ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Ihnen dann ins Auge fallen, warum Ihr Autor solche noch nicht so glücklich habe ausdrucken können; mithin werden Sie den Ursprung seines Irrtums und den Fortgang der Wahrheit selbst gewahr werden. Nehmen Sie in 5 dieser Absicht seine wenigen Briefe zu seiner Moral hinzu; sie sind in manchen Stücken sehr aufklärend, und an dem Rande meines Exemplars werden Sie von einer alten Hand geschriebene Nachweisungen auf die Ethik und in der Ethik auf sie finden. Dienten diese Briefe zu keinem 10 andern Zweck, so zeigten sie, wie ganz es dem Spinoza mit seiner Philosophie ein Ernst gewesen, wie sehr er sich von ihr überzeugt hatte und wie glücklich er sich in derselben fühlte. Wenn Sie dies Geschäft geendet haben und Ihnen daran liegt, wollen wir über Ihre Zweifel oder 15 über seine Irrtümer ein Weiteres reden.

Zweites Gespräch.

Phil. Ich komme mit meinem Spinoza; aber beinah ungewisser, als ich vorher war. Daß er kein Atheist sei, erscheint auf allen Blättern; die Idee von Gott ist 20 ihm die erste und letzte, ja ich möchte sagen, die einzige aller Ideen, indem er an sie Welt- und Naturkenntnis, das Bewußtsein sein selbst und aller Dinge um ihn her, seine Ethik und Politik knüpfet. Ohne den Begriff Gottes vermag seine Seele nichts, auch nicht sich selbst zu denken, 25 und es ist ihm beinah unbegreiflich, wie Menschen Gott gleichsam nur zu einer Folge andrer Wahrheiten und sogar sinnlicher Bemerkungen machen können, da alle Wahrheit wie alles Dasein nur aus der ewigen Wahrheit, aus dem unendlichen, ewigen Dasein Gottes folget. Dieser Begriff 30 ist ihm so gegenwärtig, so unmittelbar und innig geworden, daß ich ihn gewiß eher für einen Schwärmer fürs Dasein Gottes, als für einen Zweifler oder Leugner desselben hielte. In die Erkenntnis und Liebe Gottes setzt er alle Vollkommenheit, Tugend und Glückseligkeit der Menschen. 35... Möge er sich in der Idee von Gott auf tausendfache Art geirret haben; wie aber Leser seiner Werke je sagen konnten, daß er die Idee von Gott verleugnet und den Atheismus demonstriert habe, ist mir unbegreiflich.

Th.... Lassen Sie uns indes bei dieser Befremdung

t

nicht stehen bleiben, die sich von selbst aufklären wird, wenn wir sein System durchgehen. Was haben Sie für Zweifel dagegen?

Phil. Wo soll ich anfangen, wo endigen? Das ganze System ist mir ein Paradoxon. Es gibt nur eine Sub- 5 stanz und diese ist Gott; alle Dinge sind in ihm nur Modifikationen.

Th. Am Wort Substanz irren Sie sich nicht; Spinoza nahm's nach seiner reinsten Bedeutung und mußte es also nehmen, wenn er geometrisch schreiben und einen ersten 10 Begriff zum Grunde legen wollte. Was heißt Substanz, als ein Ding, das für sich besteht, das die Ursache seines Daseins in sich selbst hat? Ich wollte, daß diese reine Wortbedeutung in die Philosophie hätte eingeführt werden können. In schärfsten Verstande ist kein 15 Ding der Welt eine Substanz, weil alles von einander und zuletzt alles von Gott abhängt, der auf diese Weise die höchste, einzige Substanz ist. Indessen hat dieser geometrische Begriff in der Philosophie, die immer noch popular bleiben muß, keinen allgemeinen Gebrauch erhalten können, 20 weil wir uns bei aller unsrer Abhängigkeit dennoch für selbständig halten und auf gewisse Weise auch halten können, wie wir bald sehen werden.

Phil. Doch aber sind wir keine bloße Modifikationen? Th. Das Wort ist für uns anstößig und wird daher 25 nie in der Philosophie Raum gewinnen. Wagte es indes die Leibnizische Schule, die Materie eine Erscheinung von Substanzen zu nennen, warum sollte dem Spinoza nicht sein härterer Ausdruck erlaubt sein? Die Substanzen der Welt werden allesamt von göttlicher Kraft 30 erhalten, wie sie nur durch göttliche Kraft ihr Dasein bekamen; sie bilden also, wenn man will, modifizierte Erscheinungen göttlicher Kräfte, jede nach der Stelle, nach der Zeit, nach den Organen, in und mit welchen sie erscheinen. Spinoza nahm also mit seiner einzigen Substanz 35 eine kurze Formel, die seinem System allerdings viel Zusammenhang gibt, unserm Ohr aber fremde klinget. Immer war sie doch besser, als die Gelegenheitsursachen der Cartesianer, von denen er ausging und nach denen Gott gleichfalls alles selbst, nur aber gelegentlich wirken 40 sollte. Ein weit unbequemerer Ausdruck, und wie lange

hat er gegolten! Selbst die Leibnizische Philosophie hat ihn nur durch eine andere Hypothese weggebracht, die freilich artiger klingt, aber auch ihre Schwierigkeiten findet. Es ist die prästabilierte Harmonie aller 5 Dinge, von der wir bald reden werden. Sie sehen, m. Fr., daß in allen diesen Ausdrücken keine Ketzerei liegt; nur einer ist unbequemer als der andere, und im Grunde verstehen wir bei allen gleich wenig. Wir wissen nicht, was Kraft sei oder wie Kraft wirke; viel weniger 10 wissen wir, wie die göttliche Kraft etwas hervorgebracht habe und sich jedem Dinge nach seiner Weise mitteile. Daß indessen alles von einem selbständigen Wesen sowohl in seinem Dasein als in seiner Verbindung, mithin auch in jeder Äußerung seiner Kräfte abhangen müsse, daran kann 15 kein konsequenter Geist zweifeln. Worüber lächeln Sie, Philolaus?

Phil. Ich sehe so manche pathetische Deklamation gegen den Spinoza auf einmal in ihr Nichts zurückgehn, die mit nichts als dem Namen seiner einzigen Substanz 20 und seiner Modifikationen kämpfte; sie fochten alle bloß mit einem Nebel unbequemer Worte. Ihnen ist bekannt, Theophron, welch ein Heer lächerlicher Widersprüche und Gotteslästerungen man ihm andichtete, z. B. daß seinem System zufolge Gott bei allem Guten alles Böse in der 25 Welt tun, daß er alle Torheiten verüben, alle Irrtümer denken, gegen sich selbst streiten, sich in Spinoza selbst lästern und leugnen müßte u. f. Was von Spinoza's Modifikationen gilt, gilt von Descartes' gelegentlichen Ursachen, von Leibnizens prästabilierter Harmonie, ja selbst vom 30 physischen Einfluß nicht minder. Geschehen diese Dinge einmal in Gottes Welt, so geschehen sie durch den Gebrauch und Mißbrauch seiner Kräfte, d. i. der Kräfte, die er abhängigen Wesen anschuf und erhält; man möge sich seine Vorhersehung oder Mitwirkung auf solche oder eine 35 andre Weise denken. Überhaupt habe ich's gefunden, daß, wenn man die Meinung eines Menschen gar zu abgeschmackt und ungereimt vorstellt, man gemeiniglich selbst entweder eine Ungerechtigkeit begehe oder eine Ungereimtheit sage. Man macht sich mit solchen Formeln 40 den Sieg über die schwersten Sachen zwar leicht; es ist aber auch nur das Blendwerk eines Sieges.

Th. Also werden Sie jetzt auch darin keine Gotteslästerung finden, wenn Spinoza das selbständige Wesen eine nichtvorübergehende, sondern die bleibende immanente Ursache aller Dinge nennet?

Phil. Wie könnte ich sie finden, da sich gegenteils 5 bei Gott als einer vorübergehenden Ursache der Dinge nichts denken läßt. Wie und wenn und wem gehet er vorüber? Ein Geschöpf ohne seinen Beistand ist nichts, und wie kann der vorübergehen, der keinen Ort hat, keinen Ort räumet, in dem keine Abwechselung und Ver- 10 änderung sein kann?

Th. Aber wie, wenn Gott außer der Welt wohnte? Phil. Wo ist ein Ort außer der Welt? Sie selbst und Raum und Zeit in ihr, durch welche nur wir die Dinge messen und zählen, sind ja allein durch ihn, den 15 Unendlichen, da.

Th. Vortrefflich, Philolaus. Sie geraten also auch nicht in das Labyrinth von Fragen:

Wie Gott die Ewigkeit einst einsam durchgedacht?
Warum jetzt und nicht eh er eine Welt gemacht?
Oder:
Wie sich die weiten Kreise

[ocr errors]

Der anfangslosen Daur gehemmt in ihrer Reise?
Wie Ewig ward zur Zeit, und wie der Zeiten Fluß
Ins Meer der Ewigkeit sich einst verlieren muß? u. f.

Phil. Ich setze nicht hinzu:

20

25

Das soll ich nicht verstehn und kein Geschöpfe fragen; Es möge sich mein Feind mit solchem Vorwitz plagen. Denn auch meinem Feinde wünschte ich dergleichen Phantome der Einbildungskraft als einen unergründlichen Gegenstand des Wissens nicht. Gott durchdachte keine Ewig- 30 keit einsam: es war kein Jetzt und kein Ehe, eh eine Welt war eine anfangslose Dauer ist keine Ewigkeit Gottes, und in dieser gibt's keine Reise. Das Ewig kann so wenig zur Zeit, als die Zeit zur Ewigkeit oder das Endliche zum Unendlichen werden.

Th. Das haben Sie doch nicht erst aus Spinoza gelernet?

35

Phil. Vielmehr freuete es mich, daß er die gewöhnlichen ganz unphilosophischen Verwirrungen hierüber gerade vorübergegangen war und Zeit und Ewigkeit, das 40 Endlos-Unbestimmte und das durch sich Unendliche richtig

Stephan, Herders Philosophie.

13

unterschieden hatte. Die Ewigkeit Gottes kann durch keine Dauer oder Zeit erklärt werden, gesetzt, daß man diese auch endlos (indefinite) annähme. Die Dauer ist eine unbestimmte Fortsetzung des Daseins, die aber schon 5 in jedem Punkt ein Maß der Vergänglichkeit mit sich führet. Dem Unvergänglichen, völlig Unveränderlichen kann sie also auf keine Weise zugeschrieben werden.

Th. Die Welt ist also auch mit Gott nicht gleich ewig? 10 Phil. Sie kann dies nicht sein, weil sie Welt, d. i. ein System der Dauer zu- und nach einander geordneter Dinge ist, deren keinem das absolute Dasein oder die unwandelbare Ewigkeit ohne Maß und Zeitendauer zukommt.

15 Th. Also macht's Ihnen auch keine Verwirrung der Begriffe, daß die ewige Macht Gottes schuf und doch keinem der Geschöpfe, auch in ihrem ganzen System nicht, seine Ewigkeit zukommt?

Phil. Die ewige Macht Gottes schuf, weil sie sich 20 nie besinnen durfte und nie müßig sein konnte; kein Geschöpf aber ist ewig wie Gott. Denn sein Dasein beruhet nur auf einer Folge und hat mit allen Seinesgleichen das Zeitenmaß der Veränderung in sich. Also auch eine immerhin fortgesetzte Weltschöpfung wird durch diese 25 Fortsetzung nie ewig. Ihr Maß ist endlos, aber in unsern Gedanken dennoch ein Maß. Dies alles begreife ich leicht; ich habe aber einen andern Zweifel auf dem Herzen, den ich gelöset wünschte. Er betrifft die Eigenschaften dieses unendlichen, ewigen Gottes bei Spinoza. Wie kann 30 er, der Zeit und Ewigkeit so richtig unterscheidet, auf der andern Seite so unzusammenhangend sein, daß er die Ausdehnung zur Eigenschaft Gottes macht und nicht oft und stark gnug sagen kann: Gott sei ein Extensum? Der Raum verhält sich ja völlig wie die 35 Zeit; ist nun jene mit dem Begriff des Ewigen ganz unvergleichbar, so ist der Raum auch mit dem Begriff einer einfachen Substanz, die Spinoza doch mit felsenfester Stärke annimmt, gleichfalls unausmeßbar.

Th. Ihre Bemerkung ist sehr wahr; aber sehen Sie 40 auch, wo Spinoza diesen Irrtum vorträgt, sofort wird Ihnen die Ursache desselben einleuchten.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »