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Anu, der summus deus.

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der Herr von Himmel und Erde, welche festsetzten die Schicksale des Landes, Marduk, dem Herrschersohn Eas, die Herrschaft über die irdische Menschheit zuerteilt hatten usw."

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Der Sitz Anus (An =,,Himmel") ist der nördlich vom Tierkreis gelegene Himmel mit dem Nordpol des Himmels als Mittelpunkt. Dort ist sein Thron, auf dem er sitzt, von dem er aufsteht (z. B. im Adapa-Mythus). In speziellen astralen Vorstellungskreisen gehört ihm immer der höchste, d. i. der nördlichste Punkt (weshalb unter Umständen Sin = Anu und Ninib Anu1 gesetzt werden konnte, weil Sin und Ninib auch in ihrer Weise die obersten, nördlichen Punkte beherrschen; s. S. 15 f.). Insbesondere wird man sich vorzustellen haben, daß die 7 Stufen des Tierkreises, die hinauf zum Nordhimmel führen, den Zugang zum,,Himmel Anus" bilden. Wenn Ištar auf der VI. Tafel des Gilgameš -Epos im Zorn zum Himmel ihres Vaters Anu emporsteigt, wenn die Götter aus Schrecken über die Sintflut „empor zum Himmel des Anu“ steigen und an den kamâti (das ist wohl die Mauer der obersten der Kreisstufen, die nach S. 11 den Tierkreis hinaufführen) niederkauern, so muß man an ein Emporsteigen auf den Tierkreisstufen denken, so wie bei der Götterdämmerung die Götter auf den 7 Regenbogenstufen zu Walhall emporsteigen (s. zu 1 Mos 9, 13).

Die kanaanäische Benennung dieser obersten Gottheit ist ilu (d. i. ¿x), vgl. S. 28 oben. Sofern die altisraelitischen Gottesvorstellungen wie in den Namen (s. Kap. XV) so in den Einzelvorstellungen an gegebene menschliche und anthropomorphische Vorstellungen anknüpfen, ist bei Erzählungen wie 1 Mos 11, 8 ff. (Gott fährt vom Himmel herab beim Turmbau), 1 Mos 28, 12 (Jahve wird von dem Redaktor, der zwei Berichte verbindet, als oben an der Himmelsleiter stehend gedacht) an Anu-Vorstellungen zu erinnern.

Die besonderen Kultorte des Anu sind, soweit wir es bisher übersehen können, in Südbabylonien Erech: der Tempel heißt E-ana, die Stadt in der sog. Dibarra-Legende (KB VI, 56 ff.)

1) S. zu diesen mythologischen Identifizierungen S. 34 und vgl. 15f. und 18.

2) Vgl. Zimmern KAT3 S. 352 f., der auch erörtert, ob der Name Anu im A. T. direkt erhalten ist. Zimmern hängt, wie mir scheint, hier und anderwärts zu viel an einen Nagel. So ist z. B. der ,,Thron" nicht spezifisch dem Himmelsgott eigen. Es ist auch von Bels Thron und von Eas Thron usw. die Rede. Der ,,Lichtglanz" und die ,,himmlische Königsherrschaft“ sind auch nicht speziell Anus Attribute. Bei pasikeic τοῦ Θεοῦ, τῶν οὐρανῶν liegen m. E. und zwar nur was die Form der Aussage anlangt — allgemeinere religionsgeschichtliche Beziehungen zum alten Orient vor.

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,Wohnung Anus und der Ištar“; in Nordbabylonien ist es Durilu d. i. Dêr gewesen. Neb. I. nennt (KB III, 1, S. 165) Dêr die ,,Stadt des Anu" und in der Epon. Chronik für die Jahre 834, 815 und 786 (KT S. 76 f.) wird bemerkt: ilu rabû, der aus Dêr auszieht.

Die weibliche Hälfte Anus heißt Antu.1

Bel.

Bel, dessen alter,,sumerischer" Name In-lil2 lautet, ist Herr der Erde3 und zwar sowohl der himmlischen Erde, d. i. des Tierkreises, als auch der irdischen Erde. In diesem wie jenem Sinne heißt er šadû rabû, denn sowohl das himmlische als das irdische Erdreich ist als Berg gedacht (harsag-kurkura) oder bel matâti,,Herr der Länder" (nämlich der himmlischen wie der irdischen bewohnten Länder im Gegensatz zu Luft und Meer). Bei seinem Charakter als ,,Herr der Länder" ist es erklärlich, daß er zuweilen in der Rolle des Anu, des summus deus, erscheint. So wurde ihm (z. B. im Zû-Mythus) gelegentlich der ursprüngliche Besitz der Schicksalstafel zugeschrieben, die sonst Kingu zukommen, und die in den verschiedenen Phasen der Entwickelung des astralen Systems dem Nebo und später dem Marduk übergeben werden (s. S. 4).*

Sein besonderer Kultort war in Südbabylonien Nippur. Sein Tempel hieß E-kur (d. i. vielleicht dasselbe wie kurkurá ,,Tempel der Länder", nicht ,,Berghaus").

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1) Jede Gottheit der Naturreligionen hat eine weibliche Hälfte, s. mein Im Kampf um Babel und Bibel S. 19. Alle Göttinnen aber sind im letzten Grunde Erscheinungsformen der Göttin, der Ištar (s. S. 36 ff.). 2) Was der Name bedeutet, wissen wir nicht. Hommels Erklärung ,,Herr der Luft" ist nicht zu erweisen. Jedenfalls ist Bel nicht „Herr der Luft" im Gegensatz etwa zu En-ki als „Herr der Erde", s. unten S. 29. Die Ausführungen Zimmerns KAT S. 355 kombinieren in nicht glücklicher Weise die von Hommel, Jensen und Winckler aufgestellten Theorien. Insbesondere ist nicht richtig, daß vom Bel-Kult in Nippur viel auf Marduk übertragen sei. Daß die Schreibung In-lil auch In-lil ausgesprochen wurde, also nicht nur Ideogramm ist, zeigt die Wiedergabe "Ivos bei Damascius; in den alten epischen Texten aus der HammurabiZeit (Cun. Texts XV, 1-6) heißt er Lillu, Lellu, vgl. IV R 27, 56 f.

3) Vgl. Sintfl. 36 f.:,,Weil Bel mich haßt, will ich auf der Erde (kakkar) Bels nicht länger weilen, zum Ozean will ich hinabgehen, mit Ea, meinem Herrn zu wohnen."

4) Die S. 5 f. zitierte Überlieferung setzt voraus, daß auch Ea, der dritte der großen Trias, gelegentlich als Besitzer der Schicksalstafeln gedacht ist.

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Die weibliche Hälfte Bels heißt Belit; ihr alter Name ist Nin-lil oder Ninharsag; der letztere Name entspricht dem šadû rabû als Beiname Bels, er bedeutet,,Herrin des Berges" im oben gedeuteten Sinne.

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Ea.

Ea, auch umgekehrt A-e gelesen (Aos bei Damascius), ,,sumerisch" En-ki. Der Name Ea drückt seine Beziehung. zum Wasser aus (a Wasser), der Name En-ki vielleicht seine (indirekte) Beziehung zur Unterwelt (ki, s. oben S. 10). Im Gegensatz zu Anu (Himmel im doppelten Sinn) und Bel (Erde im doppelten Sinn) ist er Herr des apsû, d. i. des Ozeans, sowohl des Himmelsozeans, d. i. des Südhimmels, als auch des irdischen Ozeans, der die Erde umgibt und unter der Erde strömt. Der apsû selbst wird deshalb als ZU-AB,, Weisheitshaus" gedeutet, denn aus ihm steigt (vgl. die Oannes-Sage, s. S. 5) die Weisheit Eas und das Wort Eas empor.1 Ea ist der Oannes des Berosus, s. S. 5 und Abb. 10.

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Abb. 10: Ea-Oannes-Relief aus Kujundschik.

Sein besonderer Kultort ist Eridu 2, d. i. Abu Šahrein, südlich (!) von Ur gelegen, s. die beigeg. Karte. Sein Tempel in Eridu heißt bezeichnend E-apsû,,Haus des Ozeans" (Gesetze Hammurabis, Einleitung II, 1). Aus den Kultvorschriften, bei denen das Wasser,,an der Mündung der Ströme" eine große Rolle spielt, darf man entnehmen, daß in uralten Zeiten Eridu am Meere lag und daß Euphrat und Tigris dort ursprünglich getrennt in das Persische Meer mündeten. Bei den Schilderungen des Heiligtums in den religiösen Texten ist es nicht immer möglich, zu unterscheiden, ob das irdische Eridu oder das entsprechende kosmische Heiligtum des Ea gemeint ist. Der Tempel von Eridu heißt Esagila (s. KT 99), wie der (als Übertragung zu erklärende?) Marduk-Tempel von Babylon.

Ea erscheint als der Gott der Weisheit und Kunst, als Schutzgott der Handwerker und als Gesetzgeber, s. oben S. 6

1) Vgl. unten zur Weisheit in den Sprüchen Salomonis.

2) Auch in Šurippak, Girsu, dem Kultort des Nin-Girsu und in Erech hat Ea besondere Heiligtümer.

Der Magier sagt: „Der große Herr Ea hat mich gesandt, seinen Zauberspruch hat er mir in den Mund gelegt". Regelmäßig ist sein Kult mit der Vorstellung von heiligem Wasser verbunden. VR 51 tritt in einem kultischen, offenbar aus Eridu stammenden Texte der Priester in einem ,,Gewande aus Linnen von Eridu“ an der Schwelle des ,,Hauses der Reinigung“ dem Könige entgegen und grüßt ihn mit dem dreiteiligen Segensspruch und spricht: Ea möge sich über dich freuen, Damkina, die Königin der Wassertiefe, erleuchte dich mit ihrem

Angesichte, Marduk, der große Aufseher der Igigi, möge dein Haupt erheben.

Der,,Sproß der Menschheit" (zer amelûti), den Ea in Eridu schafft und der dort Adapa heißt, erscheint in den mythologischen Texten als Marduk, Sohn des Ea.1 Er ist in dem Kap. III wiedergegebenen Schöpfungsbericht der Demiurg, der die Erde und die Menschen geschaffen hat, und begegnet in den Beschwörungstexten von Eridu als der Helfer und Bannlöser, der alles Leid heilt und der es liebt, ,,von den Toten zu erwecken".2 Dieser Marduk ist m. E. die erhabenste Schöpfung der religiösen Spekulation im alten Zweistromlande. Bei den Beschwörungen entwickelt sich zwischen Vater und Sohn regel-mäßig ein Zwiegespräch, in dem der Vater dem Sohne das gleiche Wissen und die gleiche Macht zuschreibt. Zur Illustration seien einige der Texte (s. Zimmern, Beiträge zur Kenntnis der bab. Religion S. 25 ff.) in Übersetzung mitgeteilt:

Beschwörung. Ein böser Fluch hat wie ein Dämon einen Menschen befallen, Jammer, Schmerz

unseliger Jammer

hat ihn befallen,

hat ihn befallen,

ein böser Fluch, Bann, Seuche!

Jenen Menschen schlachtete der böse Fluch
sein Gott wich von seinem Leibe,
seine fürsorgende Göttin

wie ein Lamm dahin,

stellte sich abseits,

Schmerzensjammer verhüllte ihn wie ein Kleid und überwältigte ihn. Da erblickte ihn Marduk,

zu seinem Vater Ea trat er ins Haus und sprach:

1) S. meine Monographie über Marduk in Roschers Lexikon der Mythologie II, Sp. 2340 ff., wo ich aber die ursprünglich selbständige Bedeutung dieses Marduk von Eridu gegenüber dem Marduk von Babylon noch nicht klar erkannt hatte. Auch Hehn: ,,Hymnen und Gebete an Marduk" (Inaug. Dissert.) hat den Unterschied nicht erkannt.

2) IV Esr 13, 25 f. (Kautzsch, Pseudepigr. 396):,,Wenn du einen Mann aus dem Herzen des Meeres hast emporsteigen sehen: das ist der, durch den er die Schöpfung erlösen will." Das ist Marduk. Vgl. S. 8o.

Marduk, Sohn des Ea.

Mein Vater! Ein böser Fluch hat wie ein Dämon

Zum zweiten Male erzählte er es ihm.
Nicht weiß ich, was jener Mensch begangen,

Ea antwortet
seinem Sohne Marduk:
Mein Sohn! Was wüßtest du nicht,

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einen Menschen befallen.

und wodurch er genesen wird.

was könnte ich dir noch mehr sagen;

was könnte ich dir noch weiter sagen?

Marduk! Was wüßtest du nicht,

Was ich weiß,

das weißt auch du.1

Geh aber hin, mein Sohn Marduk!

Zum Hause der heiligen Besprengung bring' ihn,

seinen Bann brich,

seinen Bann löse!?

Das quälende Übel seines Leibes,

ob ein Fluch seines Vaters,

ob ein Fluch seiner Mutter,

ob ein Fluch seines älteren Bruders,

ob ein Fluch der Mörderin,

die dem Menschen unbekannt,

der Bann werde durch die Beschwörung Eas

wie eine Zwiebel abgeschält,

wie eine Dattel abgeschnitten,

wie eine Palmenrispe aufgebrochen!

Bann! Beim Himmel sei beschworen, bei der Erde sei beschworen!

In einem andern Texte der Šurpu-Serie heißt es:

Den Kranken zu heilen, vermagst du,
den Gefallenen aufzurichten, vermagst du,
dem Schwachen aufzuhelfen, vermagst du,

ein böses Geschick zu [wenden], vermagst du usw.

Einmal wird von ihm gesagt (King, Babylonian Magic Nr. 12):

Weiser, Erstgeborner Eas, Schöpfer der Menschheit insgesamt! Ja, der Herr bist du, wie Vater und Mutter unter den Menschen (?) bist du, ja du, wie der Sonnengott erleuchtest du ihr Dunkel!

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1) Die Form der Redeweise erinnert Matth 11, 27: , Niemand kennet den Sohn, denn nur der Vater, und niemand kennet den Vater, denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren“.

2) Als besonderes Beschwörungsmittel gilt,,der Name" der großen Götter. Dies ist zu beachten bei der Erklärung des religionsgeschichtlichen Ursprungs des Begriffes Schem,,Name", der noch in der neutestamentlichen und christlichen Sprache eine Rolle spielt (s. S. 52, Anm. 2).

3) Bulluţu, eig.,,lebendig zu machen"; vgl. noch die jüdische Redeweise Joh 4, 50:,,dein Sohn lebet", d. h. er ist genesen.

*) In dem vorhergehenden Texte der Sammlung von King, der aber auf Marduk von Babylon sich zu beziehen scheint, heißt es:,,Dein Herz, wie das des Vaters, der mich erzeugte, und wie der Mutter, die mich gebar, erheitere es sich."

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