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seines Lebens hat er nichts herausgegeben, als einen kleinen Traktat, mit welchem er Ruhe zu stiften gedachte; als diese Bemühung fehlschlug, wohnt er mit seiner Philosophie allein und verbrennt wenige Tage vor seinem Tode noch eine angefangene Übersetzung des alten Testaments: 5 damit sie auch nach seinem Tode keinen Unfrieden stiften möchte. Ich wollte, daß er sie nicht verbrannt hätte; denn hatte sie keinen Wert in sich, so hätte sie die Zeit doch vertilget.

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Ich will seine Schriften selbst ansehn. Sie sind 10 nach seinem Tode erschienen, und er hatte sie, wie der Augenschein zeigt, für sich selbst geschrieben: denn es sind meistens Fragmente.

Von der Besserung des Verstandes und von dem Wege, auf welchem man am besten zur wahren Kenntnis 15 der Dinge gelanget.

Belehrt von der Erfahrung, daß alles, was uns im gemeinen Leben so häufig begegnet, ein leerer Tand sei, weil ich sah, daß alles, wovor ich mich fürchtete, in sich selbst weder Böses noch Gutes habe, als sofern das Gemüt dadurch bewegt ward, entschloß 20 ich mich endlich zu forschen, ob es etwas gäbe, das wahrhaft gut sei und sich mitteile, so daß mit Verwerfung alles andern die Seele von ihm allein Einwirkung erhalte; ja, ob es etwas gebe, das, wenn ich's fände und hätte, mir einen unverrückten, höchsten und ewigen Freude-Genuß gewähren könnte. Ich sage, daß ich 25 mich endlich entschlossen: denn dem ersten Anblick nach schien es unratsam zu sein, um eine mir damals ungewisse Sache eine gewisse verlieren zu wollen; ich sah nämlich die Vorteile, die aus Ehre und Reichtum entspringen und die ich nicht weiter suchen müßte, sobald ich mich ernstlich nach meinem neuen Zweck wenden 30 wollte. Läge also das höchste Glück in ihnen, so sahe ich wohl, daß ich desselben entbehren müßte; fände es sich aber in ihnen nicht und ich jagte ihnen doch nach, so müßte ich seiner auch entbehren. Ich überlegte also bei mir selbst, ob es nicht möglich sei, zu meinem neuen Zweck oder wenigstens zur Gewißheit zu kommen, 35 daß es einen solchen gebe, wenn ich auch meine gewöhnliche Lebensweise nicht veränderte; welches ich oft vergebens versucht habe. Denn was uns gemeiniglich im Leben begegnet und von den Menschen (nach ihren Handlungen zu urteilen) für das höchste Gut angesehen wird, läßt sich auf drei Stücke bringen: auf Reichtümer, 40 Ehre und Lust. Durch alle drei aber wird das Gemüt so zerstreuet, daß es an kein anderes Gut irgend gedenken kann. Denn was die Wohllust betrifft, so täuscht sie das Gemüt eine Zeitlang, als ob es in einem Gut ruhe, und hindert es damit an kein anderes zu denken; bald aber folget auf ihren Genuß die tiefste Traurigkeit, die den 45

Geist, wenn nicht fesselt, so doch störet und stumpf macht. Auch wenn wir Ehre und Reichtum verfolgen, zerstreuet sich die Seele, insonderheit wenn wir sie um ihr selbst willen begehren, weil sie uns alsdann ein höchstes Gut dünken. Die Ehre aber zerstreuet das 5 Gemüt noch mehr als der Reichtum, weil sie fortwährend als ein wahres Gut und als der letzte Zweck geschätzt wird, nach welchem man alles einrichten müsse. Ferner findet bei Ehre und Reichtümern auch nicht, wie bei der Wohllust, die Reue statt, sondern je mehr man von beiden besitzt, desto mehr freuet man sich und 10 wird mehr und mehr angeregt, beide zu vermehren. Schlägt aber bei irgend einem Zufalle die Hoffnung fehl, so bringen beide die größeste Traurigkeit. Endlich ist auch die Ehre deswegen ein großes Hindernis, weil, um sie zu erlangen, man sein Leben notwendig nach der Denkart andrer Menschen einrichten muß, daß 15 man nämlich fliehe, was sie fliehen, und suche, was sie suchen.

Da ich also sahe, daß dies alles mir Hindernis sei, mich auf mein neues Werk zu legen, ja mit demselben in solchem Widerspruch stehe, daß ich von einem oder dem andern notwendig ablassen müsse, so ward ich gezwungen zu forschen, welches von 20 beiden mir nützlicher wäre. Denn ich kam, wie gesagt, in den Fall, ein gewisses Gut für ein ungewisses aufgeben zu wollen. Als ich aber diese Überlegung etwas fortgesetzt hatte, so fand ich zuerst, daß wenn ich meine alte Lebensweise gegen die neue vertauschte, ich immer doch nur ein seiner Natur nach ungewisses 25 Gut gegen ein andres Ungewisse aufgebe, das seiner Natur nach nicht ungewiß sein könnte, weil ich ein festes Gut suchte, sondern das nur sofern zweifelhaft bliebe, ob ich's erreichte. Durch fortgesetztes Nachdenken kam ich aber gar so weit, einzusehn, daß wenn ich meine Überlegung nur zum Entschluß brächte, ich gewisse 30 Übel gegen ein gewisses Gut vertauschte. Ich sah nämlich, daß ich in der größesten Gefahr schwebte und in der Not wäre, ein auch ungewisses Rettungsmittel mit allen Kräften zu suchen: wie der Kranke, der, wenn er kein Mittel braucht, den gewissen Tod vor sich siehet, auch ein ungewisses Mittel mit allen Kräften suchen 35 muß, da seine ganze Hoffnung darauf beruhet. Alle die Dinge aber, denen der große Haufe nachstrebt, gewähren nicht nur kein Mittel zu unsrer Erhaltung, sondern sie verhindern dasselbe auch und sind oft die Ursache des Untergangs derer, die sie besitzen, immer aber die Ursache des Untergangs derer, die von ihnen besessen werden. 40 Es gibt viele Beispiele von Menschen, die ihres Reichtums wegen sich bis auf den Tod verfolgen ließen, auch Beispiele von Menschen, die, um Güter zu erlangen, sich so vielen Gefahren aussetzten, daß sie endlich ihre Torheit mit dem Leben büßten. Nicht wenigere gibt es, die, um Ehre zu erlangen oder zu erhalten, aufs 45 elendeste litten. Unzählige Beispiele endlich sind von solchen vorhanden, die durch übermäßige Wohllust ihren Tod beschleunigt haben. Alle diese Übel scheinen mir daher zu kommen, daß das ganze Glück oder Unglück in der Beschaffenheit des Gegenstandes liegt, dem wir mit Liebe zugetan sind. Denn um etwas, 50 was man nicht liebt, entstehet kein Streit; man grämet sich nicht darüber, wenn es verschwindet, man fühlt keinen Neid, wenn es

ein anderer besitzt, keine Furcht, keinen Haß, kurz keine Gemütsbewegung, welches alles zutrifft, wenn man so vergängliche Dinge liebt, wie alle die sind, von denen wir bisher geredet haben. Liebe aber zu einem ewigen und unendlichen Gegenstande kann nur Freude der Seele gewähren, eine Freude, die von keiner Traurig- 5 keit weiß; wahrlich ein sehr wünschenswürdiger Zweck, nach welchem man mit allen Kräften streben müßte! Ohn' Ursach aber bediente ich mich nicht des Ausdrucks: wenn ich mich nur ernstlich entschließen könnte; denn ob ich gleich dies alles in meiner Seele so klar einsah, so konnte ich deswegen doch allen 10 Geiz, alle Lust- und Ehrsucht nicht ablegen.

Das eine sah ich, daß, solange mein Gemüt mit diesen Gedanken beschäftigt war, so lange verabscheuete es jene Neigungen und dachte ernstlich an eine andre Lebensweise; welches mir denn zum großen Trest gereichte. Denn ich sah, mein Übel sei wenig- 15 stens doch noch nicht so groß, daß kein Mittel dagegen wäre. Und obgleich anfangs diese hellen Zwischenräume selten waren und nur kurze Zeit daureten, so kamen sie doch, nachdem ich das wahre Gute mehr und mehr erkennen lernte, nicht nur öfter, sondern dauerten auch länger; zumal da ich einsah, daß der Erwerb des 20 Geldes oder die Lust- und Ehrbegierde nur so lang' Hindernisse blieben, so lange man sie nicht als Mittel sondern als Zwecke suchte. Sucht man sie als Mittel, so haben sie Maß und hindern nicht sondern fördern vielmehr, zu dem Zweck zu gelangen, deshalb man sie suchet.

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Hier will ich nur kurz sagen, was ich durchs wahre Gute verstehe, und zugleich, was das höchste Gut sei. Dies recht zu fassen, merke man, daß Gut und Böse nur beziehungsweise gesagt werden, so daß eine und dieselbe Sache gut und übel heißen kann in verschiedener Rücksicht, so auch vollkommen und unvoll- 30 kommen. Denn seiner Natur nach kann nichts vollkommen oder unvollkommen genannt werden, vornämlich weil wir wissen, daß alles, was geschieht, nach einer ewigen Ordnung und nach gewissen Naturgesetzen geschehe. Da aber der schwache Mensch diese Ordnung mit seinen Gedanken nicht erreicht und sich dabei doch eine 35 menschliche Natur denkt, die viel fester als die seinige sei, ja kein Hindernis siehet, warum er eine solche Natur nicht erlangen könnte, so wird er angereizt, Mittel zu suchen, die ihn zu dieser Vollkommenheit führen. Alles, was ein Mittel sein kann, dahin zu gelangen, heißt ihm ein wahres Gut; das höchste Gut aber ist, 40 dahin zu gelangen, daß er mit andern Individuen wo möglich einer solchen Natur genieße. Was dies für eine Natur sei, werden wir an seinem Ort sehen: sie sei nämlich Erkenntnis der Vereinigung, die das Gemüt mit der ganzen Natur hat. Dies ist also der Zweck, nach welchem ich strebe, eine solche Natur zu 45 erlangen, und daß viele sie mit mir erlangen mögen; d. i. zu meiner Glückseligkeit gehöret es auch, Fleiß anzuwenden, daß viele andre das einsehen, was ich einsehe, daß ihr Verstand und ihre Begierde völlig mit der meinigen übereinstimme. Und damit dies werde, so ist nötig, daß sie von der Natur so viel verstehen, als nötig ist, 50 eine solche Natur zu erlangen; ferner, eine Gesellschaft zu stiften,

in welcher eine große Anzahl auf die leichteste Art mit Sicherheit dahin gelangen möge. Weiter muß man auf die Moralphilosophie und auf die Lehre von der Erziehung der Kinder Fleiß anwenden, und weil die Gesundheit kein kleines Mittel ist, diesen Zweck zu 5 erreichen, muß die ganze Medizin in Ordnung gebracht werden. Weil auch durch die Kunst viel Schweres leicht gemacht, viele Zeit erspart und viele Bequemlichkeit fürs Leben erworben wird, so ist auch die Mechanik auf keine Weise zu verachten. Vor allen Dingen aber ist eine Art auszusinnen, wie der Verstand geheilt und (wiefern 10 es von Anfange an sein kann) gereinigt werde, damit er die Sache ohne Irrtum und aufs beste einsehen lerne. Jedermann siehet hieraus, daß ich alle Dinge auf einen Zweck, auf ein Ziel richten wolle, nämlich daß man zur ebengenannten höchsten Vollkommenheit des Menschen gelange; was also in den Wissenschaften nichts 15 zu unserm Zweck beiträgt, muß als unnütz verworfen, kurz alle unsre Gedanken und Handlungen zu diesem Zweck gerichtet werden. Weil aber, wenn wir den Verstand auf den rechten Weg zu lenken suchen, wir auch leben müssen, so müssen wir auch einige Lebensregeln als gut annehmen. Diese nämlich:

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1. Nach der Denkart des gemeinen Mannes zu reden und alles zu bewirken, was uns kein Hindernis in den Weg legt, unser Ziel zu erreichen. Denn von ihm können wir großen Vorteil erwarten, wenn wir, so weit es sein kann, uns seiner Denkart bequemen. Er wird auch auf diese Weise der Wahrheit selbst ein geneigtes Ohr 25 schenken.

2. Des Vergnügens nur sofern zu genießen, als es zur Gesundheit gehöret.

3. Geld und jedes andre nur soweit zu suchen, als es zum Leben, zur Gesundheit und zur Sitte des Landes gehöret, in wiefern 30 diese unserm Zweck nicht widerstrebet.

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Träume ich oder habe ich gelesen? Ich glaubte einen frechen Atheisten zu finden, und ich finde beinah einen metaphysisch-moralischen Schwärmer. Welch ein Ideal der menschlichen Natur, der Wissenschaft, der Natur35 kenntnis ist in seiner Seele! und er geht zu ihm mit so überdachtem, mühsam-schweren Schritt und Stil, als manche zur Umänderung ihres Lebens nicht ins Kloster wandern. Offenbar ist der Aufsatz aus den jüngern Jahren des Mannes, da er vom Judentum Abschied nahm und 40 seine philosophische Lebensart wählte: er hat diese fortgesetzt bis ans Ende seines Lebens; was mag er in ihr erreicht haben? Aber siehe, da kommt Theophron.

Th. Noch so fleißig? Philolaus, Sie haben die Witterung nicht ganz wahr gelobet; die abgeregneten Spinozi

stischen Gewitterwolken haben uns eine Kälte verursacht, die man nach Ihrem Gleichnis nicht vermuten sollte.

Phil. Lassen Sie mein Gleichnis und geben mir diesen Band mit; ich sehe, ich habe mich an Spinoza geirret. Was, meinen Sie, soll ich zuerst lesen?

Th. Zuerst und fast einzig seine Ethik. Das übrige ist Fragment, und der theologisch-politische Traktat war nur eine frühere Zeitschrift. Nehmen Sie aber ja einige Regeln mit auf die Reise.

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1. Ehe Sie den Spinoza lesen, müssen Sie notwendig 10 den Descartes, wenn auch nur als Wörterbuch, lesen. Sie sehen in diesem den Ursprung der Worte und Gedanken, also auch der sonderbaren, harten Ausdrücke des Spinoza. Nehmen Sie hiezu Descartes' Hauptschriften oder irgend einen seiner Schüler, unter welchen Ihnen insonderheit 15 Clauberg die Sätze des Cartesianismus sehr klar und ordentlich vorträgt; Sie werden solche hier in einem Bande beisammen finden. Sodann gehen Sie an des Descartes principia philosophiae von Spinoza selbst, die er für einen seiner Lehrlinge aufgesetzt hat; Sie treffen in 20 ihnen den Übergang zu seinem eignen System an. Einen Baum muß man von seinem Ursprunge an, nicht nur in seinen Teilen, sondern auch in den Veranlassungen seines Entstehens und Wachstums kennen lernen; gesetzt, daß es auch ein Giftbaum wäre. Denn läsen Sie diesen Phi- 25 losophen des vorigen Jahrhunderts nach der Sprache unsrer Philosophie, so müßte er Ihnen freilich ein Ungeheuer dünken.

2. Geben Sie sorgfältig auf seine geometrische Methode acht und lassen sich von ihr nicht nur nicht be- 30 rücken, sondern bemerken auch, wo diese ihn berückte. Er hatte sie von Descartes; nur er wagte den kühneren Versuch, sie auch der Form nach auf alle, selbst die verflochtensten moralischen Materien anzuwenden, und eben dieser Versuch hätte seine geometrischen Nachfolger in 35 der Metaphysik warnen mögen.

3. Bleiben Sie nie bei ihm stehen, sondern rufen bei jedem seiner paradoxen Sätze die neuere Philosophie zu Hülfe, so daß Sie sich fragen, wie diese solche oder eine ähnliche Behauptung weggeräumt oder leichter, besser, 40 unanstößiger, glücklicher ausgedruckt habe. Sogleich wird

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