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Jene Prahler, jene Schwätzer von Gott wissen nichts von ihm; wer ihn kennet, schweigt.

O du, höher als alle Gedanken, als alles Urteil, als jede Meinung, als jede Einbildung. Alles, was die Väter sagten, las und hörete ich: Gespräch und Leben ist zu 5 Ende, und ich bin eben am Anfange deiner Beschreibung.

Drittes Gespräch.

Phil. Was haben Sie da für eine schöne Göttin vor sich? Schön wie die Liebe und ernst wie die Weisheit: sie blickt zum verschleierten Busen hinunter und hält die 10 Linke, als ob sie etwas an ihr messe; die gemessene Hand hält einen Zweig. Es ist etwas Stilles in ihrem Tritt und eine erhabene Anmut in ihrer ganzen Haltung.

Th. Es ist die Nemesis der Griechen, ein personifizierter Begriff, den ich sehr liebe. Sie ist ernst und 15 schön denn sie ist eine Tochter der Gerechtigkeit, die nicht anders als eine weise Güte sein kann. Darum misset sie mit der Rechten das Betragen und Glück der Sterblichen ab und blickt unparteiisch zum Busen hinunter; für den aber, der das Maß trifft, hält sie den Zweig der 20 Belohnung. Sonst hat sie auch ein Rad unter ihren Füßen: eine Anzeige, daß sie das Glück des Übermütigen im schnellen Nu, durch die leichteste Berührung stürze und ihn verderbe. Bei der Bildsäule ließ der Künstler dies Symbol weg und gab ihr dafür nur den stillen Tritt, die 25 sanfte feste Haltung, die Sie bemerkten; unsere Nemesis, m. Fr., soll des schreckenden stürzenden Rades auch nicht bedürfen. Das ernst-gütige Angesicht der Göttin selbst, ihr weises Maß und der Zweig des Glückes, den sie in der Hand hält, sind der Symbole gnug, uns an die feste 30 Naturwahrheit zu erinnern: daß aller Bestand, alles Wohlsein, ja das Dasein der Dinge selbst nur auf Maß, Proportion und Ordnung gebauet sein und sich durch diese allein erhalten.

Phil. Da treffen Sie, Theophron, auf den Satz eines 35 meiner geachtetsten Philosophen, den ich den Leibniz unsrer Zeit nennen möchte, Lamberts. Sowohl in seinem Organon als in seiner Architektonik kann er nicht oft gnug auf die Wahrheit zurückkommen, daß der Be

harrungsstand, mithin das Wesen jedes eingeschränkten Dinges, allenthalben auf einem Maximum beruhe, bei welchem gegenseitige Regeln einander aufheben oder einschränken, mithin die Bestandheit der Dinge und ihre 5 innere Wahrheit, nebst dem Ebenmaß, der Ordnung, Schönheit, Güte, die sie begleiten, auf eine Art innerer Notwendigkeit gegründet sei.

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Th.... Aber wo ist das Rad der Veränderung, das der Nemesis gehöret, in Ihrer mathematischen Formel? 10 Phil. Der Weltweise vergaß es nicht; er bemerkte, daß wenn Dinge oder Systeme von Dingen in ihrem Beharrungszustande gestört werden, sie sich demselben auf eine oder die andere Weise wieder zu nähern trachten und bestimmte diese Weisen.

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Th. Vortrefflich. ... Sein Tod ist zu beklagen; aber andre Geister werden anbauen, was er unvollendet gelassen hat. In der mathematischen Physik hat man viele dergleichen Gesetze und Kompensationen der höchsten Weisheit bereits gefunden, die alle Willkür ausschließen und 20 dem denkenden Geist den hohen Begriff innerer Vollkommenheit, Güte und Schönheit in der Existenz und Fortdauer eines jeden Dinges zu seiner unbeschreiblichen Freude geben. Aus manchen dieser Bemerkungen hat man freilich anfangs zuviel schließen wollen; 25 das schadet aber der Schönheit ihrer Erfindung nicht. Der Irrtum schleift sich ab, aber die Wahrheit bleibet. Je mehr die wahre Physik zunimmt, desto weiter kommen wir aus dem Reich blinder Macht und Willkür hinaus, ins Reich der weisesten Notwendigkeit, einer in sich selbst 30 festen Güte und Schönheit. Alle sinnlose Furcht verschwindet, wenn die freudige klare Zuversicht allenthalben eine Schöpfung gewahr wird, in deren kleinstem Punkt der ganze Gott mit seiner Weisheit und Güte gegenwärtig ist, und dem Wesen dieses Geschöpfs nach mit seiner 35 ungeteilten und unteilbaren Gotteskraft wirket. Wo bleibt z. B. das leere Schrecken, daß ein Komet unsre Erde überflügle, seitdem man den Gang dieser Weltkörper genauer kennet und nicht nur mehr als siebenzig derselben, sondern selbst die Fälle berechnet hat, in welchen eine solche 40 Überstürzung nach Naturgesetzen zu befürchten wäre. Die Möglichkeit dieses Unfalls wird durch die Berechnung so

ungeheuer klein, daß sie, der innern Natur der Kräfte nach, durch welche sich das Weltall erhält, beinahe zum Nichts verschwindet. Was hat man nicht von den Unregelmäßigkeiten und ihren bösen Folgen gewähnt, in welche sich die Himmelskörper durch ihre gegenseitige 5 Anziehungen mit der Zeit stürzen müßten! Der leere Schrecken ist bloß durch die klärere Ansicht der Sache selbst verschwunden, da man gefunden hat, daß nach unwandelbaren Gesetzen der Natur sich diese Unregelmäßigkeiten einander selbst kompensieren. Wohltätige, schöne 10 Notwendigkeit, unter deren überall ausgebreitetem Zepter wir leben! Sie ist ein Kind der höchsten Weisheit, die Zwillingsschwester der ewigen Macht, die Mutter aller Güte, Glückseligkeit, Sicherheit und Ordnung. Wüßte ich ein schöneres Bild derselben aus dem Altertum, die Ne- 15 mesis sollte dieser höheren Adrastea sogleich ihren Platz einräumen.

Phil. Das war also das Goldstück, das Sie mir in dem Knoten versprachen, den uns Spinoza mit seiner innern Notwendigkeit der Natur Gottes geknüpft 20 hat; aber, Theophron, der Knote ist noch nicht gelöset. Wie hart redet er gegen alle Absichten Gottes in der Schöpfung! Wie bestimmt spricht er Gott den Verstand und Willen ab und leitet alles, was da ist, bloß und allein aus seiner unendlichen Macht ab, die er nicht nur über 25 Verstand und Absichten setzt, sondern auch völlig von denselben trennet. Sie wissen, m. Fr., daß diese Sätze unserm Philosophen die härtesten Gegner zugezogen haben; selbst Leibniz, der den Spinoza sehr ehrte, hat sich in seiner Theodicee aufs bestimmtste gegen sie erkläret. . . . 30 Th.... ich kann klar beweisen, teils, daß Spinoza sich selbst in diesen Sätzen nicht völlig verstanden, weil sie Folgen der bösen Cartesischen Erklärungen sind, die er in sein System nahm und seiner Zeit gemäß nehmen mußte; teils, daß man ihn noch viel falscher verstanden 35 hat, als er sich dunkel ausdruckte. Räumen wir aber jene Irrtümer des Cartesius weg und erklären des Spinoza Sätze bloß der Grundidee zufolge, auf welche er sein eignes System bauete, so hellen sie sich auf; die Nebel ziehen hinweg, und Spinoza gewinnt, wie mich dünkt, selbst 40 einen Schritt vor Leibniz voraus, der vorsichtig, aber in

diesem Stück vielleicht zu vorsichtig auf ihn folgte. Zuerst leugne ich's völlig, daß Spinoza Gott zu einem gedankenlosen Wesen dichte; schwerlich kann es einen Irrtum geben, der seinem System mehr zuwider liefe als 5 dieser. Das Wesen Gottes ist bei ihm durchaus Wirklichkeit, und Spinoza war selbst zu sehr ein Denker, um nicht die Realität auch dieser Vollkommenheit, der höchsten, die wir kennen, innig zu schätzen und zu fühlen. Sein höchstes Wesen also, das alle Vollkommenheit 10 auf die vollkommenste Weise besitzet, kann der vorzüglichsten derselben, des Denkens, nicht ermangeln: denn wie wären sonst Gedanken und Vorstellungsarten in eingeschränkten, denkenden Geschöpfen? die, nach Spinoza's System allesamt ja nur Darstellungen und reale Folgen 15 jenes höchstrealen Daseins sind, das, nach seiner Erklärung, allein den Namen eines Selbstbestehenden verdienet. In Gott ist also, wie er deutlich sagt, unter unendlichen Eigenschaften auch die Vollkommenheit eines unendlichen Denkens, die Spinoza nur deswegen vom Verstande und 20 den Vorstellungsweisen eingeschränkter Wesen unterscheidet, um jene als einzig in ihrer Art und ganz unvergleichbar mit diesen zu bezeichnen. Sie werden sein Gleichnis bemerkt haben, daß sich die Gedanken Gottes zu menschlichen Vorstellungsarten wohl kaum anders verhalten 25 könnten, als das Gestirn am Himmel, das man den Hund nennt, zu einem irdischen Hunde. . . . Daß aber alle reine, wahre, vollständige Erkenntnis in unsrer Seele gleichsam nur eine Formel des göttlichen Erkennens sei, das, getraue ich mir zu sagen, hat niemand stärker behauptet, 30 als Spinoza, er, der die Natur des Göttlichen im Menschen einzig nur in diese reine, lebendige Erkenntnis Gottes, seiner Eigenschaften und Wirkungen setzte. ... Wohlan also, eine unendliche, ursprüngliche Denkkraft, der Urquell aller Gedanken ist nach Spinoza Gott wesentlich; 35 über die unendliche Wirkungskraft in ihm haben wir, diesem System nach, nicht zu zweifeln.

Phil. Nein, denn nach Spinoza ist Verstand und Wille sogar eins. D. i. in unsrer lindern Sprache: ein Verstand, der das Beste einsieht, muß auch das Beste 40 wollen, und wenn er die Kraft dazu hat, es wirken. An der unendlichen Macht seines Gottes aber ist nicht zu

zweifeln, da er eben dieser Macht alles unterwirft und von ihr alles herleitet.

Th. Was fehlt ihm also, daß er die unendliche Denk- und Wirkungskraft nicht verband und in dieser Verbindung das nicht deutlicher ausdruckte, was er in ihr 5 notwendig finden mußte, nämlich: daß die höchste Macht notwendig auch die weiseste Macht, d. i. eine nach innern ewigen Gesetzen geordnete, unendliche Güte sei? Denn eine ungeordnete, regellose, blinde Macht ist ja nie die höchste: nie kann sie das Vor- 10 bild und der Inbegriff aller der Ordnung, Weisheit und Regelmäßigkeit sein, die wir, obgleich eingeschränkte Wesen, nach ewigen Gesetzen in der Schöpfung bemerken; wenn sie selbst diese Gesetze nicht kennet und solche nicht als ihre ewige, innere Natur ausübet. Von einer 15 geordneten müßte die blinde Macht notwendig übertroffen werden und könnte also nicht Gott sein. Woher daß Spinoza hier so in der Dunkelheit blieb und die zusammenhangende Stärke seines eignen Systems nicht erkannte?

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Phil. Jetzt merke ich's, Theophron, und ich danke Ihnen, daß Sie mir auf den Weg geholfen haben; es ist immer noch jene falsche Cartesische Erklärung, die ihm auch hier sein eigenes Licht verbaute. Gedanke und Ausdehnung stehen ihm nämlich als zwei unberührbare Dinge 25 entgegen; der Gedanke kann nicht durch die Ausdehnung, die Ausdehnung nicht durch den Gedanken begrenzt werden. Da er nun beide als Eigenschaften Gottes, eines unteilbaren Wesens, annahm und keine durch die andre zu erklären wagte, so mußte er ein Drittes annehmen, unter 30 welches sich beide fügten, und das nannte er Macht. Hätte er den Begriff von Macht wie den Begriff der Materie entwickelt, so müßte er bei diesem notwendig und selbst seinem System zufolge auf den Begriff von Kräften gekommen sein, die eben sowohl in der Materie, 85 als in Organen des Denkens wirken; mithin hätte er auch in jenem Macht und Gedanken als Kräfte, d. i. als Eins betrachtet. Auch der Gedanke ist Macht und zwar die vollkommenste, schlechterdings unendliche Macht, eben dadurch, daß er alles ist und hat, was zur unendlichen, in 40 sich selbst gegründeten Macht gehöret. Der Knoten ist

Stephan, Herders Philosophie.

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