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Hierarchie hatte mit ihren Blitzen das freie Denken erstickt, mit ihrem Joch jede edlere Betriebsamkeit gelähmet. Den Duldenden wurde Belohnung in einer andern Welt gepredigt; die Unterdrücker waren gegen Vermächtnisse ihrer Lossprechung in der Todesstunde sicher; das Reich 5 Gottes auf Erden war verpachtet.

Außerhalb der römischen Kirche war in Europa kein Heil; denn an die verdrängten Völker, die an den Ecken der Welt in kläglichem Zustande saßen, nicht zu gedenken, konnte man weder vom griechischen Kaisertum, noch we- 10 niger von dem einzigen Reich, das sich östlich in Europa außerhalb dem Gebiet des römischen Papstes und Kaisers zu bilden angefangen hatte, etwas erwarten. Also blieb dem westlichen Teile nichts übrig als er selbst oder die einzige südliche Nation, bei welcher eine neue Sprosse der 15 Aufklärung blühte, die Mohammedaner. Mit ihnen kam Europa bald und lange, und an seinen empfindlichsten Teilen, ins Gedränge; in Spanien dauerte der Konflikt sogar bis auf die Zeit der völligen Aufhellung Europas. Was war der Kampfpreis? Und wem ist der Sieg ge- 20 worden? Die neuerregte Tätigkeit der Menschen war ohne Zweifel der beste Preis des Sieges.

Zwanzigstes Buch.

VI. Wie kam also Europa zu seiner Kultur und zu dem Range, der ihm damit vor andern Völkern gebühret? 25 Ort, Zeit, Bedürfnis, die Lage der Umstände, der Strom der Begebenheiten drängte es dahin; vor allem aber verschaffte ihm diesen Rang ein Resultat vieler gemeinschaftlichen Bemühungen, sein eigner Kunstfleiß.

1. Wäre Europa reich wie Indien, undurchschnitten 30 wie die Tatarei, heiß wie Afrika, abgetrennt wie Amerika gewesen, es wäre, was in ihm geworden ist, nicht entstanden. Jetzt half ihm auch in der tiefsten Barbarei seine Weltlage wieder zum Licht, am meisten aber nutzten ihm seine Ströme und Meere. Nehmet den Dniepr, den 35 Don und die Düna, das Schwarze, Mittelländische, Adriatische und Atlantische Meer, die Nord- und Ostsee mit ihren Küsten, Inseln und Strömen hinweg und der große Handelsverein, durch welchen Europa in seine bessere Tätigkeit gesetzt ward, wäre nicht erfolget. Jetzt umfasseten 40

die beiden großen und reichen Weltteile Asien und Afrika diese ihre ärmere, kleinere Schwester; sie sandten ihr Waren und Erfindungen von den äußersten Grenzen der Welt, aus Gegenden der frühesten, längsten Kultur zu und 5 schärften damit ihren Kunstfleiß, ihre eigne Erfindung. Das Klima in Europa, die Reste der alten Griechen- und Römerwelt kamen dem allem zu Hülfe; mithin ist auf Tätigkeit und Erfindung, auf Wissenschaften und ein gemeinschaftliches, wetteiferndes Bestreben 10 die Herrlichkeit Europas gegründet.

2. Der Druck der römischen Hierarchie war vielleicht ein notwendiges Joch, eine unentbehrliche Fessel für die rohen Völker des Mittelalters; ohne sie wäre Europa wahrscheinlich ein Raub der Despoten, ein Schau15 platz ewiger Zwietracht oder gar eine mongolische Wüste worden. Als Gegengewicht verdienet sie also ihr Lob, als erste und fortdaurende Triebfeder hätte sie Europa in einen tibetanischen Kirchenstaat verwandelt. Jetzt brachten Druck und Gegendruck eine Wirkung hervor, an welche 20 keine der beiden Parteien dachte: Bedürfnis, Not und Gefahr trieben zwischen beiden einen dritten Stand hervor, der gleichsam das warme Blut dieses großen wirkenden Körpers sein muß, oder der Körper geht in Verwesung. Dies ist der Stand der Wissenschaft, der nützlichen 25 Tätigkeit, des wetteifernden Kunstfleißes; durch ihn ging dem Ritter- und Pfaffentum die Epoche ihrer Unentbehrlichkeit notwendig, aber nur allmählich zu Ende.

3. Welcher Art die neue Kultur Europas sein konnte, ist aus dem Vorhergehenden auch sichtbar. Nur eine Kul30 tur der Menschen, wie sie waren und sein wollten, eine Kultur durch Betriebsamkeit, Wissenschaften und Künste. Wer dieser nicht bedorfte, wer sie verachtete oder miẞbrauchte, blieb, wer er war; an eine durch Erziehung, Gesetze und Konstitution der Länder allgemein durch35 greifende Bildung aller Stände und Völker war damals noch nicht zu gedenken. Und wenn wird daran zu gedenken sein? Indessen geht die Vernunft und die verstärkte gemeinschaftliche Tätigkeit der Menschen ihren unaufhaltbaren Gang fort und siehet's eben als ein gutes Zeichen 40 an, wenn auch das Beste nicht zu früh reifet.

III. Zur Religionsphilosophie.

a) Gott.

Einige Gespräche.

Motto: Αν γνῶς τί ἐστι Θεὸς, ἡδίων ἔσῃ.

Vorrede. Zehn oder zwölf Jahre sind's, seit ich 5 eine kleine Schrift mit mir umhertrug, die den Namen: Spinoza, Shaftesbury, Leibniz führen sollte. Sie war fertig in meinen Gedanken, und ich ging mehrmals an die Ausführung derselben; allemal aber ward ich unterbrochen und mußte ihr eine andre Stunde wünschen.

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Neue Zeitumstände führten mich unvermerkt zu folgenden Gesprächen. Man würde ihren Zweck sehr verkennen, wenn man sie bloß für eine Ehrenrettung des Spinoza hielte; Spinoza hat diese Ehrenrettung nicht nötig und er sollte, meinem Zweck gemäß, jetzt bloß die Hand- 15 habe eines Opfergefäßes werden, aus welchem ich einige Tropfen dem Altar meiner Jugend darbringen wollte. Warum ich von ihm ausging, lag teils in der Reihe meiner Gedanken, teils in Veranlassungen, die meine Zeit mir selbst darbot.

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Niemand indes nehme meine Schrift so auf, als ob ich irgend einer gangbaren Philosophie vor- oder zwischentreten, sie verdrängen, Parteien herausfodern oder zwischen Parteien ein unberufener Schiedsrichter werden wollte. Es sind Gespräche einiger Personen, die ihre 25 Meinungen mit eben dem Recht äußern, mit welchem jeder andre seine Lehrsätze darstellt. Gespräche sind keine Entscheidungen, noch minder wollen sie Zank erregen: denn über Gott werde ich nie streiten.

Sehnlicher wünschte ich, daß was hier im Gespräch 30 bloß angedeutet werden konnte, eine unserer Philosophie

Stephan, Herders Philosophie.

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angemessenere Form erlebte. Nur einen ruhigen, heitern Sommer wünschte ich mir für meine Adrastea oder von den Gesetzen der Natur, sofern sie auf Weisheit, Macht und Güte als auf einer innern Notwendigkeit ruhen. 5 Da ich aber bestimmt bin, in meinem Leben selbst der Notwendigkeit, nicht der Willkür zu folgen, so wird die ewige Wahrheit, wenn ihr mein Werk angenehm ist, mir auch Muße dazu verleihen. Zufrieden wäre ich, wenn diese kleine Vorarbeit einige unbefangene Liebhaber der 10 Philosophie ergötzte, Kennern gefiele und hie und da einem Irrenden den Weg zeigte.

Erstes Gespräch.

Philolaus. Sehen Sie, mein Freund, die erquickende Stunde, die nach dem schrecklichen Ungewitter folget. 15 Schwefelwolken türmten sich auf, die uns den Anblick der Sonne benahmen und alles Irdische in schweren Odem setzten; sie sind zertrümmert und alles haucht wieder leicht und fröhlich. So stelle ich mir den Zustand der Weisheit vor, da Spinoza und seinesgleichen der Welt 20 den Anblick Gottes mit ihren schweren Dünsten rauben wollten sie türmten sich auch zum Himmel empor und umzogen das Firmament; aber eine gesundere Philosophie hat sie wie die Riesen hinuntergestürzt und der nachdenkende Geist erblickt die strahlende Sonne wieder.

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Theophron. Haben Sie den Spinoza gelesen, lieber

Freund?

Phil. Gelesen habe ich ihn nicht; wer wollte auch jedes dunkle Buch eines Unsinnigen lesen? Aber das habe ich aus dem Munde vieler, die ihn gelesen haben, daß er 30 ein Atheist und Pantheist, ein Lehrer der blinden Notwendigkeit, ein Feind der Offenbarung, ein Spötter der Religion, mithin ein Verwüster der Staaten und aller bürgerlichen Gesellschaft, kurz ein Feind des menschlichen Geschlechts gewesen und als ein solcher gestorben 35 sei. Er verdient also den Haß und Abscheu aller Menschenfreunde und wahren Philosophen.

Th. Die Gewitterwolke indessen verdiente ihn nicht, mit der Sie ihn eben verglichen haben: denn auch sie gehört zur Naturordnung und ist heilbringend und nütz

lich. Aber, ohne Gleichnis zu reden, haben Sie, mein Freund, auch nichts Näheres und Bestimmtes über Spinoza gelesen, woran wir uns im Gespräch halten könnten?

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Phil. Vieles, z. B. den Artikel über ihn in Bayle. Th. An Bayle haben Sie diesmal nicht eben den 5 besten Gewährsmann. Er nahm eifrige Partei gegen denselben, wozu ihn ohne Zweifel Umstände der Zeit und des Orts veranlaßten. Vielleicht lebte er dem Verstorben zu nahe: die Lehre, ja selbst der Name des Spinoza war damals ein Schimpfwort, wie sie es großenteils noch jetzt 10 sind alles Ungereimte und Gottlose nannte und nennet man zum Teil noch Spinozistisch. Nun war es des feinen Dialektikers Bayle Sache wohl nicht, ein System als System zu ergründen, und mit dem tiefsten Gefühl der Wahrheit ganz zu beherzigen. Er war der philoso- 15 phisch-historische Voltaire seiner Zeit, dessen Liebhaberei sich vom erhabensten Gegenstande bis zur kleinsten Kleinigkeit eines historischen Umstandes, einer Anekdote, eines Büchertitels oder gar einer Zote erstreckte. Für einen Geist dieser Art war nun Spinoza's System gar nicht. 20 Dieser eingeschlossene, schwere Denker hatte von allem, was Meinung war, einen sehr verächtlichen Begriff und ging mit mathematischer Genauigkeit der reinen, trocknen Wahrheit nach, wo er solche zu finden vermeinte. Alles übrige vergaß er, und von Bayle's Gelehrsamkeit, von 25 seinem Witz und Scharfsinn hatte er vielleicht nicht eins gegen tausend. Zwei Köpfe solcher Art werden einander schwerlich Gerechtigkeit widerfahren lassen, und doch bin ich überzeugt, hätte es Spinoza gegen den Verfasser des Wörterbuchs eher getan, als der muntre, vielgeschäftige 30 Bayle es gegen Spinoza tun mochte. .

Phil. Übel also für Spinoza, denn für den größesten Haufen hat eben doch Bayle den Begriff festgesetzt, den man von ihm heget. Wie wenige lesen Spinoza's dunkle Schriften, und alle Welt lieset den tausendfach-nützlichen, 35 abwechselnden, angenehmen Bayle.

Th. Gerade so ist's, mein Freund. Für das leichte Heer von Lesern hat Bayle den Begriff von Spinoza fixiert; für den schweren Phalanx haben es meistens streitende Philosophen und Theologen getan, und da ist 40 ihm noch übler begegnet. Es ging ihm nach dem Evan

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