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staunt so sehr, wenn er über eine Geschichte kommt und findet, daß sich mit dem Klima, mit den Erdstrichen und den Låndern Denkart und Geschmack åndern, als Paris sich bei dem Einzuge eines indianischen Prinzen nur immer wundern kann. Seine Verwunderung löst sich endlich in ein Gelächter auf; was doch nicht, ruft er aus, für fabelhaftes Zeug in den Büchern steht; wer wird dies glauben! Oder er hålt alle die Nationen für respective Narren; warum? weil sie eine andere Denkart haben, als ihm seine Frau Mama, seine werthe Amme und seine wohlweisen Schulkameraden einpflanzten. Machen wir uns nicht oft dieses Fehlers theilhaftig, wenn wir die Denkart der Wilden sogleich für fabelhaft oder thōricht erklären, weil sie von der unsrigen abgeht? Und doch lachen wir über die Chinesen, die ihr Land für das Viereck der Welt hielten und uns arme Bewohner der ganzen übrigen Welt für Fraßengesichter und Ungeheuer in die vier Winkel dieses Vierecks malten. Warum? Uns kannten sie nicht und sich hielten sie für die Monopolisten der Einsicht und des Geschmacks. Wie oft muß man glauben, in China zu sein, wenn man im gemeinen Leben tåglich solche chinesische Urtheile hört, die aus Unwissenheit und Stolz alles das verwerfen, was ihrer Denkart und Fassung widerspricht.«

Im Jahr 1773, in der Abhandlung über die »>Ursachen des gesunkenen Geschmacks bei den verschiedenen Völkern, da er geblühet« (Zur schönen Literatur und Kunst, Bd. 15, S. 51) hat Herder diese Anschauung in den schlagenden Sah zusammengefaßt: »So verschieden die Zeiten sind, so verschieden muß auch die Sphäre des Geschmacks sein, obgleich immer einerlei Regeln wirken; die Materialien und Zwecke sind zu allen Zeiten anders.«

Und lange Zeit beschäftigte sich Herder mit den Plånen eingehender Literaturgeschichtswerke. Der erste jugendliche »Versuch einer Geschichte der Dichtkunst« ist weit und tiefsinnig angelegt. Ebenso trug er sich mit einer Geschichte des Liedes, welche die

weitere Ausführung seiner Abhandlung über die Ode sein sollte. Und ganz besonders oft scheint Herder der lockende Gedanke nahegetreten zu sein, durch eine Geschichte der griechischen Dichtung der unmittelbare Ergänzer und Fortbildner Winckelmann's zu werden, dessen Kunstgeschichte ihm von Jugend auf ein leuchtendes Vorbild gewesen. »Ein Winckelmann in Absicht auf die Kunst,« sagt Herder im zweiten Theil der Fragmente (1767, S. 273. Zur schönen Literatur und Kunst, Bd. 2, S. 61), »konnte blos in Rom aufblühen; aber ein Winckelmann in Absicht der Dichter kann auch in Deutschland hervortreten und mit seinem römischen Vorgånger einen großen Weg zusammenthun.« Und doch fållt auch hier sogleich der tiefe Unterschied scharf in das Auge. Während Winckelmann immer und überall nur die ganz unbedingte und rückhaltlose Nachahmung der Alten predigt, stellt Herder die Forderung, daß eine solche Geschichte klar den Gegensaß zwischen dem wahren und allgemeinen Ideal der Griechen in jeder ihrer Dichtarten und zwischen ihren blos individuellen National- und Localschönheiten hervorhebe, damit der Neuere sich der todten Nachahmung entwöhne und vielmehr zur Nachahmung seiner selbst ermuntert werde.

Keines dieser beabsichtigten Geschichtswerke hat Herder ausgeführt; zu einem gründlichen Ausbau fehlten noch überall die nöthigen Bausteine. Allein weit anregender und bahnbrechender, als es vorzeitige Beschränkung jemals vermocht hätte, wirkte die glückliche Alseitigkeit jener tiefen und feinen Anempfindungsfähigkeit, mit welcher Herder raftlos sogleich alle wichtigsten Epochen der gesammten Dichtungsgeschichte der verschiedensten Zeiten und Völker durchwanderte. Auf der Höhe dieser Sehweite erschien auch das, was bereits bekannt war, in durchaus veränderter Gestalt und Beleuchtung; ja ganz neue oder doch bisher ganz unbekannte Welten wurden entdeckt und erobert. Die Wissenschaft wurde vertieft und erweitert; und in die auf

strebende Dichtung der Gegenwart drang belebend und kråftigend frischer Morgen- und Frühlingshauch.

Nur wer ein so offenes Auge für das Wesen und die vielgestaltigen Entwickelungsbedingungen der Volkspoesie hatte, konnte über Homer sprechen, wie Herder in den Kritischen Wäldern über Homer sprach. Mit so tiefer Empfindung für das åcht Dichterische war noch niemals das Volksthümliche und Ursprüngliche der Homerischen Dichtung, ihre bildliche Kraft und anschauliche Wahrheit erfaßt worden; selbst von Lessing nicht. Angeregt von Blackwell und Wood keimten in Herder von Jugend auf, wenn auch nur als dunkle Ahnungen, jene großen Ideen, durch deren wissenschaftliche Ausgestaltung Friedrich August Wolf in die Betrachtung Homer's und der epischen Dichtung einen so weitwirkenden Umschwung gebracht hat. Betrachtete Herder schon als Jüngling in seinem »Versuch einer Geschichte der Dichtkunst« (Lebensbild, Bd. 3, a. S. 120) Homer nur als die höchste Blüthe und als den organischen Abschluß der epischen Sånger, welche Homer vorangegangen waren und deren Ruhm vor dem Ruhm Homer's erbleichte, wie der Schein der Morgensterne vor dem Glanz der Sonne, so pflückte Herder in der That nur die reife Frucht seiner eigenen Aussaat, wenn er, inzwischen durch Wolf's und Villoison's Untersuchungen bereichert und fortgebildet, in der Abhandlung über »Homer und das Epos« (Zur schönen Literatur und Kunst, Bb. 10, S. 292) Homer's Epos als »die Gesammtstimme der Gesangsvorwelt,« als »das aus vielen und vielerlei Sagen ålterer Zeit kunstreich emporgehobene Epos« bezeichnete.

Nur wer ein so offenes Auge für das Wesen und die vielgestaltigen Entwicklungsbedingungen der Volkspoesie hatte, konnte so von Grund aus neue Anschauungen über den Ursprung und den dichterischen Geist der biblischen Schriften gewinnen, wie wir sie bei Herder von Anbeginn finden. Die Bibel war für Herder seine erste Bildungsquelle gewesen; nur der Bibel zu

lieb, war Herder, wie er noch in seinem spåteren Alter (3ur Religion und Theologie, Bd. 5, S. 23) erzählte, Theolog ge= worden; in seinen Kinderjahren hatte er Hiob, den Prediger, Jesaias und das Evangelium gelesen, wie er sonst nie ein Buch auf der Welt las. Schon in einer seiner frühesten Schriften, im Versuch einer Geschichte der Dichtkunst, stemmt sich Herder (Lebensbild, Bd. 1, 3, a. S. 112) fest gegen die Ansicht, auch die dichterische Seite der Bibel nur als unmittelbar göttliche Wirkung zu betrachten und den Ursprung derselben vom Himmel zu holen; selbst für Lowth, den damals feinsten Kenner der hebräischen Dichtung, welcher an dieser Lehre von der unmittelbar göttlichen Eingebung festhielt, hat Herder nur die spottenden Worte, Lowth sei entweder zu sehr Redner oder zu gläubiger Nachbeter der Juden und ihrer christlichen Nachfolger. Eine lange Reihe von Abhandlungen aus den Jahren 1768 und 1769 (Lebensbild, Bd. 1, 3, a. S. 393-631), welche Herder unter dem Namen einer Archäologie des Morgenlandes zusammenzustellen gedachte und welche spåter die Grundlagen feiner Schrift über die älteste Urkunde des Menschengeschlechts wurde, ist ganz und gar von dem Grundgedanken getragen, die ålteste alttesta= mentliche Dichtung, die Schöpfungsgeschichte, die Geschichte der Sündfluth und die Geschichte Mosis als alte orientalische Na= tionalgesånge zu betrachten; wer in dieser Einfalt nicht Größe fühle, der fühle keine Poesie des sinnlichen Anschauens. In das Jahr 1778 fållt die kleine, aber hochwichtige Schrift Herder's über Salomon's Lieder der Liebe, wohl das Zarteste, was Her= der jemals geschrieben hat. Nie bethåtigt sich die feine dichterische Nachempfindung und Nachbildung Herder's herrlicher als hier in dieser Uebersehung der tief empfundenen altmorgenlåndischen Minnegesånge; sowohl die Deutungswuth mystischer Ueberschwenglichkeit, welche dem hohen Liede so gern die fremdartigsten und unnatürlichsten Anschauungen unterlegt, wie der geschmack

lose Wahn des alten Rationalismus, welcher in der Bibel nur eine Spreutenne kahler Moral sah, war für Jeden, der kein Arg an gesunder Sinnlichkeit nimmt, für immer vernichtet. Und nachdem bereits 1780 die Briefe über das Gudium der Theologie diesen Gesichtspunkt lebendiger Vo. dichtung über die gesammte Bibel ausgedehnt hatten, erschien 1782 Herder's be= rühmtes Buch über den Geist der hebräischen Poesie, von welchem Herder mit vollem Recht sagen konnte, von Kindheit auf habe er es in seiner Brust genährt. Die hebräische Poesie war ihm die ålteste, einfachste, herzlichste Poesie der Erde, eine Poesie voll des innigsten Naturgefühls, und doch ganz und gar nur das dichterische Innewerden und Anschauen Gottes und seiner Werke, das sich bald zur Entzückung hebt, bald zur tiefsten Unterwerfung herabsenkt; die hebräische Poesie war ihm die naturwüchsige und volksthümliche Dichtung eines Volkes, dessen ganzes Sein und Wesen von dem tiefsten und kräftigsten Gottesbewußtsein durchglüht und erfüllt ist. Wer Alles in überirdischem Glanz sehen wolle, sehe zuleht gar nichts. Fret von allen theologisch zünftigen Voraussehungen und Vorurtheilen hat dieses gewaltige Buch, das leider unvollendet geblieben ist, erst wieder die Augen für die unvergångliche Poesie der Bibel geöffnet. Die herkömmliche sogenannte Einleitung in das alte Testament ist, wenn sie den Namen der Wissenschaft beansprucht, in ihrem innersten Wesen nichts als Literaturgeschichte der Juden.

Nur wer ein so offenes Auge für das Wesen und die vielgestaltigen Entwicklungsbedingungen der Volkspoesie hatte, konnte in so großartiger Weise der Erforscher und Wiedererwecker der alten Volksliederschäße werden, wie es Herder geworden ist. Man belächelt jezt die überschwengliche Begeisterung, mit welcher Herder der Verkünder des vermeintlichen Ossian's wurde; diese Begeisterung war der warme, wenn auch irregeleitete Ausdruck derselben Richtung, welche ihn mit so erfolgreicher Vorliebe zum

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