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Zuerst rastlos unstetes Herumschweifen im Elsaß, bei Schloßfer in Emmendingen, bei Sarasin in Basel, bei Lavater in Zürich, in den Alpen des Berner Oberlandes. Im August 1777 schreibt Lavater spottend an Sarafin: »Lenz lenzelt noch bei mir.« Kurz darauf der volle Ausbruch des offenen Wahnfinns. Ein Brief Pfeffel's vom 24. November sagt: »Lenzen's Unfall - weiß ich seit Freitag; ich gestehe Dir, daß diese Begebenheit weder mich noch Lerse sonderlich überraschte; ich hoffe aber doch, der gute Lenz werde wieder zurechtkommen und dann sollte man ihn nach Hause jagen oder ihm einen bleibenden Posten ausmachen; Singularitåten oder Parodorien machen immer physisch oder moralisch unglücklich.« Im December schreibt Lavater an Sarafin: »Lenzen müssen wir nun Ruhe schaffen; das einzige Mittel, ihn zu retten, ist, ihm alle Schulden abzunehmen und ihn zu kleiden.« Doch hatte er wieder lichte Zwischenzeiten. Es ist für den Ursprung und die Natur seiner Krankheit überaus bezeichnend, daß Lenz sogleich eine solche Zwischenzeit benußte, die arme Friderike von Sesenheim wieder aufzusuchen, sie mit erneuten Liebesantragen zu quålen und Goethe auf's årgste bei ihr zu verunglimpfen. Dann gesteigerter Wiederausbruch am 20. Januar 1778 bei Pfarrer Oberlin zu Waldbach im Steinthal mit wilden Selbstmordversuchen und tobenden Fieberphantasien, in denen die Namen Friderike's und der Frau von Stein wirr durcheinanderschwirrten. Von hier wurde er zu Schlosser nach Emmendingen gebracht und von diesem zu einem Schuhmacher in Pflege und behufs körperlicher Thätigkeit in die Lehre gegeben; die Kosten bezahlte der Herzog von Weimar. In der treuen Anhänglichkeit, welche, wie aus seinen erhaltenen Briefen erhellt, er hier seinem Mitlehrling Conrad Süß widmete, spricht sich seine ursprünglich gutherzige Art in rührendster Weise aus, sowie in seiner unablässigen Schreibsucht der Nachklang seiner alten schriftstellerischen Gewohnheiten und Zukunftshoffnungen.

Spåter wies man ihn auf Ackerbau und Jagd. (Vgl. Hagenbach, Sarasin und seine Freunde, S. 41 ff., und H. Dünzer, Frauenbilder aus Goethe's Jugendzeit, S. 88 ff.)

Scheinbar genesen wurde er im Sommer 1779 von seinem Bruder nach Riga abgeholt, wohin in diesem Jahr sein Vater als Generalsuperintendent versetzt worden war. Lenz bewarb sich um eine Professur der Taktik in Petersburg, dann um die Rectorstelle in Riga; beidemal vergeblich. Zuleht finden wir ihn in Moskau wieder, geistig und körperlich verkommen.

Eine Zeitlang trug sich jezt Lenz mit der Absicht, seine zerstreuten Werke zu sammeln. Im Jahr 1790 erschien von ihm die Uebersetzung eines russischen Buchs über die Verfassung Rußlands. Und ohne Zweifel hat er in dieser Zeit auch noch viele eigene schriftstellerische Versuche unternommen. Aber das Wenige, was sich erhalten hat, ist wirr und krankhaft. Das Bruchstück »Ueber Delicatesse der Empfindung oder Reise des berühmten Franz Gulliver,« das Tieck, wie er selbst sagt, nur als psychologische Merkwürdigkeit in seine Ausgabe aufgenommen hat, ist nur insofern beachtenswerth, als die Ausfälle auf Goethe's Werther, den Lenz einst so sehr bewundert hatte, beweisen, wie in dem erlöschenden Geist der bitterste Haß und Neid gegen Goethe sich festgesetzt hatte.

Lenz starb am 24. Mai 1792 zu Moskau, im zweiundvierzigsten Lebensjahr. Das Intelligenzblatt der Allgemeinen Literaturzeitung (1792, Nr. 99) meldete seinen Tod mit folgenden Worten: »Er starb von Wenigen betrauert, von Keinem vermißt. Von Allen verkannt, gegen Mangel und Dürftigkeit kåmpfend, entfernt von Allem, was ihm theuer war, verlor er doch nie das Gefühl seines Werthes. Er lebte von Almosen, aber er nahm nicht von Jedem Wohlthaten an, er wurde beleidigt, wenn man ihm ungefordert Geld oder Unterstüßungen anbot, da doch seine Gestalt und sein ganzes Aeußere die dringendste Aufforde

rung zur Wohlthätigkeit waren. Er wurde auf Kosten eines großmüthigen russischen Edelmanns, in dessen Hause er auch lange Zeit lebte, begraben!«

Das Unglück pflegt zu versöhnen. Es ist sicher kein günstiges Zeugniß für Lenz, daß auch nach dem schweren Mißgeschick, das über ihn hereingebrochen war, selbst Diejenigen, die einst freundlich mit ihm verkehrten und die Lenz seine Freunde nannte, nur Worte des Tadels und der Anklage für ihn hatten. Als Lenz 1782 von Riga aus an Wieland wieder ein Lebenszeichen gegeben, schrieb Wieland an Merck (Erste Sammlung, S. 286): »Aus seinem an mich gerichteten Zettelchen ist zu sehen, daß er zwar wieder sich selbst wiedergefunden hat, aber freilich den Verstand, den er nie hatte, nicht wiederfinden konnte.« Und noch schonungsloser schrieb Lavater (vgl. Hagenbach a. a. D., S. 41, und Gelzer: Die neuere deutsche Nationalliteratur, Bd. 2, S. 88) an Sarafin:

„Glaub, wer ein Lump ist, bleibt ein Lump

Zu Wagen, Pferd und Fuße,

Drum, Bruder, glaub an keinen Lump

Und feines Lumpen Buße.

Fiat applicatio auf Freund Lenz."

Lenz war früh vergessen. Bereits Schiller spricht in seinem Briefwechsel mit Goethe von Lenz wie von einem långst Verschollenen. Und Goethe schließt in Wahrheit und Dichtung seine Schilderung von Lenz mit den Worten, daß Lenz nur ein vorübergehendes Meteor gewesen, das nur augenblicklich über den Horizont der deutschen Literatur gezogen und plöhlich wieder verschwunden sei, ohne eine Spur zurückzulassen.

Man könnte dieses Leben eine Tragödie der Eitelkeit nennen, wenn Eitelkeit tragische Hoheit hätte. Es ist nur ein Satyrspiel mit traurigem Ausgang.

Marimilian Klinger.

Lenz und Klinger werden fast immer untrennbar neben= einander genannt. Und in der That waren sie sich in ihrer Jugend in Stimmung und Manier sehr ähnlich. Doch ist Klinger der weitaus Bedeutendere; tiefer an Geist, edler und ernster in seinem Charakter. Lenz verkam, Klinger erhob sich zu hohem Ansehen.

Friedrich Maximilian Klinger war am 15. Februar 1752 zu Frankfurt am Main geboren. Weil Goethe 1822 an Klins ger eine Abbildung seines elterlichen Hauses schickte und dieselbe mit den Worten begleitete, daß auch Klinger an diesem Brunnen gespielt und daß eine und dieselbe Schwelle sie ins Leben geführt habe, hat man annehmen zu dürfen gemeint, die Geburtsståtte Klinger's sei ein kleines Nebenhåuschen im Goetheschen Hause gewesen. Doch scheint diese Annahme irrig. Andere sehen das Geburtshaus Klinger's auf das Rittergåßchen, welches deshalb jezt Klingergasse heißt; die Ueberlieferung, welche sich in der Familie Klinger's erhalten hat, weist auf das jest abgebrochene Haus »Zum Palmenbaum« auf der Allerheiligengaffe. Gewiß ist, daß Goethe und Klinger erst zu einander in nåhere Berührung traten, nachdem der Eine von Straßburg, der Andere von Gießen von der Universität zurückgekehrt war.

Goethe schildert im vierzehnten Buch von Wahrheit und Dichtung seinen Jugendfreund in folgender Weise: »>Klinger's Aeußeres war sehr vortheilhaft. Die Natur hatte ihm eine große schlanke wohlgebaute Gestalt und eine regelmäßige Gesichtsbildung gegeben; er hielt auf seine Person, trug sich nett, und man konnte ihn für das hübscheste Mitglied der ganzen kleinen Gesellschaft ansprechen. Sein Betragen war weder zuvor

kommend noch abstoßend, und, wenn es nicht innerlich stürmte, gemäßigt. Ich war Klinger's Freund, sobald ich ihn kennen lernte. Er empfahl sich durch eine reine Gemüthlichkeit, und ein unverkennbar entschiedener Charakter erwarb ihm Zutrauen. Entschiedene natürliche Anlagen besaß er in hohem Grade; aber Alles schien er weniger zu achten als die Festigkeit und Beharrlichkeit, die sich ihm, gleichsam angeboren, durch Umstände völlig bestätigt hatten.«<

Noch mehr als in allen anderen Stürmern und Drångern zeigt sich in Klinger die Einwirkung Rousseau's mit greifbarster Deutlichkeit.

Klinger's Eltern waren sehr arm; der Vater war Constabler und Holzhacker, die Mutter Wäscherin. Und die Noth war täglich gewachsen, nachdem der Vater frühzeitig gestorben. Auf dem Gymnasium, das Klinger besuchen durfte durch die Fürsprache eines Lehrers, dessen Aufmerksamkeit das aufgeweckte Wesen des Knaben erregt hatte, war er zu den niedrigen Handdiensten eines Ofenheizers verwendet worden. Dabei aber im rüstig aufstrebenden Jüngling der stolzeste und trohigste Unabhängigkeits sinn! Als ihm bei seinem Abgang auf die Universitåt ein reicher Pathe ein Abschiedsgeschenk von zwei Dukaten einhåndigte, gab er dieselben sofort dem Diener als Trinkgeld zurück. Und dieser drückende Widerspruch zu einer Zeit, in welcher der Verjüngungsruf Rousseau's die ganze gebildete Welt bis in das innerste Mark erregte und durchzitterte! Alle jene leidvollen Stimmungen, aus welchen die revolutionåre Denkweise Rousseau's hervorgegangen, hatte Klinger in sich selbst aufs schmerzlichste durchlebt und durchlitten. Rousseau's Emil, sagt Goethe in seiner Schilderung von Klinger's Jünglingsleben, war sein Haupt- und Grundbuch. Und mit diesem Bericht Goethe's ist es durchaus übereinstimmend, daß Klinger selbst noch in einem seiner spåtesten Werke, in der Geschichte eines Deutschen der neusten Zeit« in welche

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