernunftbegabtes Wesen mit Namen Oannes erschienen; es hatte einen vollständigen Fischleib, unter dem Fischkopf aber war ein andrer, menschlicher Kopf hervorgewachsen; sodann Menschenfüße, die aus seinem Schwanze hervorgewachsen waren, und eine menschliche Stimme. Sein Bild wird bis jetzt aufbewahrt. Dieses Wesen, so sagt er, verkehrte den Tag über mit den Menschen, ohne Speise zu sich zu nehmen, und überlieferte ihnen die Kenntnis der Schriftzeichen und Wissenschaften (μadnuárov) und mannigfache Künste, lehrte sie, wie man Städte bevölkert und Tempel errichtet, wie man Gesetze einführt und das Land vermißt, zeigte ihnen das Säen und Einernten der Früchte, überhaupt alles, was zur Befriedigung der täglichen Lebensbedürfnisse (quégwols) gehört. Seit jener Zeit habe man nichts anderes darüber Hinausgehendes erfunden. Mit Sonnenuntergang sei dieses Wesen Oannes wieder in das Meer hinabgetaucht und habe die Nächte in der See verbracht, denn es sei amphibienartig gewesen. Später seien auch noch andere dem ähnliche Wesen erschienen (ebenfalls aus dem erythräischen Meer, wie Syncellus in einem anderen Berichte hinzufügt), über die er in der Geschichte über die Könige berichten will. Oannes aber habe über Entstehung und Staatenbildung ein Buch (2óyos) geschrieben, das er den Menschen übergab.“ Helladius (bei Photius, s. Migne, Patrologia graeca Bd. 103) berichtet: „Ein Mann, namens 2s, der einen Fischleib, jedoch Kopf und Füße und Arme eines Menschen hatte, sei aus dem Erythräischen Meere aufgetaucht und habe Sternkunde und Literatur gelehrt." Hyginus (Fabulae ed. Schmidt, Jena 1872, fab. 274) sagt: „Euadnes, der in Chaldäa aus dem Meere gekommen sein soll, hat die Astrologie gelehrt." (Zu Ea-Oannes s. S. 29 und Abb. 10).

5. Der šipru (, Buch!)3 des Gottes Ea, dessen Beobachtung insbesondere dem Könige obliegt; IV R 48 (= Cun. Texts XV, 50), 7a; V R 51, 30b; vgl. meine Monographie über Oannes in Roschers Lexikon der Mythologie III, Sp. 590 f.: „Der König, der nicht auf das Recht achtet, Idem wird sein Volk vernichtet, sein Land verwüstet werden. Wenn der König auf das Gesetz seines Landes nicht achtet, so wird Ea, der Herr der Geschicke, sein Geschick ändern und mit einem widrigen ihn

1) In Verbindung mit Ea zuerst von mir in Roschers Lexikon der Mythologie III, Sp. 577 ff., dann von Zimmern KAT3 S. 535 f., zuletzt von Hrozný, MVAG 1903, 94 ff. besprochen.

2) IV R 21, 1 A, 41a; cf. auch KAT3 628, Anm. 2 (zu IV R 23, Nr. 1, col. 1, 6); ferner noch IV R 29, 40 f. a.

3) Der Stadtname Kirjat Sepher Jo 15, 15f. ist von hier aus zu verstehen!

verfolgen..... Wenn er auf das Buch des Ea achtet, so werden ihn die großen Götter zu gerechter Entscheidung und Bestimmung führen.“ Vgl. auch Cod. Hamm. Rs. 26, 98 ff.: Die Gesetze gehen vom Sonnengotte aus. 6. II R 58, wo Ea-Oannes als ,,Gott der Weisheit, der Töpfer, der Schmiede, der Sänger, der Kalû-Priester, der Schiffer, der Juweliere ... der Steinmetzen, der Metallarbeiter" genannt ist.

7. Die Tafel (duppu), auf der in dem Text der Bibliothek Asurbanipals K 3364 (Cun. Texts XIII, 29 f.) die Gebote über Opfer, Gebet, Freundschaft niedergeschrieben sind (s. Kap. VI).

Da diese,,offenbarte" Lehre den Zweck hat, die gesamten Erscheinungen der Welt und des Lebens als Ausfluß des gesetzmäßigen Waltens der Gottheit zu erweisen, so muß sie auf der Lehre vom Wesen der Götter beruhen. Die babylonischen Götter der ältesten euphratensischen Welt, soweit wir sie kennen, sind aber Astralgötter.1 Auf dieser Auffassung von den Göttern und auf ihrer Offenbarung in den Gestirnen beruht alle altorientalische2 Lehre und Wissenschaft.

Insbesondere werden frühe die Planeten als Dolmetscher (Four,vas) des göttlichen Willens gegolten haben. Der siebenstufige Turm von Borsippa heißt deshalb E-ur-imin-an-ki, d. h. ,,der Tempel der 7 Befehlsübermittler des Himmels und der Erde“. Der Tierkreis ist das Buch der Offenbarung, die Sternbilder sind der Kommentar.3 Aus ihrer Bewegung und aus der

1) S. S. 23.

2) Wir sagen „altorientalische“ Lehre lieber als „,babylonische“, um Mißverständnissen zu begegnen. „,Babylonisch" kann man sie nennen nur in dem Sinne, daß Babylonien in der ältesten uns bekannten Zeit als das Kulturland erscheint, von dem die Weltanschauung ausstrahlt und in dem wir sie besonders vollkommen und klar ausgeprägt finden. Die beiden anderen Kulturzentren des vorderen Orients, Ägypten und Arabien, zeigen die gleichen Grundlagen des Geisteslebens. Ebenso wird es sich mit Indien und China verhalten, wenn auch die Wege, auf denen die orientalische Geisteskultur dahin gezogen ist (jedenfalls war Elam eine Brücke), noch nicht klar liegen. Die Sage von der Uroffenbarung himmlischer Weisheit ist auch für China bezeugt. Zur Zeit des mythischen Kaisers Fuk-Hi (2852—2738) kam aus den Wassern des Flusses Meng-ho oder Hoang-ho ein Ungeheuer mit Pferdekörper und Drachenkopf, dessen Rücken eine mit Schriftzeichen versehene Tafel trug, auf Grund welcher die Schriftcharaktere, die Kreise der acht mystischen Diagramme und durch sie die Schrift erfunden sein soll. Und in Indien bezeugt die Form der Sintflutsage die Kenntnis von der Oannesgestalt. Denn sie berichtet, daß der warnende Gott in Gestalt eines Fisches erschienen sei, s. zur Sintflut Kap. IX.

3) Vgl. das šițir und šițirtu šamê, „die Schrift des Himmels“, und šițir burûme (das,,Blaue" des Himmels?) in den Keilinschriften, das Hi 38, 33 im mišțâr des Himmels wiederklingt. Vgl. Koran, Sure 16, 16: „Denn durch die Sterne werden sie geleitet." ,,In den Sternen steht's geschrieben.“

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