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Was Goethe von Klinger berichtet, daß dieser sich um so inniger an Rousseau geschlossen, je quålender der Widerspruch zwischen seinem stolzen Unabhängigkeitssinn und seiner bekůmmerten äußeren Lage an ihm genagt habe, das wiederholte sich in Schiller's ersten Entwicklungsjahren in verstärkter Bedeutung.

Friedrich Schiller, am 10. November 1759 zu Marbach geboren, verlebte seine Kindheit in engen und kleinen Verhåltnissen. Auf dem Jüngling lastete der Druck harter und despotischer Erziehung. Täglich umgab ihn die wüste Tyrannens wirthschaft des Herzogs Karl Eugen, welcher Månner wie Moser und Schubart jahrelang schuldlos und unverhört im scheußlichsten Kerker hielt, seine Landeskinder für schnödes Blutgeld nach Amerika verkaufte, den üppigen Hofhalt von Versailles zu überbieten trachtete, und welcher, nachdem er im Alter plößlich eine reumüthige Sinneswandlung in sich erfahren hatte, selbst die Güte und Menschenfreundlichkeit immer nur in der Weise unbeschränkter

Herrscherlaune zu erfassen und zu verwirklichen wußte. Ja, zu diesem Gewaltherrscher stand Schiller in nächster persönlicher Berührung, erlitt von ihm den unmenschlichsten Zwang, mußte sich vor ihm drücken und bücken bis zur Selbsterniedrigung und Heuchelei; er, der freiheitglühende selbstbewußte Jüngling, der in seinen vertraulichen Neußerungen von nichts lieber spricht als von dem unbeugsamen Stolz edler Seelen, und von dem einer seiner Jugend- und Leidensgenossen treffend sagt, daß, wåre er nicht ein großer Dichter geworden, er sicher ein großer Mensch im handelnden öffentlichen Leben geworden sein würde, dessen Loos freilich leicht die Festung håtte werden können. Und dies Alles in einer Zeit, da die Großthaten der nordamerikanischen Freiheitskriege allmålich auch in Deutschland den erstorbenen politischen Sinn wieder zu wecken begannen, und in einem Lande, wo die agitatorischen Aufstachelungen Weckherlin's und Schubart's in allen edelsten Gemüthern lebendig fortklangen!

In Rousseau fand der brennende düstere Zorn des genialen Jünglings und, wie Schiller selbst sich bitter ausdrückt, die Indignation seiner verlehten Menschenwürde Gehalt und Gestalt, Erfüllung und Ziel. Die Verherrlichung des »Riefen« Rousseau, gegen welche die Splitterrichter nur kindische Zwerge seien, »>denen nie Prometheus' Feuer blies«, ist eines seiner ersten Gedichte. Rousseau wurde das bestimmende Ideal aller seiner Gedanken und Empfindungen. Das Grundthema der gesammten Jugenddichtung Schiller's, insbesondere seiner dramatischen, ist der von Rousseau aufgestellte tragische Gegensatz zwischen der Fülle und Reinheit der ursprünglichen Menschennatur und der unheilbaren Verderbtheit der thatsächlichen Wirklichkeit. Und zwar mit der entscheidenden Wendung, daß, während alle die anderen Stürmer und Drånger, in deren Leben Despotenwillkür nicht so unmittelbar eingegriffen hatte, in der dichterischen Darstellung dieses Gegensates sich meist nur auf die stillen Fragen

und Anliegen der Sitte und Bildung beschränkten und die großen öffentlichen Dinge entweder gar nicht oder doch nur sehr vorübergehend und oberflächlich berührten, Schiller gepreßten Her-zens sich fast ausschließlich an die politische Seite Rousseau's hielt und den Ruf nach Erlösung und nach Wiederherstellung der verlorenen unverlierbaren Menschenwürde gegen die Zustånde und Schäden des bestehenden Staatslebens selbst richtete.

Von Schiller's Jugenddichtung gilt unbedingt, was man irrthümlich meist als seine Gesammtcharakteristik ausspricht, daß Schiller der Dichter der Freiheit ist. Jener zornig aufspringende Löwe mit der Inschrift »In tyrannos«, welchen die Titelvignette der zweiten Auflage der Räuber zeigte, war der innerste Ausdruck der tief revolutionåren Stimmung, welche des jungen Dichters ganzes Wesen durchglühte.

Das erste Drama Schiller's, »Die Räuber«, wurzelt in dem Traumbild Rousseau's von dem einstigen Vorhandensein eines Naturzustandes, der sich zu den unausbleiblichen Uebeln der Bildung verhalte wie Gesundheit zu Krankheit. Das zweite Drama, die Tragödie Fiesco's, flüchtet in die Ideale republikanischer Begeisterung. Und das dritte Drama »>Kabale und Liebe« wendet sich grollend an die nächste Gegenwart und Wirklichkeit selbst; eine zermalmende politische Satire, die Unnatur und Vernunftwidrigkeit der herrschenden staatlichen und gesellschaftlichen Zustånde und Vorurtheile mit unerbittlichster Schärfe bloßlegend.

Alles noch unreif und phantastisch, wie die Denkweise Rousseau's selbst noch eine unreife und phantastische war; aber trok aller Unreife und Roheit von unvergånglicher Poesie der Leidenschaft.

Kaum können wir uns noch zurückversehen in die Stimmungen und Anschauungen, aus welchen die Tragödie der Råuber erwuchs. Schiller's Jugendfreund Hoven bestätigt in seiner

Selbstbiographie (1840. S. 55), daß der Dichter den ersten Anstoß durch eine Erzählung Schubart's im Schwäbischen Magazin von 1775 erhielt (vgl. Schubart's Schriften 1839. Bd. 6, S. 82). Sowohl der Gegensatz von Karl und Franz Moor wie die Gestalt und das Schicksal des alten Grafen waren in dieser Erzählung klar vorgezeichnet. Und mit Recht hat man neuerdings auch darauf hingewiesen, daß das Schauspiel Heinrich Ferdinand Möller's »Sophie oder der gerechte Fürst«, in welchem ein edelmüthiger Råuberhauptmann, von dem eine gleichzeitige Kritik sagt, daß er unter anderen Umstånden eine Brutusseele geworden wåre, sich alle Herzen eroberte, eben damals auch in Stuttgart ein oft und gern gesehenes Repertoirestück war. Aber das Schöpferische und, Bedeutende Schiller's ist, daß er diese Unregungen miteinander zu verflechten und diese Erfindung zum monumental dichterischen Ausdruck der brütenden, leidenschaftlich grollenden Rousseaustimmung zu erheben wußte. Karl, der an sich Reine und Edle, ja nach der Empfindungsweise des Zeitalters sogar Weiche und Empfindsame, wird durch die schåndlichsten Rånke und Heßereien seines böswilligen Bruders um Vater und Geliebte betrogen; verzweifelt faßt er den Entschluß, sich von allen Banden der Gesellschaft loszusagen, um an der Spite einer Räuberhorde in gewaltthätiger Selbsthilfe gegen die Niedertracht der Welt anzukämpfen und das verlegte und verlorene Menschheitsideal zu råchen und wiederherzustellen. Franz aber, der abgefeimte Bösewicht und Schurke, ist nicht blos ein Bösewicht und Schurke aus angeborener unentrinn= barer Naturanlage, sondern, was das Bestimmende seines ganzen Charakters ist und als dies Bestimmende von dem dramatischen Darsteller gar nicht scharf genug betont werden kann, ein Bösewicht und Schurke aus kalter raffinirter Ueberlegung, aus Philosophie und Sophistik, oder, um Schiller's eigene Bezeichnung beizubehalten, ein råsonnirender Bösewicht, ein metaphysischer

spitfindiger Schurke. So erweitert und vertieft sich die Gegen= überstellung der beiden ungleichen und feindlichen Brüder, wie sie seit Fielding's Tom Jones so oft wiederholt worden, zur schneidenden Gegenüberstellung von Natur und Kultur im Sinn Rousseau's. »Mir ekelt vor diesem tintenklecksenden Jahrhundert, wenn ich in meinem Plutarch lese von großen Menschen.« »Der Lichtfunke des Prometheus ist ausgebrannt; dafür nimmt man jezt die Flamme von Bårlappenmehl, Theaterfeuer, das keine Pfeife Taback anzündet.« »Pfui, pfui über das schlappe Ca= stratenjahrhundert, zu nichts nüße als die Thaten der Vorzeit wiederzukåuen und die Helden des Alterthums mit Commen tationen zu schinden, und zu verhunzen mit Trauerspielen. Da verrammeln sie sich mit Conventionen! Das Gesetz hat zum Schneckengang verdorben, was Adlerflug geworden wåre; das Gesetz hat noch keinen großen Mann gebildet, aber die Freiheit brütet Kolosse aus!« »Stelle ich mich vor ein Heer Kerle wie ich, und aus Deutschland soll eine Republik werden, gegen die Rom und Sparta Nonnenklöster sein sollen!« Eine Kriegserklärung gegen alle unverbrüchlichen Grundlagen der menschlichen Gesellschaft; wahnwißig und ungebårdig, aber voll trohiger Kraft und voll tiefer sittlicher Entrüftung! Selbst im blutigen Frevel noch der unverwüstliche Reiz hochherziger idealistischer Schwärmerei! Und wird auch zuleßt der Vernunft die Ehre gegeben, so daß der Vermessene, der da wähnte, die Parteilichkeiten der Vorsehung gutmachen und die Welt durch Gråuel verschönern und die Gesetze durch Gesehlosigkeit aufrechthalten zu können, zerknirscht zu den Schranken des Gesetzes zurückkehrt und sich freiwillig dem Gericht stellt, das Herz des Dichters und des Zuschauers steht auf der Seite des »erhabenen Ver= brechers«, des »majestätischen Sünders«, des »hohen Gefallenen«<, das Herz des Dichters und des Zuschauers grollt der Bildung und Gesellschaft, deren Verruchtheit allein es ist, die solche Kraft

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