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lution über die Rheinlande brachte, nahm Heinse nicht theil. Er spottet (Bd. 9, S. 251) über Georg Forster, daß er sich von den Stürmen der Revolution habe verschlingen lassen. Die Zeit der Mainzer »Freiheitsfarce« brachte er bei Jacobi in Aachen und Düsseldorf zu (vgl. Goethe, Bd. 25, S. 162). Doch blieb sein Inneres nicht unberührt von diesen großen Erschütterungen. Die hinterlassenen Papiere Heinse's, im Besitz der Familie Sommerring in Frankfurt am Main befindlich, bezeugen, daß die herben Schläge der Wirklichkeit sein politisches Denken zu einer Reife führten, die bei dem Dichter des Ardinghello wahrhaft überraschend ist. Er wendete sich zu dem gründlichsten Studium der Politik des Aristoteles. Sein Streben war, wie er sich ausdrückt, Rousseau durch Aristoteles zu vertiefen.

Den Bewegungen der Literatur vermochte er nicht mehr zu folgen. In den hinterlassenen Papieren sind Angriffe auf Goethe und Schiller, die nicht frei sind von neidischer Verbitterung.

Seit seinem Aufenthalt in Mainz verband ihn die hingebendste Freundschaft mit Sommerring, dem berühmten Anatomen. Es ist eine Månnerfreundschaft von seltener Herzlichkeit. Eben war er mit dem Abschluß »Vermischter Schriften« beschäf= tigt, welche Abhandlungen über Aristoteles und über Geschichte der Musik bringen sollten, als ihn im März 1803 plößlich ein Schlaganfall traf. Um 22. Juni desselben Jahres starb er. Auf dem Agathenkirchhof zu Aschaffenburg ist er begraben.

In einer seltsamen Testamentsbestimmung vermachte er seinen Schädel seinem Freund Sommerring. Dieser Schädel ist jezt im Senkenberg'schen Institut zu Frankfurt.

Heinse's Tod ging unbeachtet vorüber. Das Geschlecht, welches jest lebte, war den Wirren der Sturm- und Drangperiode entwachsen. Es ist das Schicksal unfertiger Naturen, vorzeitig vergessen zu werden. Heinse verdient dies Schicksal nicht. Er ist ein so reichbegabter und vielseitiger Geist, daß es sich wahrlich lohnt, in ihm die Spreu und den Weizen zu sondern.

Hettner, Literaturgeschichte. III. 3. 1.

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Siebentes Kapitel.

Die Gefühlsphilosophen und die pietistischen Schwärmer.

Wenn Goethe Diejenigen aufzählte, welche am tiefsten auf sein Jugendleben einwirkten, nannte er jederzeit mit liebevollster Verehrung Hamann. Und unter all seinen Jugendfreunden standen seinem Herzen am nächsten Jung-Stilling, Lavater und Fritz Jacobi. Auch Herder fühlte sich von diesen Geistern auf's mächtigste angezogen. Es war ein bitterer Schmerz für Goethe und Herder, als sie in der Mitte der achtziger Jahre, nachdem sie aus ihren ersten ringenden Jugendwirren sich zu fester månnlicher Klarheit herausgearbeitet hatten, erleben mußten, daß ihre Wege von den Wegen der alten Freunde fortan durch eine unüberbrückbare Kluft geschieden seien.

Es ist die religiöse Seite der Sturm- und Drangperiode, die uns hier bedeutsam entgegentritt.

Die Freunde fühlten sich innig eins in ihrem gemeinsamen Gegensatz gegen die Enge und Kahlheit des herrschenden Rationalismus. Und sie wurden Gegner, als sich im Lauf der Zeit immer schårfer herausstellte, wie durchaus verschiedenartig, ja wie einander auf's schroffste entgegengesetzt die Ziele waren, die sie von diesem gemeinsamen Ausgangspunkt aus erstrebten.

Je mehr die Aufklårungsbildung unter den Hånden der Nicolaiten sich vereinseitigte und verflachte, um so weniger konnte die tiefe Gefühlserregung, welche der Ursprung und das Wesen

der Sturm- und Drangperiode war, in ihr Befriedigung finden. Es war derselbe Kampf, welchen drüben in Frankreich Rousseau gegen Voltaire und die Encyklopädisten kämpfte. »Man will sich«, wie die Frankfurter Gelehrten Unzeigen (1772. S. 658) einmal sagen, »nicht wegraisonniren lassen, was Gefühl geworden ist und Gefühl bleiben wird und muß.« Dies ist die geschichtliche Bedeutung und Berechtigung dieser Bewegungen. Aber während die Größten und Besten, während Goethe und Herder in ernsten und schweren Bildungsmühen nicht ruhten und rasteten, bis sie die ununterdrückbaren Forderungen des Herzens und die nicht minder ununterdrückbaren Forderungen der denkenden Vernunft in reiner und freier Bildung zu klarem und harmonischem Gleichgewicht geläutert und versöhnt hatten, blieben die Meisten in der Halbheit stecken und wußten nur die eine Einseitigkeit an die Stelle der anderen zu sehen. Eitle und weichliche Gefühlsschwelgerei, das liebe Ich mit allen Schrullen und Krånklichkeiten; dumpfe Confusion mit dem hochmüthigen Anspruch ganz besonderen Tiefsinns, oft sogar ganz besonderer göttlicher Erleuchtung.

Als Kant seine befreiende Philosophie schuf, als die klassische Zeit der deutschen Dichtung erblühte, erhob sich eine neue pietistische Literatur, nicht schlicht und einfältig, sondern die Bildung mit den Mitteln der Bildung bekämpfend.

Zwei Richtungen sind in dieser Literatur zu unterscheiden. Die Einen haben die Bedürfnisse und die Gewöhnungen des denkenden Geistes; sie flüchten nur darum aus dem Denken in die Regionen des Gefühlslebens, weil sie die Nothwendigkeit der Ergänzung und Erfüllung des Denkens durch die Kundgebungen des Herzens aus den natürlichen Schranken des Denkens selbst erweisen zu können meinen. Wir nennen die Tråger und Vertreter dieser Richtung Gefühlsphilosophen. Die Anderen kennen das Bedürfniß des denkenden Geistes überhaupt nicht,

sie stüßen sich auf das göttliche Gnadengeschenk der christlichen Offenbarung und fühlen sich dieses göttlichen Gnadengeschenkes noch unmittelbarer und inniger theilhaftig als andere gewöhnliche Menschenkinder. Wir nennen die Tråger und Vertreter dieser Richtung die pietistischen Schwärmer.

An der Spike der ersten Richtung stehen Hamann und Jacobi, an der Spike der zweiten Richtung stehen Lavater und Jung - Stilling.

1.

Die Gefühlsphilosophen.

Hamann.

Hamann war der Erste, welcher es wagte, die deutsche Aufklärungsbildung zur Umkehr zu rufen.

Johann Georg Hamann, am 27. August 1730 zu Königsberg geboren, wurzelte ganz und gar in jenen pietistischen Einwirkungen, welche, wie auch die Lebensbeschreibungen Kant's und Hippel's bezeugen, damals alle Kreise Königsbergs durchdrangen. In einem wüsten und zerfahrenen Jugendleben hatte er eine Zeitlang diese Stimmungen in sich abgestumpft, dann aber war er reuig und zerknirscht nur um so inbrünstiger wieder zu ihnen zurückgekehrt.

Es ist schwer, sich durch die Schriften Hamann's hindurchzuwinden. Wie er im Leben durch das hochmüthige Bewußtsein seiner frommen Gläubigkeit sich von den einfachsten menschlichen Pflichten entbunden meinte, oft der nichtswürdigsten Verlumptheit anheimfiel und immer nur der Sophist seiner ungezügelten Leidenschaftlichkeit blieb, so hat er es auch niemals vermocht, sein

Denken zu einheitlicher und folgerichtiger Klarheit herauszubilden. Er bewegt sich immer nur in dåmmernden Empfindungen, in geistreichen und tiefsinnigen, aber durchaus unentwickelten dunklen Ahnungen. »Wahrheiten, Grundsåßen, Systemen«, schreibt Hamann selbst einmal, (Bd. 1, S. 497) »bin ich nicht gewachsen.; »Brocken, Fragmente, Grillen, Einfålle«. Und zu diesem Abgerissenen und Springenden des Inhalts tritt das Krause und Fraßenhafte der Darstellungsform, welche sich dergestalt in die zufälligsten und willkürlichsten Wendungen, Anspielungen und Råthselsprüche verliert, daß sogar Hamann selbst seinen Stil einen »verfluchten Wurststil« nennt und sich selbst außer Stand erklärt, seine frůheren Schriften zu verstehen. Der Mangel an zwingender Logik versteckt sich hinter die Laune humoristischen Spiels und hinter den Anspruch pythischer Sehergabe.

Goethe hat Recht, wenn er im zwölften Buch von Wahrheit und Dichtung sagt: »Das Princip, auf welches die såmmtlichen Aeußerungen Hamann's sich zurückführen lassen, ist dieses: Alles, was der Mensch zu leisten unternimmt, muß aus såmmt= lichen vereinigten Kråften entspringen; alles Vereinzelte ist verwerflich.« Lediglich aus diesem Grundprincip ist es erklärlich, daß Hamann den Jünglingen der Sturm und Drangperiode als ein fortschreitender und befreiender Geist erscheinen konnte. Nur håtte Goethe hinzusehen sollen, daß sich Hamann das Dringen auf das unverbrüchliche Zusammenwirken aller menschlichen Seelenkräfte und auf die Nothwendigkeit der Erlösung des von der Aufklärungsbildung verkümmerten und unterdrückten Phantasieund Gemüthslebens, nur als Erweckung tieferen religiösen Lebens, nur als engeren Anschluß an die Lehren und Geheimnisse der christlichen Offenbarung zu denken wußte.

Hamann's Denken und Empfinden ist fast ausschließlich verneinend. Es ist das pietistische Poltern gegen die aus der Obmacht des Bibelglaubens herausgetretene Freiheit und Selb

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