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kenlos Emporstrebende, Grollende, Wühlende, was diese gåhrende Zeitstimmung gegen die Enge und Starrheit der herrschenden Meinungen und Zustände auf dem Herzen hatte, strebt, grollt, wühlt, schafft und arbeitet auch in Goethe. Aber wo alle die Anderen nur an der Oberfläche haften, nur lallen und stammeln oder sich lügnerisch aufschminken und sich in sinnlosen Schwulst verlieren, da erfaßt der durchdringende Tiefsinn und die sitt= liche Sicherheit und Klarheit Goethe's sogleich den innersten Kern, spricht das letzte entscheidende Wort aus, und schafft gestaltungskräftig rein und allgemein menschliche und darum ewig giltige Typen und Ideale.

Im Werther, im Prometheus und vor allem im Faust vertieft sich die Grundstimmung der Sturm- und Drangperiode, der himmelstürmende Titanismus und die überschwengliche Gefühlsinnerlichkeit, zur erschütternden Tragik des unlösbaren Widerspruchs zwischen dem angeborenen Unendlichkeitsstreben und der angeborenen Endlichkeit und Begrenzung. Es ist ein Ringen und Kämpfen um die lehten und höchsten Ziele des Daseins.

Al die Dichtungen der anderen Stürmer und Drånger find zerstoben wie Spreu; Goethe's Jugenddichtungen dagegen sind die wesentlichsten Grundlagen unseres tiefsten Bildungslebens. Unser ganzes Denken und Empfinden wåre ein anderes, wåren Werther und Faust nicht.

Und ganz besonders beachtenswerth ist auch die dichterische Form dieser Goethe'schen Jugenddichtungen.

Es ist hergebracht, diese erste Epoche Goethe's die Epoche des genialen Naturalismus zu nennen. Von dieser schwankenden Bezeichnung, die nur Sinn im Gegensatz gegen die spåteren Goethe'schen Dichtungen des ideal hohen Stils hat, sollte man endlich abkommen. Angesichts einer künstlerisch so geschlossenen Komposis tion, wie Goethe's Werther ist, will man von Naturalismus sprechen?

Das Eigenthümliche und Bedeutende ist vielmehr das Finden und Suchen eines volksthümlich deutschen Stils, wie er seit dem Sturz des Gottschedianismus von Allen erstrebt, in dieser Frische und naiven Herzlichkeit aber noch von Keinem erreicht

war.

Goethe erfüllte und vollendete, was Lessing und Herder so siegreich vorbereitet und angebahnt hatten.

Am deutschen Volkslied war Goethe großgeworden; und in Goethe's Liedern und Balladen findet das Volkslied seine fröhliche Auferstehung und seine künstlerische Läuterung. Shakespeare, der stammverwandte englische Dichter, ist das leuchtende Vorbild, welchem Gög von Berlichingen rückhaltslos nachstrebte und diese Nachahmung ist von so unbezwinglicher Gewalt åchtester Ursprünglichkeit und Volksthümlichkeit, daß es besonders diese unbedingte Deutschheit war, durch welche das gewaltige Werk blikartig in alle Gemüther schlug. Und überaus bedeutsam ist es, daß Goethe zu dieser Zeit auch auf Hanns Sachs zurückgreift. Goethe erklärt im achtzehnten Buch von Wahrheit und Dichtung diese Vorliebe für Hanns Sachs aus der leichten Handhabung seines Reimes und Versbaues; der tiefere Grund ist, daß in Hanns Sachs ihn der bürgerlich schlichte und derbe Naturton anzog, der in so quellender Frische und Naivetåt sogar in Shakespeare nicht mehr zu finden war. Es nimmt nicht Wunder, wenn Goethe die Weise des alten Nürnberger Meisters für seine satirischen Possen und Puppenspiele verwendet, denn diese Art der Humoristik, so geistvoll und übersprudelnd sie ist, war doch wesentlich Hanns Sachs selbst entlehnt. Aber ein ewig staunenswerthes Wunder höchster Genialitåt ist es, daß Goethe diese schlichte und schmucklose Kunstform, welche viele der überraschten Zeitgenossen Goethe's als Bånkelsångerton schmåhten, sogar für die erhabenste aller Dichtungen, für die Fausttragödie festhielt und sie hier zu einer Schönheit und stilvollen Idealitåt

zu klåren wußte, daß wir uns jeht die Faustdichtung in einer anderen Form gar nicht mehr denken können.

Was die Epoche besigt, verkünden hundert Talente,
Aber der Genius bringt ahnend hervor, was ihr fehlt.

Gök von Berlichingen.

Stöber hat in seiner trefflichen Schrift über den Aktuar Salzmann (1855, S. 51) einen Brief Goethe's mitgetheilt, in welchem dieser von Straßburg aus an einen Lieutenant Demars in Neu- Breisach ein Drama übersendet, das er ausdrücklich als seine eigene Arbeit bezeichnet und von dem er meint, daß es sein Glück unter Soldaten machen müsse, wenn auch vielleicht nicht unter Franzosen. Stöber spricht dabei die naheliegende Vermuthung aus, daß dieses Drama nichts anderes als Gök sei. Allein dieser Annahme scheint nicht nur der Bericht entgegenzustehen, welchen Goethe im dreizehnten Buch von Wahrheit und Dichtung von der Entstehungsgeschichte des Gök gegeben hat, sondern auch der höchst unwahrscheinliche Umstand, daß, wie aus einem Brief Goethe's an Salzmann vom 28. November 1771 (ebend. S. 49) unzweideutig hervorgeht, diese Straßburger Niederschrift ohne Wissen Salzmann's, des vertrautesten våterlichen Freundes und Rathgebers, geschehen sein müßte. Sollte nicht vielmehr an die beabsichtigte Cåsar-Tragödie zu denken sein? Auch hier ein soldatischer Stoff, und eine so durchaus shakespearisirende Haltung, daß die Befürchtung, vor französischen Augen nicht Gnade zu finden, völlig am Ort war. Aber ist jemals dieser Plan über die ersten Vorstudien hinausgekommen? Hier ist eine noch ungelöste Frage.

Thatsache ist, daß dem jungen Dichter sogleich nach seiner Rückkehr aus Straßburg ins Vaterhaus die Bearbeitung des Göt erste Sorge war, und daß, selbst wenn bereits eine erste Niederschrift

vorhanden gewesen sein sollte, diese neue Bearbeitung sie nur sehr wenig benüßte. Der Brief Goethe's an Salzmann vom 28. November 1771 führt uns mitten in den frischesten Schöpfungsdrang. »Sie kennen mich so gut«, schreibt Goethe, »und doch wette ich, Sie rathen nicht, warum ich nicht schreibe. Es ist eine Leidenschaft, eine ganz unerwartete Leidenschaft. Sie wiss sen, wie mich dergleichen in ein Cirkelchen werfen kann, daß ich Sonne, Mond und die lieben Sterne darüber vergesse. Mein ganzer Genius liegt auf einem Unternehmen; ich dramatisire die Geschichte eines der edelsten Deutschen. Wenn's fertig ist, sollen Sie's haben, und ich hoff', Sie nicht wenig zu ver= gnügen.<<

Es bezieht sich unzweifelhaft auf diese Bearbeitung, wenn Goethe in Wahrheit und Dichtung erzählt, daß unter dem spornenden Antrieb seiner Schwester das Werk in der unglaublich kurzen Frist von etwa sechs Wochen vollendet worden. Ein Brief Goethe's an Salzmann (S. 51) vom 3. Februar 1772 dankt demselben bereits für die Zurücksendung der Handschrift und für den gespendeten Beifall.

Um dieselbe Zeit sendete Goethe die Handschrift an Herder. In dem begleitenden Schreiben (Aus Herder's Nachlaß. Bd. 1. S. 34) sagt er mit rührender Bescheidenheit, daß er zwar mit rechter Zuversicht und mit der besten Kraft seiner Seele an diesem Werk gearbeitet habe, daß er es aber nur als Skizze betrachte; des kundigen Freundes Urtheil werde ihm nicht nur jekt, sondern auch für all sein ferneres Schaffen eine zielzeigende Meilensåule sein; bevor er seine Stimme gehört, mache er keine Nenderung, denn er wisse doch, daß alsdann radicale Wiedergeburt geschehen müsse, wenn seine Dichtung zum Leben eingehen solle. Goethe erzählt in seiner Lebensbeschreibung, die Aufnahme von Seiten Herder's sei unfreundlich und hart gewesen. Dies ist ein Gedächtnißfehler. Im Gegentheil. In den Briefen an seine Braut spricht Her

der (Nachlaß Bd. 3, S. 205, 302) mehrfach mit wärmster Theilnahme vom Göt als einer wirklich schönen Dichtung von ungemein viel deutscher Stärke, Tiefe und Wahrheit; nur rúgt er, daß Manches mehr nur gedacht als vollkräftig geleistet sei. Und in ähnlichem Sinn hat er offenbar auch an Goethe selbst geschrieben; freilich erst nach der langen, für einen jungen Dichter sehr empfindlichen Såumniß von fast einem halben Jahr. Die Untwort Goethe's aus Wehlar vom Anfang Juli 1772 (Nachlaß. Bd. 1, S. 42) nennt Herder's Brief, der leider verloren ist, ein Trostschreiben; dereinst werde das Stück eingeschmolzen, von Schlacken gereinigt, mit neuem edlerem Stoff verseht und umgegossen wieder vor ihm erscheinen, und alles blos Gedachte werde sich dann hoffentlich in Größe und Schönheit entfalten. Ja, wenige Monate darauf erschien Herder's Abhandlung über Shakespeare, die den jungen Dichter öffentlich ansprach, von dem süßen und seiner würdigen Traum, um Shakespeare's Kranz zu ringen, nicht vorzeitig abzulassen.

Offenbar war es auf Anregung Herder's, daß Goethe seitdem einem veränderten Plan nachging. Er scheint in Wehlar viel von demselben gesprochen zu haben. In jener heiteren Tischgesellschaft zu Wehlar, welche ihr Beisammensein durch die parodistischen Mummereien eines Ritterordens würzte, führte Goethe den Namen »Göß von Berlichingen, der Redliche.« Und' in dem wunderlichèn Drama »Masuren«, in welchem Goué, die Seele dieses scherzhaften Treibens, seine Erinnerungen aus Weßlar niedergelegt hat, wird Gök von dem Ritter Fayel gefragt: »Wie weit seid Ihr mit dem Denkmal, das Ihr Eurem Ahnherrn stiften wollt?« Göt antwortet: »Man rückt so allgemach fort. Denk', es soll ein Stück werden, das Meistern und Gesellen aufs Haupt schlägt«. Aber erst in Frankfurt, wohin Goethe aus Wehlar zurückkehrte, wurde die Umformung ernstlich in Angriff genommen. Sie war, wie aus einem Brief Goethe's an

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