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angesehen ein neues Zeitalter und wir müssen annehmen, daß er eine Kalender- und Zeitrechnungsreform durchgeführt hat, welche für Babylon als maßgebend anerkannt wurde. Und Berosus erzählt ausdrücklich, er habe die Urkunden seiner Vorgänger zerbrochen, damit nur noch nach ihm datiert werde. Die babylonische Reform des Widderzeitalters ist nicht recht zur Geltung gekommen; denn sein astronomischer Beginn fiel mit dem allmählichen Niedergang der geistigen Oberhoheit Babyloniens zusammen.1

Mit diesem Wechsel der astralen Zeitalter hängen nun Mythen zusammen, die das Weltensystem widerspiegeln. H. Winckler hat nachgewiesen, daß diese Mythen für die Geschichtserzählung des Alten Orients eine fertig gelieferte Zutat bilden, die für den Schriftsteller dasselbe sind, was für den Dichter die Metrik und gehobene Sprache, für den Maler Linie, Schatten und Farbe ist. Insbesondere werden in jedem Zeitalter die Geschichtsanfänge so charakterisiert, daß die anhebende Person die Züge der astralen Gestalt trägt, die dem Anfangspunkt des Jahres (Zeitalters) entspricht. Aber auch über die übrigen Erzählungsstoffe spannt sich der Mythus gleich dem Netz einer entworfenen Zeichnung aus. Er zeigt sich in Wortmotiven, Wortspielen und Sagenmotiven, mit denen entweder die historischen Stoffe umrankt werden oder die an unwesentliche Züge der Geschichte angeknüpft werden, besonders gern auch in der Bildung künstlicher Namen und Beinamen. Die Geschichtserzählung der Alexanderzeit, der Perserzeit, die alt-römische Geschichte zeigt diese Erscheinung; in besonders hohem Maße die Geschichte Muhammeds und seiner Nachfolger. Besondere Erregung hat nun die Behauptung hervorgerufen, daß diese mythologisch-historische Erzählungsform auch bei den biblischen Geschichten ihr Wesen treibe. Wincklers Geschichte Israels II hat gradezu die Tendenz, an der biblischen Geschichte als einem besonders charakteristischen Beispiel die mythologische Darstellungsform nachzuweisen. Winckler geht hier über das Ziel hinaus, ist auch dem naheliegenden Trugschlusse, der mit dem Nachweis der mythologischen Züge die historische Tatsache eliminiert, anfangs nahe gewesen, hat aber im Schlußkapitel bei der Zusammenfassung der Ergebnisse ausdrücklich betont (S. 298), daß sich die richtige Erkenntnis dieser Ausdrucks- und Auffassungsweise des Altertums eben so gut mit der vollkommensten Gläubigkeit wie mit der weitgehendsten Zweifelsucht in bezug auf die erzählten Tatsachen vereinigen läßt. Jedenfalls handelt es

1) Wir nennen heute noch den Frühlingspunkt den Widderpunkt, obwohl die Präzession längst in die Fische gerückt ist. Vielleicht erklärt sich aus den „Fischen“ das Fisch-Symbol der ersten Christenheit (in den Katakomben-Lampen sind es zwei Fische, von denen einer den andern verschlingt; die Erklärung aus den Buchstaben des Wortes izús: Inoovs Χριστος θεου υἱος σωτηρ ist natürlich eine späte geistvolle Spielerei. Die Christen haben vielleicht unter dem Einflußß der orientalischen Gepflogenheit, die Zeitalter nach der Präzession zu charakterisieren, die neu angebrochene Aera mit den Fischen symbolisiert, um sie vom heidnischen Widderzeitalter zu unterscheiden. Das Bild der Fische ist langgestreckt und beginnt dicht beim Widder.

Mythus und Geschichtsschreibung. Der ,,kanaanäische" Kultus. 23

sich um eine epochemachende Entdeckung, die für das Verständnis des Alten Testaments von weittragender Wichtigkeit ist. Verfasser hat deshalb mit vollem Bedacht dem ,,mythologischen Einschlag“ in seiner Streitschrift,,Im Kampf um Babel und Bibel“ (4. Auflage 1903, J. C. Hinrichs) das Wort geredet und es wird eine Aufgabe auch dieses Buches sein zu zeigen, wie das altbabylonische Weltbild und der Weltenmythus seine Spuren in der alttestamentlichen Erzählungskunst hinterlassen hat.

Die gesamte bisher besprochene babylonische Weltanschauung beruht auf der Betrachtung der Gestirnwelt. Die babylonische Wissenschaft, die mit Religion gradezu identisch ist, beruht auf der Astronomie. Aber die ganze Anschauung mußte dazu führen, daß mit dem Umlauf der Gestirnwelt der Wechsel des Naturlebens in Beziehung gesetzt wird, um zu zeigen, wie eine Erscheinung aus der andern sich entwickelt, wie aus der toten Natur die lebende hervorgeht. Im Vergleich zur reinen Himmelsreligion bedeutet das die Hereintragung einer Disharmonie: es wird die Zerrissenheit des Naturlebens hereingezogen. Wir finden die naturalistischen Elemente (Gewittergott, Sturmgötter, Flurengötter) bereits in den ältesten religiösen Zeugnissen der babylonischen Literatur, die wir bisher besitzen. Aber es scheint, daß innerhalb der euphratensischen Kultur der reine Sternkult das Ursprüngliche ist. Das Hereinziehen des irdischen Naturlebens, die Betonung im Kultus, scheint unter den semitischen Völkern (vielleicht unter einer speziellen Schicht) im westlichen Vorderasien sich besonders ausgebildet zu haben in Zeiten relativer Unabhängigkeit von der euphratensischen Geisteswelt. In Babylonien würde die Hervorhebung im Kultus aber dann den ,,kanaanäischen Einwanderungen" zuzuschreiben sein, unter deren geistiger Mitwirkung ja die geuns bisher bekannte babylonische Keilschriftliteratur steht. Für außereuphratensischen und speziell,,kanaanäischen" Ursprung dieser Betonung im Kultus spricht der Umstand, daß die in den betreffenden Ideenkreis gehörenden, Leben und Sterben in der Natur verkörpernden Göttergestalten besonders im Kult der ,,kanaanäischen" Völker sich zeigen: Tammuz, Ašera, Adad.2 Davon wird S. 36 ff. ausführlicher die Rede sein.

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1) Daß die herrschende Bevölkerung zur Hammurabi-Zeit „kanaanäisch" ist, s. S. 1, Anm. 1, ist allgemein anerkannt (Jensen ausgenommen). Aber die Spuren dieser Kanaanäer gehen viel weiter zurück (vgl. IšmeDagan in der Dynastie von Isin ca. 2300; noch ältere Spuren im Obelisk des Maništusu [Scheil, Textes élam.-sém. 6 ff.; vgl. Zimmern, KAT 3 480 f., 484]).

2) So nennt die Bauernliste, die Sellin in Taanak aus altkanaanäischer Zeit fand, von den „babylonischen“ Gottheiten neben Bel nur Adad und Ašera.

Zweites Kapitel.

Kultorte und Hauptgestalten

des babylonischen Pantheons.

Wenn man die Stadtkulte der ältesten euphratensischen Staatengebilde, soweit wir Kunde von ihnen haben, überblickt, so könnte man auf den Gedanken kommen, daß auch diese von der oben geschilderten geistigen Idee und Kulturgemeinschaft beherrschten Staatengebilde das System des Himmelsbildes widerspiegeln sollen.1 Ist doch der König mit seinem Hofstaat Abbild der himmlischen Regierung (s. oben S. 3 f.). Jedes Stadtgebiet mit seinem Stufenturm versinnbildlicht die Planetenwelt im Kleinen. Der Stadtgott ist zwar für sein Gebiet der Götterkönig, aber die kleinen Tempel und Kapellen werden mit dem Stufenturm das himmlische System widergespiegelt haben. So rühmt und bevorzugt der vielleicht um 3000 anzusetzende König Lugalzaggisi von Erech die Göttin NidabaNisaba als seine Oberherrin (er nennt sich „,Held der Nidaba“), aber er verehrt nebenher Anu, Enlil d. i. Bel, Enki d. i. Ea, und Samaš, Sin nebst einer Reihe von Göttinnen, die ihre weiblichen Gegenstücke sind.

Der älteste Staat, den wir kennen, war das südbabylonische Sumer (wohl identisch mit Kingi). Die Städte, die dieses Staatsgebilde2 umfaßte, haben wie Ur in historischer Zeit ihre politische Bedeutung verloren, soweit sie überhaupt eine solche besessen haben (Eridu, Nippur). Aber ihre religiöse Bedeutung wurde nie vergessen. Diese Hauptorte sind:

Erech mit dem Tempel des Anu (E-ana) und der Ištar,
Nippur: Bel,

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1) Ob die Gottheiten des Weltsystems in einem fertigen Staatengebilde auf die Hauptorte gleichsam verteilt wurden, oder ob umgekehrt, was ja näher liegt, die Hauptkultorte mit ihren Gottheiten die Bildung des Systems beeinflußt haben, läßt sich bei der Dunkelheit der alten Verhältnisse natürlich nicht mehr entscheiden.

2) Zur Zeit Lugalzaggisis kann man wirklich von einem Staate Sumer sprechen.

Die Kultorte von Sumer und Akkad. ̧

25 Man sicht, daß in diesen fünf Hauptorten von Sumer die beiden. obersten Göttertriaden lückenlos vertreten sind.1

Das zweitälteste politische Gebilde, das wir kennen, ist das nordbabylonische Akkad. Ehe das zur Geltung gekommen ist, müssen politische Umwälzungen großen Stils vor sich gegangen sein, von denen wir nichts wissen. Dies zeigen die verschollenen Städte, von denen uns z. B. die Tempellisten von Telloh berichten, ferner die dunkle Vergangenheit von Borsippa, der Schwesterstadt Babylons, die mit ihrem Nebo-Kult in alter Zeit Babylon überragt haben muß. Wahrscheinlich ist Akkad erst durch die ersten semitischen Wanderungen in die Höhe gekommen. Leider haben hier noch nicht viel Ausgrabungen stattgefunden. Das Wichtigste haben uns die Grabungen von Sippar vermittelt. Aber es scheint, daß auch hier die Kultorte das astrale System widerspiegeln, und zwar das System der Planeten-Gottheiten

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Kiš (?) (Harsagkalama): Ninib-Mars (Zamama).

Auffällig ist, daß Sin fehlt. Vielleicht sind die mesopotamischen Gebiete mit dem Mondkult (Haran) hereinzuziehen. Ein Kultort des Ninib, des Partners Nergals, ist bis jetzt in Nordbabylonien nicht sicher nachzuweisen (in Südbabylonien wird er in Nippur bevorzugt). Von der obersten Göttertrias findet man in den bisher bekannten nordbabylonischen Kultorten nur Anu, den Gott von Durilu, der Grenzfestung gegen Elam, s. S. 28.

Eine völlig neue Periode babylonischer Theologie ist mit der Erhebung Marduks" unter der Hammurabi - Dynastie angebrochen. Babylon wurde Metropole des geeinigten babylonischen Reiches und zugleich der geistige Mittelpunkt des gesamten vorderen Orients. Die synkretistische Gestalt des Marduk von Babylon, die mit allen Hauptgöttern und Hauptkulten in Beziehung gesetzt und in diesem Sinne durch Mythen und Hymnen verherrlicht wird, gibt dieser politischen Tatsache das religiöse Relief.

1) Lagaš mit dem Ninib-Kult spielt nur eine kurze Zeit eine Rolle zur Gudea-Zeit.

Das Verhältnis der Götter, die in den astralen und tellurischen Erscheinungen sich kund tun, wird als das einer Familie vorgestellt. Die Genealogien richten sich nach dem System und wechseln mit dem System. Wie naiv sich die Phantasie das Familienleben der Götter ausmalt, zeigen die Mythen. Als z. B. der Vogel Zu (Verkörperung eines Windes) aus dem Palaste des Bel die Schicksalstafeln rauben will, wartet er, bis der Tag anbricht, bis Bel sich mit reinem Wasser gewaschen, auf seinen Thron gesetzt und die Krone aufgesetzt hat. Andre Mythen zeigen die Götter beim Mahle sitzen bei Nektar und Ambrosia. 1

Wir geben nun eine kurze Charakteristik der Hauptgestalten des babylonischen Pantheons, insbesondere in ihren Beziehungen zum astralen System.

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Samaš und Ištar2 Attar (männliche Ištar) Šamaš (weiblich)2

Anu.

Anu ist der Vater oder König in der Götterfamilie (ab, šar ilâni), der summus deus im eigentlichen Sinne. In der Zû-Legende z. B. spricht er zu den ,,Göttern, seinen Kindern". Der Anfang des Epos Enuma eliš zeigt die Götterversammlung als eine Familienzusammenkunft, bei der dem klügsten Sohne (Marduk) gewissermaßen vom Vater, der allerdings hier Anšar, nicht Anu ist, das Regiment abgetreten wird. Auch da, wo der Stadtgott als Götterkönig gilt, wird Anus Würde anerkannt. So sagt Hammurabi in der Einleitung seiner Gesetzessammlung: ,,Als Anu3, der Erhabene, der König der Anunnaki, und Bel,

1) S. KT 115; das egu am Schluß ist seiner Bedeutung nach unsicher. Die Deutung,,umhertaumeln" ist im Babel-Bibel-Streit voreilig gemißbraucht worden.

2) Daß Šamaš und Ištar als Geschwistergatten gelten, ist aus dem Tammuz - Mythus zu schließen.

3) Es ist das Zeichen An wohl zunächst ilu zu lesen, d. i. „kanaanäisch" êl; aber dieser ilu-êl entspricht dem babylonischen Anu, s. unten und vgl. ilu rabû von Deir

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Anu S. 28.

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