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Abgründe menschlicher Leidenschaft und zugleich der holdesten Unschuld und Lieblichkeit; und über dem Ganzen der Duft und Zauber einer lyrischen Innerlichkeit, die nur das Vorrecht eines åchten Dichtergemüths ist. Mit festem dramatischem Blick ist Golo als die Hauptgestalt herausgehoben; zuerst eine Werthernatur, rückhaltslos und widerstandslos nur seiner Liebe zu Genoveva lebend, schwärmerisch und grüblerisch, fest entschlossen, dem Beispiel Werther's zu folgen und sein Leben abzuschütteln, weil ihm die Last seiner hoffnungslosen Liebe zu schwer dünkt; dann aber durch die Zügellosigkeit seiner Leidenschaft zum Verbrechen getrieben und nun im Eroh der Verzweiflung gleich einem Macbeth auf der blutigen Bahn unaufhaltsam weiter und weiter schreitend. Und mit ihm im Bunde seine Mutter Ma= thilde, ein üppig wollüftiges Weib, aber voll dåmonischer Kraft und Leidenschaftlichkeit. Auf der anderen Seite Genoveva, lieblich, anmuthig, entzückend arglos im Bewußtsein ihrer Reinheit und unerschütterlichen Treue, ungebrochen und voll demüthiger Ergebung im entsetzlichsten Elend; und ihr im Leid hülfreich beistehend Siegfried, ein Bild schönster Ritterlichkeit, tapfer im Kampf und fromm und edel in der Gebeugtheit seines Schmerzes. Dazu die breite vielgestaltige Welt des Ritterthums im Kriege und auf den Burgen, die Poesie der Minne und des lustigen Jagdlebens. Müller ist, wenn man so sagen darf, der Romantiker der Sturm- und Drangperiode; aber noch frei von allen krankhaften Verzerrungen und katholisirenden Neigungen. Müller's Genoveva würde zu den schönsten Perlen der deutschen Literatur gehören, wåre sie in ihrem Bau einheitlicher und geschlossener.

Es ist bekannt, daß Müller die Anklage erhoben hat, Tieck habe für seine eigene Genoveva die ihm handschriftlich mitge= theilte Genoveva Müller's ungebührlich benußt und bestohlen; und diese Anklage ist dann geschäftig wiederholt und weitergetragen

worden. Tieck selbst hat, in der Vorrede zum ersten Band seiner Schriften (Berlin, 1828) auf diese Anklage geantwortet. Es ist unleugbare Thatsache, daß Tieck die erste Anregung seiner Genoveva von Müller empfangen hat, und wir werden auch die Einwirkung Müller's auf einzelne Motive und Scenen Tieck's viel weiter ausdehnen müssen, als Tieck zugeben will. Gleichwohl ist Tieck's Genoveva durchaus selbständig; und Tieck konnte in der That sich gegen jene schleichenden Vorwürfe nicht besser rechtfertigen, als daß er selbst der Erste war, welcher Müller's Genoveva in die Oeffentlichkeit brachte. Die Tonart Müller's ist durchaus Shakespearisirend; so sehr, daß Tieck nicht ohne Grund sagen konnte, man glaube zuweilen, der Dichter habe verschiedene Tragödien Shakespeare's wie zu einer Quintessenz zusammendrücken wollen. Die Tonart Lieck's dagegen ist die Tonart der spanischen Dramatiker; Tieck stand damals grade in der leidigen Sucht, es in Mystik und Katholicismus seinen romantischen Freunden gleichthun zu wollen.

Im August 1778 war Müller behuss seiner weiteren malerischen Ausbildung nach Rom gegangen. Heribert von Dalberg in Mannheim und die thätige Verwendung Goethe's, welcher die Weimarer Freunde für mehrere Jahre zu festen Beiträgen verpflichtete, hatten die Mittel geboten.

Heinse hat ein anziehendes Bild von Müller's Persönlichkeit in seinen ersten römischen Jahren gegeben. In dem Briefe, in welchem er an Jacobi über die Genoveva berichtet, schreibt er: »Müller ist tåglich und stündlich bei mir und geht fast mit Niemand Anderem als mit mir um, obgleich wir uns manchmal bis aufs Herumraufen zanken. Er ist ein wenig heftig vor der Stirn, und mein Blut hat Italien leider auch nicht abgekühlt. In Kleidung geht er sehr wohl einher und ich sehe in meinem langen grünen Reiseüberrock neben feinem Mantel mit goldenem Kragen und rothscharlachenem

Kleide und Pariser Schnallen aus, wie ein Diogenes neben einem wahrhaftigen Hofmaler. Ob wir uns aber gleich zuweilen unter uns zanken, so preist und rühmt er mich doch unverdienter Weise hinter dem Rücken bei månniglich als eine doppelte Grundsåule von Kunst und ursprünglicher Menschheit. Wo es außer= dem über einen Anderen hergeht, ist er einer der besten Gesellschafter und er hat eine seltene Gabe, allerlei Narren zu dramatisiren und nachzumachen. Seine Gedichte gewinnen deshalb sehr viel, wenn er sie selbst vorliest.« Und in einem anderen Briefe erzählt Heinse (ebend. S. 143), daß man Müller während einer schweren Krankheit katholisch gemacht; ein Umstand, den er nicht verschulde und der ihm wegen seiner Mutter und seiner Freunde äußerst leid sei.

Müller wendete sich nun vorwiegend der Malerei zu. In Mannheim hatte ihn sein Natürlichkeitsstreben naturgemåß zu den Niederländern geführt. Merck rühmt im Deutschen Merkur (1781, Bd. 4, S. 169) eine Copie nach Wouvermann, welche, wie er sagt, auch die Gegenwart des Originals vertragen könne; und einige Radirungen dieser Zeit sind sehr geistvolle Darstellungen wans dernder Musikanten und Bånkelsånger und ländlicher Hirtenscenen. Doch hatte sich auch schon damals in ihm der Sinn für den großen historischen Stil geregt; das bezeugen die Satyrdarstellungen und die Niobegruppe, welche er seinen Satyridyllen und seinem Niobedrama als Radirungen beigab. Was Wunder also, daß der Anblick der großen italienischen Meister ihn immer mehr und mehr für die eigentliche Historienmalerei gewann und daß seinem ungestůmen Geist vor allem die titas nische Erhabenheit Michel Angelo's zusagte? In einem Briefe an Goethe vom 16. October 1779 (Briefwechsel mit Knebel, Bd. 1, S. 17) meldet er, daß er ein Bild nach der Epistel Judå gemalt habe, das den Streit des Erzengels Michael mit dem Satan über den Leichnam Mosis darstelle; ein Vor

wurf, den Rafael oder Michel Angelo håtten malen sollen, Und dieses Bildes geschieht auch in den Briefen Heinse's Erwähnung. Heinse schreibt (Bd. 9, S. 144) am 15. September 1781 an Jacobi, der Engel habe das flammende Schwert in der Linken und bedeute mit der Rechten dem Satanas zu weichen; Satanas stehe eben im Begriff, diesem Gebot zu folgen. Heinse lobt an dem Bilde die malerisch klar ausgesprochene Idee, viel Feuer, Fleiß und Studium. Er seht hinzu, jekt arbeite Müller an einem Gott Vater, der dem Moses das gelobte Land zeige; einem Stück von eben der Größe.

Allein die künstlerische Laufbahn Müller's hatte keinen gedeihlichen Fortgang. Kein Meister ist für den Nachahmer gefährlicher als Michel Angelo. Was bei dem Meister dåmonische Erhabenheit ist, wird leicht bei dem Nachahmer verzerrte Manier. Müller lebte sich mit seiner Phantasie dergestalt in die Welt des Teufels und der Hölle ein, daß er in der Kunstgeschichte den Spottnamen »>Teufelsmüller« davongetragen hat. In seinen Bildern ist Müller durchaus unzulänglich; das ist das einstimmige Urtheil Aller, welche Bilder von ihm gesehen haben. In seinen Handzeichnungen und Radirungen, unter denen sich auch einzelne historische Landschaften befinden, ist Müller geistvoll und von angeborener Poesie des Auges.

Es haben sich mehrere Briefe erhalten, welche bezeugen, mit wie lebhafter Theilnahme Goethe die künstlerische Entwicklung feines Schüßlings verfolgte; vergl. Spener'sche Zeitung 1872. Nr. 208. Der denkwürdigste ist ein Brief, welchen Goethe am 21. Juni 1781 an Müller schrieb, nachdem dieser behufs der Verlängerung des gewährten Stipendiums einige Zeichnungen und sein Bild vom Streit des Engel Michael und des Satan um den Leichnam Mofis nach Weimar gesendet hatte. Dieser Brief ist abgedruckt im Frankfurter Conversationsblatt (1848, Nr. 324). Goethe tadelt das Incorrecte und Leichtfertige der

Behandlung. Es sei zwar Lebhaftigkeit des Geistes und der Imagination in diesen Sachen, aber es fehle jene Reinlichkeit und Bedächtigkeit, durch welche allein, verbunden mit Geist und Wahrheit, Leben und Kraft dargestellt werden könne. »Der feurigste Maler darf nicht hudeln, so wenig als der feurigste Musikus falsch greifen darf; das Organ, in dem die größte Gewalt und Geschwindigkeit sich äußern will, muß erst richtig sein. Ich finde Ihre Gemålde und Zeichnungen doch eigentlich nur noch gestammelt; und es macht dies einen um so übleren Eindruck, da man sieht, es ist ein erwachsener Mensch, der vielerlei zu sagen hat und zu dessen Jahreszeit ein so unvollkommener Ausdruck nicht wohl kleidet.«< Und ebenso tadelt Goethe die Phantastik der dargestellten Gegenstånde; offenbar lasse sich Müller mehr von einer dunklen Dichterlust leiten als von geschårftem Malersinn. »Der Streit beider Geister über dem Leichnam Mosis ist eine alberne Judenfabel, die weder Göttliches noch Menschliches enthält. Eine Anzahl vom Himmel herab erbårmlich gequålter Menschen ist ein Anblick, von dem man das Gesicht gern wegwendet, und wenn diese vor einem willkürlichen, ich darf wohl sagen, magischen Zeichen sich niederzustürzen und es in dumpfer Todesangst anzubeten gezwungen sind, so wird uns der Künstler schwerlich durch gelehrte Gruppen und wohlvertheilte Lichter für den üblen Eindruck entschädigen.« Doch blieben auf Müller diese wohlgemeinten Mahnungen ohne Wir kung. Und seine Stellung in der römischen Künstlerwelt wurde um so übler, je anmaßlicher er selbst in seinem Urtheil über die Leistungen Anderer war. Als Goethe in Rom war, vermied er jeden Verkehr mit Müller. Aergerlich schreibt Müller am 17. April 1787 an Heinse, er habe mit Goethe nur einige Augenblicke bei einem zufälligen Zusammentreffen auf der Villa Medici gesprochen; es sei ihm, wenn er den starken Goethe mit so schaalen Schmachtlappen wie Tischbein und Hirt und Bury herummarschiren sehe,

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