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und Lear gewannen. Das erschütterte eben, was Manchem im Dichter dürftig oder überflüssig erschien.«

Es war wieder åchte Poesie der Leidenschaft in der deutschen Schauspielkunst.

Um so seltsamer und überraschender erscheint die Bahn, welche die gleichzeitige dramatische Dichtung einschlug.

In Goethe's Pult ruhten die ersten Entwürfe des Egmont und der Iphigenie, die Anfänge des Tasso. Und vor Allem bezeugten die gewaltigen Jugenddramen Schiller's, die eben jeħt in die Oeffentlichkeit traten, daß, falls die Sterne günstig seien, der deutschen dramatischen Dichtung noch eine große Zukunft bevorstehe. Aber das schnell verzehrende Bühnenbedürfniß drångte das deutsche Drama, insoweit es nicht blos Lesedrama, sondern wirks liches Bühnendrama war, auf Wege, die von den höchsten Kunstzielen weit ablagen.

Zuerst das wilde Gerassel lårmender Ritterstücke, die in Nachahmung des Goethe'schen Gök überall aufschossen. Nach dem kühnen Wagniß Schröder's nicht blos Goethe's Got, sondern auch die Rohheiten und Zügellosigkeiten der Lenz'schen und Klinger'schen Stücke auf die Bühne zu bringen, fanden sie auf allen Bühnen sogleich den willigsten Eingang.

Manche dieser Dramen sind von achtungswerthem Verdienst. Törring's Agnes Bernauerin (1780) und Babo's Otto von Wittelsbach haben festen dramatischen Griff, ihr Bau ist bühnengerechter als das Goethe'sche Urbild. Die großen Heldenspieler jener Zeit, Schröder selbst, wußten aus diesen Stücken äußerst wirksame Rollen zu gewinnen. Jacob Meyer's Sturm von Borberg (1778) und Fuft von Stromberg (1782) wurde auf Schiller's Empfehlung noch in den neunziger Jahren in Weimar aufgeführt. Dennoch war die künstlerische Wirkung der meisten dieser Ritterstücke, zu denen sich bald auch in Nachahmung von Schiller's Räubern Räuberstücke gesellten, nicht günstig. Das rohste Spektakelwesen war unaus

bleiblich. Hatte schon Lessing, wie Brandes in seiner Lebensgeschichte (Bd. 2, S. 214) berichtet, den beigemischten Klingklang von Aufzügen und Turnieren, und die vielen Ungebårdigkeiten der Sprache und des Behabens, die bei einem åchten Ritter und Knappen für unerlåßlich galten, nur mit Unwillen und Besorgniß gesehen, so wurde dies Unbehagen bald das allgemeine Urtheil Aller, die Erz und Flitter zu unterscheiden wußten. Und grade die Schauspieler selbst fühlten am schmerzlichsten, wie dieser gleißende Prunk und Phrasenschwall zulegt der Tod aller åchten Menschendarstellung sei.

Daher andererseits als fester und bewußter Gegensaß wieder die entschlossene Rückkehr zu der scharf umgrenzten Kunstweise Lessing's, zu welcher ja Goethe bereits im Clavigo zurückgekehrt war und zu welcher auch Schiller in Kabale und Liebe zurückkehrte. Es ist sehr bedeutsam, daß Schauspieler oder doch Solche, die zu der Bühne in nächster Beziehung standen, die Führer dieser Bewegung waren. Gemmingen mit seinem Drama »Der deutsche Hausvater« und Großmann mit seinem Lustspiel »Nicht mehr als sechs Schüsseln« gingen voran; kurz darauf folgten Schröder und Iffland.

Unmittelbar neben und gegen die wilden tumultuarischen Ritterschauspiele stellten sich die schlichten naturwahren Bilder stiller bürgerlicher Häuslichkeit.

Volle zwei Menschenalter sind die Theaterdichtungen Schröder's und Iffland's das Entzücken der Zuschauer gewesen; ja mit den nöthigen Abkürzungen und im Costům der Zeit gespielt sind einzelne derselben noch heut von Wirkung. Diese Stücke waren lebensvolle getreue Abdrücke der eigensten Leiden und Freuden, der eigensten Charaktereigenthümlichkeiten und Lebenslagen, die Jeder aus unmittelbarster Erfahrung kannte; man fühlte sich in ihnen gemüthlich zu Hause. Um so mehr, da diese Stücke überall ganz vortrefflich dargestellt wurden; denn die

Hettner, Literaturgeschichte. III. 3. 1.

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Schauspieler brauchten nur die wohlbekannten Menschen und Dinge ihrer nächsten Umgebung zu spielen; und die bühnenkundigen Verfasser brachten ihnen überdies nur streng naturwahre und schon fertig durchgespielte Rollen entgegen. Die Ritterstücke schädigten die deutsche Schauspielkunst; an diesen bürgerlichen Sittengemålden erhob sie sich, wenigstens nach der Seite des Charakteristischen, zu einer Vollendung und Meisterschaft, die leider nur allzuschnell wieder verschwunden ist. Es ist sehr natürlich, daß Schauspieler und Bühnenleiter für diese Art von dramatischer Dichtung noch immer eine große Vorliebe hegen.

Aber etwas Andéres ist es, ob wir uns in der Beurtheilung dieser Dichtungen auf den Standpunkt des Bühnenbedürfnisses oder auf den Standpunkt reiner Kunstforderung stellen. Die niederländischen Genremaler waren nicht blos lebenswahre Copisten, sondern åchte und große Künstler von ursprünglichster Poesie. Auch Lessing war von den moralisirend lehrhaften Sittengemålden Diderot's und der Engländer des achtzehnten Jahrhunderts ausgegangen; aber er hatte das Unkünstlerische dieser Vorgänger schöpferisch fortgebildet, in Minna von Barnhelm zum Lustspiel, in Emilia Galotti zum bürgerlichen Trauerspiel. Schröder und Iffland vermochten nicht das Gleiche. Schröder's und Iffland's dramatische Dichtung ist photographische Naturwirklichkeit, nicht künstlerische Genremalerei. Schröder's und Iffland's dramatische Dichtung ist zwar im Sinn Lessing's, aber ohne Lessing's schöpferischen Geist. Es ist lediglich die Welt Diderot's und Goldoni's, nur in das Deutsche übertragen; gemüthstüchtig, aber erdrückend eng, schwunglos. Die Handlung gestaltet sich nicht frei und in sich nothwendig aus der Energie der Charaktere, sie verläuft nur in den allergewöhnlichsten Zufällen und Intriguen. Alles wird, wie Goethe sich ausdrückt, nur von außen herein, nicht von innen heraus bewirkt. Und dazu noch

bei Iffland viel weichliche Sentimentalitåt und die Aufdringlichkeit breiter salbungsvoller Moralpredigt.

Uns kann nur das Christlich-Moralische rühren

Und was recht populär, häuslich und bürgerlich ist.
„Was? Es dürfte kein Cäsar auf Euren Bühnen sich zeigen,
Kein Achill, kein Orest, keine Andromache mehr ?“

Nichts, man siehet bei uns nur Pfarrer, Commerzienräthe,
Fähndriche, Sekretärs oder Husarenmajors.

„Aber ich bitte Dich Freund, was kann denn dieser Misère
Großes begegnen, was kann Großes denn durch ste geschehn?"
Was? Sie machen Kabale, sie leihen auf Pfänder, sie stecken
Silberne Löffel ein, wagen den Pranger und mehr.
„Woher nehmt Ihr denn aber das große gigantische Schicksal,
Welches den Menschen erhebt, wenn es den Menschen zermalmt?“
Das sind Grillen! Uns selbst und unsere guten Bekannten,
Unfern Jammer und Noth suchen und finden wir hier."

Ganz in der Weise dieses Xenions schrieb Schiller am 31. August 1798 an Goethe, die Begierde nach den Iffland'schen Stücken sei durch einen Ueberdruß an den Ritterschauspielen ers zeugt oder wenigstens verstårkt worden, man habe sich von Verzerrungen erholen wollen; aber das lange Angaffen eines Altagsgesichtes ermüde doch endlich auch.

Doch ist bei der Betrachtung dieser denkwürdigen dramati= schen Bewegung, wie sie sich einerseits in den Ritterschauspielen, andererseits in den bürgerlichen Familiengemålden kundgiebt, vor Allem die monumentale Seite in's Auge zu fassen. Weit wichtiger als die künstlerische Bedeutung dieser Dramen ist die kulturgeschichtliche.

So verschieden diese Ritterschauspiele und diese bürgerlichen Sittengemålde in ihrer Richtung sind, in ihrer Grundstimmung sind sie innig eins. Beide Gattungen, eine jede in ihrer Weise, find åchte Kinder der Sturm- und Drangperiode.

In beiden Gattungen, im Ritterschauspiel sowohl wie im

bürgerlichen Drama, das energische Streben nach fester und frischer Volksthümlichkeit, das ein so durchgreifender Grundzug der Dichtung der Sturm- und Drangperiode ist. Und in beiden Gat= tungen, im Ritterschauspiel sowohl wie im bürgerlichen Drama, dasselbe tief revolutionåre Grollen, das man mit Recht ein demokratisches, ja ein demagogisches genannt hat.

Wenn irgendwo, so ist hier von politischer Tendenzdichtung zu sprechen. Die politische Jugenddichtung Schiller's stand nicht vereinzelt. Die Zeit wuchs bereits über die stille Beschaulichkeit Goethe's und seiner nächsten Genossen hinaus. Wie die Dramen Voltaire's ganz im Gegensatz zu Corneille und Racine, deren Formen sie beibehalten, den großen Kampf gegen Tyrannei und Pfaffenthum kämpften, wie Beaumarchais in dieser Zeit seine schneidenden politischen Lustspiele schrieb, so nehmen auch die deutschen Dramen der achtziger Jahre den politischen Kampf auf. Je nåher dem Ausbruch der französischen Revolution, um so_lauter und bitterer.

· Oft freilich hört man in dem unablåssigen schwülstigen Reden der Ritter von Deutschheit und Manneskraft noch sehr deutlich die Nachklänge der Klopstock'schen Bardiete und ihrer knabenhaften Deutschthůmelei, aber die eigentliche Grundtendenz dieser Stücke quillt aus dem tiefsten Herzblut der Zeit. Die Ritter führen gegen die Fürsten, die Fürsten gegen den Kaiser, die. Kaiser gegen Papst und Kirche eine Sprache, daß es nicht Wunder nimmt, daß 1781 in München die Aufführung aller dieser sogenannten vaterländischen Stücke untersagt wurde. Törring stellt die Tragik der Agnes Bernauerin als den Kampf zwischen den Rechten des Herzens und zwischen der grausamen Unnatur der Standes- und Staatsgesetze dar; am Schluß des Stücks wird Agnes ausdrücklich das Schlachtopfer des Staats genannt. Und welch leidenschaftlich rücksichtslosen Sinn die Zeitgenossen in Babo's Dramatisirung der Geschichte Otto's von Wittelsbach leg

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