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gesetzt, und meistens heißt diese Einrichtung die jugendliche Blüte der Völker. So richteten sich die vom Roten Meere gewichenen Phönizier an der mittelländischen Küste ein; so wollte Moses die Israeliten einrichten; so ist's 5 mit mehreren Völkern Asiens gewesen; denn fast jede Nation der Erde ist früher oder später, länger oder kürzer, wenigstens einmal gewandert. Leicht zu erachten ist's, daß es hiebei sehr auf die Zeit ankam, wenn diese Wanderung geschah, auf die Umstände, die solche bewirkten, 10 auf die Länge des Weges, die Art von Kultur, mit der das Volk ausging, die Übereinstimmung oder Mißhelligkeit, die es in seinem neuen Lande antraf usw. Auch

bei unvermischten Völkern wird daher die historische Rechnung bloß schon aus geographisch-politischen Gründen 15 so verwickelt, daß es einen hypothesenfreien Geist erfodert, den Faden nicht zu verlieren. Am meisten verliert man ihn, wenn man irgend einen Stamm der Völker zum Liebling annimmt und, was nicht er ist, verachtet. Der Geschichtschreiber der Menschheit muß, wie der Schöpfer 20 unsres Geschlechts oder wie der Genius der Erde, unparteiisch sehen und leidenschaftlos richten. Dem Naturforscher, der zur Kenntnis und Ordnung aller Klassen seiner Reiche gelangen will, ist Rose und Distel, das Stink- und Faultier mit dem Elefanten gleich lieb; er 25 untersucht das am meisten, wobei er am meisten lernet. Nun hat die Natur die ganze Erde ihren Menschenkindern gegeben und auf solcher hervorkeimen lassen, was nach Ort, Zeit und Kraft irgend nur hervorkeimen konnte. Alles, was sein kann, ist; alles, was werden kann, wird, 30 wo nicht heut, so morgen. Das Jahr der Natur ist lang; die Blüte ihrer Pflanzen ist so vielfach, als diese Gewächse selbst sind und die Elemente, die sie nähren. In Indien, Ägypten, Sina geschah, was sonst nie und nirgend auf der Erde geschehen wird, also in Kanaan, Griechenland, 35 Rom, Karthago. Das Gesetz der Notwendigkeit und und Konvenienz, das aus Kräften, Ort und Zeit zusammengesetzt ist, bringt überall andre Früchte.

2. Wenn's also vorzüglich darauf ankommt, in welche Zeit und Gegend die Entstehung eines Reichs 40 fiel, aus welchen Teilen es bestand, und welche äußere Umstände es umgaben, so sehen wir, liegt

in diesen Zügen auch ein großer Teil von dieses Reiches Schicksal. Eine Monarchie, von Nomaden gebildet, die ihre Lebensart auch politisch fortsetzt, wird schwerlich von einer langen Dauer sein; sie zerstört und unterjocht, bis sie selbst zerstört wird; die Einnahme der Hauptstadt 5 und oft der Tod eines Königs allein endet ihre ganze Räuberszene. So war's mit Babel und Ninive, mit Persepolis und Ekbatana, so ist's in Persien noch. Das Reich der Moguls in Indien hat fast sein Ende gefunden, und das Reich der Türken wird es finden, solange sie Chal- 10 däer, d. i. fremde Eroberer bleiben und keinen sittlichern Grund ihres Regiments legen.

Ganz anders ist's mit Staaten, die, aus ihrer Wurzel erwachsen, auf sich selbst ruhen; sie können überwältigt werden, aber die Nation dauret. So ist's mit Sina; 15 man weiß, was den Überwindern daselbst die Einführung einer bloßen Sitte, des mongolischen Haarscherens, für Mühe gekostet habe. So mit den Bramanen und Israeliten, die bloß ihr Zeremoniengeist von allen Völkern der Erde auf ewig sondert. So widerstand Ägypten lange der 20 Vermischung mit andern Völkern; und wie schwer ward's, die Phönizier auszurotten, bloß weil sie an dieser Stelle ein gewurzeltes Volk waren! . .

Hieraus ergibt sich, warum die alten Staatsverfassungen so sehr auf Bildung der Sitten durch die Erziehung 25 sahen, da von dieser Triebfeder ihre ganze innere Stärke abhing. Neuere Reiche sind auf Geld oder mechanische Staatskünste, jene waren auf die ganze Denkart der Nation von Kindheit auf gebauet; und da es für die Kindheit keine wirksamere Triebfeder als Religion gibt, so waren 30 die meisten alten, insonderheit asiatischen Staaten mehr oder minder theokratisch. Ich weiß, wie sehr man diesen Namen hasse, dem man größtenteils alles Übel zuschreibt, das je die Menschheit gedrückt hat; auch werde ich keinem seiner Mißbräuche das Wort reden; aber das ist zugleich 35 wahr, daß diese Regierungsform der Kindheit unsres Geschlechts nicht nur angemessen, sondern auch notwendig gewesen, sonst hätte sie sich gewiß nicht so weit erstreckt und so lange erhalten. Von Agypten bis Sina, ja beinah in allen Ländern der Erde hat sie geherrschet, so daß 40 Griechenland das erste Land war, das seine Gesetzgebung

allmählich von der Religion trennte. Und da eine jede Religion politisch um so viel mehr wirket, je mehr die Gegenstände derselben, ihre Götter und Helden mit allen ihren Taten Einheimische waren, so sehen wir, daß jede 5 alte, festgewurzelte Nation sogar ihre Kosmogonie und Mythologie dem Lande zugeeignet hatte, das sie bewohnte. Die einzigen Israeliten zeichnen sich auch darin von allen ihren Nachbarn aus, daß sie weder die Schöpfung der Welt noch des Menschen ihrem Lande zudichten. Ihr 10 Gesetzgeber war ein aufgeklärter Fremdling, der das Land ihres künftigen Besitzes nicht erreichte; ihre Vorfahren hatten anderswo gelebt, ihr Gesetz war außerhalb Landes gegeben. Wahrscheinlich trug dies nachher mit dazu bei, daß die Juden, wie beinah keine der alten Nationen, sich 15 auch außer ihrem Lande so wohl behalfen.

3. Endlich sehen wir aus dem ganzen Erdstrich, den wir durchwandert haben, wie hinfällig alles Menschenwerk, ja wie drückend auch die beste Einrichtung in wenigen Geschlechtern werde. Die Pflanze blühet 20 und blühet ab; eure Väter starben und verwesen; euer Tempel zerfällt; dein Orakelzelt, deine Gesetztafeln sind nicht mehr; das ewige Band der Menschen, die Sprache selbst, veraltet. Wie? und eine Menschenverfassung, eine politische oder Religionseinrichtung, die doch nur auf 25 diese Stücke gebauet sein kann, sie sollte, sie wollte ewig dauern? So würden dem Flügel der Zeit Ketten angelegt, und der rollende Erdball zu einer trägen Eisscholle über dem Abgrunde. . Die Tradition ist eine an sich vortreffliche, unserm Geschlecht unentbehrliche Naturordnung; 30 sobald sie aber sowohl in praktischen Staatsanstalten als im Unterricht alle Denkkraft fesselt, allen Fortgang der Menschenvernunft und Verbesserung nach neuen Umständen und Zeiten hindert, so ist sie das wahre Opium des Geistes sowohl für Staaten als Sekten und einzelne Menschen. 35 Das große Asien, die Mutter aller Aufklärung unsrer bewohnten Erde, hat von diesem süßen Gift viel gekostet und andern zu kosten gegeben. Große Staaten und Sekten in ihm schlafen, wie nach der Fabel der heilige Johannes in seinem Grabe schläft; er atmet sanft, aber seit fast 40 zweitausend Jahren ist er gestorben und harret schlummernd, bis sein Erwecker kommt.

Dreizehntes Buch.

VII. Wir haben die Geschichte dieses merkwürdigen Erdstrichs von mehreren Seiten betrachtet, weil sie zur Philosophie der Geschichte gewissermaßen ein einziges Datum ist unter allen Völkern der Erde. Nicht nur sind 5 die Griechen von der Zumischung fremder Nationen befreit und in ihrer ganzen Bildung sich eigen geblieben, sondern sie haben auch ihre Perioden so ganz durchlebt und von den kleinsten Anfängen der Bildung die ganze Laufbahn derselben so vollständig durchschritten als sonst 10 kein andres Volk der Geschichte. Entweder sind die. Nationen des festen Landes bei den ersten Anfängen der Kultur stehen geblieben und haben solche in Gesetzen und Gebräuchen unnatürlich verewigt, oder sie wurden, ehe sie sich auslebten, eine Beute der Eroberung; die Blume 15 ward abgemähet, ehe sie zum Flor kam. Dagegen genoß Griechenland ganz seiner Zeiten; es bildete an sich aus, was es ausbilden konnte, zu welcher Vollkommenheit ihm abermals das Glück seiner Umstände half. Auf dem festen Lande wäre es gewiß bald die Beute eines Eroberers 20 worden wie seine asiatischen Brüder; hätten Darius und Xerxes ihre Absichten an ihm erreicht, so wäre keine Zeit des Perikles erschienen. Oder hätte ein Despot über die Griechen geherrschet, er wäre nach dem Geschmack aller Despoten bald selbst ein Eroberer worden und hätte, 25 wie Alexander es tat, mit dem Blut seiner Griechen ferne Flüsse gefärbet; auswärtige Völker wären in ihr Land gemischt, sie in auswärtigen Ländern sieghaft umhergestreuet worden usw. Gegen das alles schützte sie nun ihre mäßige Macht, selbst ihr eingeschränkter Handel, der 30 sich nie über die Säulen Herkules' und des Glückes hinausgewaget. Wie also der Naturlehrer seine Pflanze nur dann vollständig betrachten kann, wenn er sie von ihrem Samen und Keim aus bis zur Blüte und Abblüte kennet, so wäre uns die griechische Geschichte eine solche Pflanze. Schade 35 nur, daß nach dem gewohnten Gange dieselbe bisher noch lange nicht wie die römische ist bearbeitet worden, Meines Orts ist's jetzo, aus dem, was gesagt worden, einige Gesichtspunkte auszuzeichnen, die aus diesem wichtigen Beitrage für die gesamte Menschengeschichte dem Auge 40

des Betrachters zunächst vorliegen. Und da wiederhole ich zuerst den großen Grundsatz:

Erstlich. Was im Reich der Menschheit nach dem Umfange gegebner National-, Zeit- und Ort5 umstände geschehen kann, geschiehet in ihm wirklich. Griechenland gibt hievon die reichsten und schönsten Erweise.

In der physischen Natur zählen wir nie auf Wunder; wir bemerken Gesetze, die wir allenthalben gleich wirk10 sam, unwandelbar und regelmäßig finden. Wie? und das Reich der Menschheit mit seinen Kräften, Veränderungen und Leidenschaften sollte sich dieser Naturkette entwinden? Setzet Sinesen nach Griechenland, und es wäre unser Griechenland nie entstanden; setzt unsre Griechen dahin, 15 wohin Darius die gefangenen Eretrier führte, sie werden kein Sparta und Athen bilden. Betrachtet Griechenland jetzt: ihr findet die alten Griechen, ja oft ihr Land nicht mehr. Sprächen sie nicht noch einen Rest ihrer Sprache, sähet ihr nicht noch Trümmern ihrer Denkart, ihrer Kunst, 20 ihrer Städte oder wenigstens ihre alten Flüsse und Berge, so müßtet ihr glauben, das alte Griechenland sei euch als eine Insel der Kalypso oder des Alcinous vorgedichtet worden. Wie nun diese neuern Griechen nur durch die Zeitfolge in einer gegebenen Reihe von Ursachen und 25 Wirkungen das worden sind, was sie wurden, nicht minder jene alten, nicht minder jede Nation der Erde. Die ganze Menschengeschichte ist eine reine Naturgeschichte menschlicher Kräfte, Handlungen und Triebe nach Ort und Zeit.

So einfach dieser Grundsatz ist, so aufklärend und 30 nützlich wird er in Behandlung der Geschichte der Völker. Jeder Geschichtforscher ist mit mir einig, daß ein nutzloses Anstaunen und Lernen derselben den Namen der Geschichte nicht verdiene; und ist dies, so muß bei jeder ihrer Erscheinungen, wie bei einer Naturbegebenheit, der 35 überlegende Verstand mit seiner ganzen Schärfe wirken. Im Erzählen der Geschichte wird dieser also die größeste Wahrheit, im Fassen und Beurteilen den vollständigsten Zusammenhang suchen und nie eine Sache, die ist oder geschieht, durch eine andre, die nicht ist, zu erklären 40 streben. Mit diesem strengen Grundsatz verschwinden alle Ideale, alle Phantome eines Zauberfeldes; überall sucht

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