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diger. Was bisher nur der Besih Einzelner gewesen, wurde Gemeinbesitz aller Gebildeten.

Namentlich auch für die Dichtweise Goethe's und Schiller's ist diese Homerübersetzung von dem bestimmendsten Einfluß geworden!

Und Voß selbst war der Erste, an welchem sich diese lebensvolle Wiedererweckung des Homerischen Geistes glänzend bethåtigte.

Im Frohgefühl still inniger Häuslichkeit, im tåglichen trautem Verkehr mit den kernhaften Menschen der Nieder- Elbe, unter denen er, zuerst in Wandsbeck, dann als Rector in Ottersdorf im Lande Hadeln und zuletzt in Eutin, seine Heimath gefunden, in der hingebenden Freude an Garten, Wald und See, hatte sich der idyllische Zug seiner Natur nur immer tiefer ausgebildet. Der »Luise« und der Idylle »Der siebzigste Geburtstag ist der Ruhm epochemachender Stellung unentreißbar.

Was der strebsame Jüngling bereits in Göttingen unter der Führung Theokrit's versucht hatte, das feste Hineintreten in die Poesie der Wirklichkeit, das frische Erfassen und Schildern der eigensten heimischen Zustånde und Lebensgewohnheiten, und dabei das Festhalten antiker Kunstidealität innerhalb der eingehendsten Kleinmalerei, das hatte sich jest in ihm durch die Schule Homer's zu festem und klarem Stilgefühl vollendet. Es ist die schlichte gemüthsinnige Welt des norddeutschen Pfarr- und Schulhauses; aber mit so feinem Sinn für das Naive und Patriarchalische empfunden und angeschaut, daß in der That die hoheitsvolle Idealitåt der gewählten Kunstform den bannenden Zauber tiefster innerer Nothwendigkeit in sich trägt.

Treffend sagte Schiller in der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichtung, mit der Luise habe Voß die deutsche Literatur nicht blos bereichert, sondern wahrhaft erweitert. Diese Idylle könne mit keinem anderen Gedicht ihrer Art, sondern nur mit griechischen Mustern verglichen werden.

Es ist gewiß, daß Voß hinter seinem hohen Ziel noch zurück

bleibt. Das Lehte und Höchste ist nur dem höchsten Genius erreichbar. Die epische Umständlichkeit verliert sich bei Voß oft in ermüdende Breite. Die Charaktere sind nur aus der Oberfläche des Daseins geschöpft; statt der durchgeistigten Tiefe und Schönheit naiv harmonischer Menschlichkeit nur biedere beschränkte Altvåterlichkeit.

Aber war das Ziel nicht erreicht, so war es doch unverlierbar gezeigt. Wir wissen, mit welcher tiefen und nachhaltigen Gewalt diese Idyllendichtung auf Goethe wirkte. Goethe hat Goethe_wirkte. nie ein Hehl gemacht, daß Hermann und Dorothea lediglich aus seiner nacheifernden Bewunderung der Voß'schen Luise hervorging.

2.

Leisewitz.

Johann Anton Leisewik, am 9. Mai 1752 zu Hannover geboren, trat am Geburtsfeste Klopstock's, am 2. Juli 1774, in den Göttinger Dichterbund. Seine Theilnahme war nur von kurzer Dauer; schon im October desselben Jahres verließ er Göttingen, um sich als Sachwalter in Hannover niederzulassen. Voß berichtet in seinen Briefen (Bd. 1, S. 174), daß Leisewiz schon damals mit der Abfassung seines Trauerspiels »>Julius von Tarent« beschäftigt war.

Leisewitz reichte dieses Trauerspiel ein, als Schröder am 28. Februar 1775 einen Preis für das beste »Originalstück« ausgeschrieben hatte. Den Preis erhielt nicht Leisewiß, sondern Klinger für seine »Zwillinge«. Aber schon damals widersprach die öffentliche Meinung dieser Entscheidung. Und das geschichtliche Urtheil hat dieser öffentlichen Meinung Recht gegeben.

Sowohl in der Sprache wie namentlich auch in der Art der dramatischen Komposition sieht man durchaus die Schule

Lessing's. Die Einheit der Zeit ist auf's strengste gewahrt. Lessing begrüßte daher dieses Stück, obgleich er es anfånglich für ein Werk Goethe's hielt, mit Freuden, und wurde spåter dem Dichter auch persönlich aufs herzlichste zugethan. Dennoch ist der durchgreifende Lebensnerv des Stücks der Geist der Sturm- und Drangperiode.

Dies zeigt bereits das Grundmotiv. Das Grundmotiv ist nicht wie in Miß Sara Sampson nur ein moralischer Fehltritt oder wie in Emilia Galotti das verderbliche Spiel eines Intriguanten, sondern es quillt, ganz in der maßgebenden Weise Shakespeare's, aus der schreckenvollen Tiefe dåmonischer Leidenschaft. Der unerläßliche Begriff der tragischen Schuld, welcher bei Leffing noch gånzlich fehlte, dåmmert auf, wie gleichzeitig in Goethe's Clavigo; freilich noch nicht mit der scharfen Klarheit daß aus dieser Schuld die Katastrophe mit unausbleiblichster, das Mitwirken åußerer Zufälle ausschließender Nothwendigkeit abgeleitet wurde.

Zwei Brüder lieben ein und dasselbe Mädchen. Der åltere Bruder, Julius, will von der Geliebten nicht lassen, weil er sie mit der Gewalt unüberwindlicher Leidenschaft liebt; der jüngere Bruder, Guido, will nicht von ihr lassen, weil er bereits öffentlich um die Geliebte geworben, weil er sie in allen Feldzügen und Turnieren als seine Geliebte genannt, weil seine Ehre zum Pfand steht. Der Vater der beiden Brüder, der Fürst von Tarent, schickt das Mädchen in ein Kloster. Julius versucht die Entführung. Guido überfällt ihn bei dem Entführungsversuch und tödtet ihn. Der Vater vollzieht mit eigener Hand am Mörder die fühnende Strafe.

Auch in der Charakterzeichnung ist die Nachahmung Shakespeare's deutlich sichtbar. Freilich müssen wir überall nur nach den Absichten urtheilen, denn mit vollem Recht sagt Merck im Deutschen Merkur (1776. Heft 4, S. 91), daß er bei aller Aner

kennung des »ungemeinen Genies« des jungen Verfassers in den Charakteren Selbständigkeit und Naturwahrheit vermisse, sie seien wie alle Geschöpfe der derzeitigen Dramatifere nur leere Hirngespinnste. Es war im Gegensah der beiden feindlichen Brüder auf den Gegensaß grüblerisch empfindsamer und derbkråftig handelnder Naturen abgesehen; für Julius war zum Theil Werther, noch mehr aber Hamlet das Vorbild. Ebenso erinnert Blanca, die Geliebte, an Ophelia. Auch sie wird zuleht aus gebrochenem Herzen wahnsinnig. Fast jede Tragödie der Sturm- und Drangperiode mußte eine Wahnsinnsscene haben.

Und dazu, ganz im Geist der Sturm- und Drangperiode, in den einzelnen Reflexionen der Handelnden die bittersten, unmittelbar aus Rousseau entlehnten Ausfälle gegen die Uebel des Staats und der Gesellschaft, gegen die Unnatur der kirchlichen Sagungen, wie sie Leisewiß auch in zwei kleineren dramatischen Skizzen »Die Pfåndung« und »Der Besuch um Mitternacht« (Göttinger Mufenalmanach 1775. S. 65 ff. 226 ff.) zu dramatischem Ausdruck gebracht hatte.

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Was Wunder also, daß das gesammte jüngere Geschlecht dieser Dichtung rückhaltslos zujubelte. Namentlich auf Schiller hat Julius von Tarent den nachhaltigsten Einfluß geübt. Er fand, wie er sich in einem Brief an Reinwald ausdrückt, in Leisewiß mehr Feuer, mehr Blut und Nerv als in Lessing's Emilia Galotti. Eine spåter vernichtete Jugendarbeit Schiller's Cosmus von Medicis« war eine Nachahmung. Auch in den Räubern nicht blos derselbe Gegensatz zweier feindlicher Brüder, sondern sogar einzelne wörtliche Reminiscenzen. Und noch unmittelbarer kehrt dasselbe Motiv in einem seiner spåtesten Stücke wieder, in der Braut von Messina; allerdings nach dem Begriff der strengen Schicksalsnothwendigkeit griechischer Kunstidealitåt vertieft und umgewandelt.

Seitdem verstummte Leisewitz. Im Juliheft 1776 von Boie's Deutschem Museum finden sich zwei Scenen beabsichtigter Tra

Hettner, Literaturgeschichte. III. 3. 1.

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gödien »>Konradin« und »Alexander und Hephåstion«; sie sind Bruchstücke geblieben.

Im November 1775 war Leisewitz nach Braunschweig übergesiedelt. Dort gelangte er zu hohen Verwaltungsämtern. Er starb am 10. September 1806,

Es ist nicht stichhaltig, wenn man gesagt hat, die Niederlage, welche Leisewiß bei jener Preisbewerbung erlitten, habe ihn von der Fortsehung seiner dichterischen Thätigkeit zurückgeschreckt; das Aufsehen, das sein Drama erregte, und der Bühnenerfolg, den es überall hatte, entschädigte ihn für diese Unbill hinlänglich. Auch der Vorwurf der Trägheit, welchen seine Freunde oft wiederholen, ist kein genügender Erklärungsgrund. Der tiefere Grund ist wohl, daß Leisewiß, verständig und bescheiden, seine Kräfte dem Wettkampf mit Goethe und Schiller nicht gewachsen fühlte.

Für dieses Gefühl williger Unterordnung liegt ein sehr bestimmtes Zeugniß vor. Schon während seiner Göttinger Studienzeit hatte sich Leisewiß eine Geschichte des dreißigjährigen Krieges zur Aufgabe gestellt und die Vorarbeiten auch spåterhin sorgsam weitergeführt. Er vernichtete die Handschrift, als Schiller's bes rühmtes Geschichtswerk erschien.

Nach seinem Tode mußten laut testamentarischer Verfügung seine sämmtlichen Papiere verbrannt werden. Es soll unter dens selben ein Lustspiel gewesen sein, »Die Weiber von Weinsberg«.

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