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Auch ist so denn keine Leidenschaft, keine Empfindung ausgeschlossen, die nicht durch solches Erkennen Wollen würde: eben im besten Erkenntnis können und müssen alle würken, weil das beste Erkenntnis aus ihnen 5 allen ward und nur in ihnen allen lebet. Lügner oder Entnervte, die mit lauter reinen Grundsätzen prahlen, und Neigungen verfluchen, aus denen allein wahre Grundsätze werden! Das heißt ohne Wind segeln und ohne Waffen kämpfen. Reiz ist die Triebfeder unsres Daseins, und sie 10 muß es auch bei dem edelsten Erkennen bleiben. Welche Neigung und Leidenschaft, die sich nicht mit Erkenntnis und Liebe Gottes und des Nächsten beleben ließe, daß sie nur um so reiner, sicherer und mächtiger würke? Die Schlacken werden weggebrannt, aber das wahre Gold soll 15 bleiben. Jede Kraft und jeder Reiz, der in meiner Brust schläft, soll aufwachen und nur im Geist meines Urhebers würken.

Aber wer lehrt mich dieses? Gibt's ein Gewissen, ein moralisches Gefühl, das mir, abgetrennt von allem 20 Erkenntnis, richtigen Weg zeige? Die Worte selbst scheinen Unsinn, wenn man sie so vorträgt; ich glaube aber kaum, daß so etwas je eines Menschen Meinung gewesen. Ist jedes gründliche Erkenntnis nicht ohne Wollen, so kann auch kein Wollen ohn' Erkennen sein: sie sind 25 nur eine Energie der Seele. Aber wie unser Erkennen nur menschlich ist und also sein muß, wenn es recht sein soll, so kann auch unser Wollen nur menschlich sein, mithin aus und voll menschlicher Empfindung. Menschheit ist das edle Maß, nach dem wir erkennen und 30 handeln Selbst- und Mitgefühl also (abermals Ausbreitung und Zurückziehung) sind die beiden Außerungen der Elastizität unsres Willens; Liebe ist das edelste Erkennen, wie die edelste Empfindung. Den großen Urheber in sich, sich in andre hineinzulieben und denn diesem 35 sichern Zuge zu folgen, das ist moralisches Gefühl, das ist Gewissen. Nur der leeren Spekulation nicht aber dem Erkennen stehet's entgegen, denn das wahre Erkennen ist lieben, ist menschlich fühlen.

Siehe die ganze Natur, betrachte die große Analogie 40 der Schöpfung! Alles fühlt sich und seinesgleichen, Leben wallet zu Leben. Jede Saite bebt ihrem Ton, jede Fiber

verwebt sich mit ihrer Gespielin, Tier fühlt mit Tier; warum sollte nicht Mensch mit Menschen fühlen? Nur er ist Bild Gottes, ein Auszug und Verwalter der Schöpfung, also schlafen in ihm tausend Kräfte, Reize und Gefühle; es muß also in ihnen Ordnung herrschen, 5 daß alle aufwachen und angewandt werden können, daß er Sensorium seines Gottes in allem Lebenden der Schöpfung, nach dem Maße es ihm verwandt ist, werde. Dies edle allgemeine Gefühl wird also eben durch das, was es ist, Erkenntnis, die edelste Kenntnis Gottes 10 und seiner Nebengeschöpfe durch Würksamkeit und Liebe. Selbstgefühl soll nur die conditio sine qua non, der Klumpe bleiben, der uns auf unsrer Stelle festhält, nicht Zweck sondern Mittel. Aber notwendiges Mittel, denn es ist und bleibt wahr, daß wir unsern Nächsten 15 nur wie uns selbst lieben. Sind wir uns untreu, wie werden wir andern treu sein? Im Grad der Tiefe unsres Selbstgefühls liegt auch der Grad des Mitgefühls mit andern; denn nur uns selbst können wir in andre gleichsam hinein fühlen.

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Mich dünkt, es sind also leere Streitigkeiten, wo das Prinzipium unsrer Moralität sei, ob im Wollen oder Erkennen, ob in unsrer oder in fremder Vollkommenheit. Alles Wollen fängt freilich vom Erkennen an, aber alles Erkennen wird auch wiederum nur durch Empfindung. 25 Eigne Vollkommenheit kann ich nur durch die Vollkommenheit andrer, wie diese durch jene erlangen. Schon Hippokrates nennte die menschliche Natur einen lebendigen Kreis, und das ist sie. Ein Wagen Gottes, Auge um und um, voll Windes und lebendiger Räder. Man 30 muß sich also für nichts so sehr als für dem einseitigen Zerstücken und Zerlegen hüten. Wasser allein tut's nicht, und die liebe kalte spekulierende Vernunft wird dir deinen Willen eher lähmen, als dir Willen, Triebfedern, Gefühl geben. Wo sollte es in deine Vernunft kommen, wenn 35 nicht durch Empfindung, würde der Kopf denken, wenn dein Herz nicht schlüge? Aber gegenteils, willst du auf jedes Pochen und Wallen deines Herzens, auf jeden Nachhall einer gereizten Fiber, als auf die Stimme Gottes merken, und ihr blindlings folgen: wo kannst du hinge- 40 raten, da alsdenn dein Verstand zu spät kommt. Kurz,

folge der Natur, sei kein Polype ohne Kopf und keine Steinbüste ohne Herz; laß den Strom deines Lebens frisch in deiner Brust schlagen, aber auch zum feinen Mark deines Verstandes hinauf geläutert, und da Lebensgeist 5 werden.

Auch die Frage entschiede sich hier also: ob dies unser Wollen was Angeerbtes oder Erworbnes, was Freies oder Abhängiges sei, es entscheidet sich ganz aus dem Grunde, daß wahres Erkennen und gutes Wollen nur 10 einerlei sei, eine Kraft und Würksamkeit der Seele. War unser Erkennen nun nicht durch sich, willkürlich und ungebunden, hatte es, wenn es sich aufs tiefste als Selbst fühlen wollte, Stäbe der Aufrichtung, innere Sprache nötig, wahrlich, so wird's dem Willen nicht anders sein 15 können.

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Von Freiheit schwätzen ist sehr leicht, wenn man jedem Reiz, jedem Scheingut als einer uns suffizienten Ursache dienet. Es ist meistens ein erbärmlicher Trug mit diesen suffizienten Gründen, wo das allgemeine immer 20 wahr scheint, und das besondre Einzelne des bestimmten Falles ist Lüge. Man ist ein Knecht des Mechanismus (dieser aber in die lichte Himmelsvernunft verkleidet) und wähnet sich frei, ein Sklave in Ketten und träumet sich diese als Blumenkränze. Sobald man ins Spekulieren 25 kommt, kann man aus allem alles machen, dünkt sich aufgeflogen zum Empyreum, und der arme Wurm liegt noch in der Hülle ohne Flügel und Frühling. Da ist's wahrlich der erste Keim zur Freiheit, fühlen, daß man nicht frei sei, und an welchen Banden man hafte. 30 Die stärksten, freisten Menschen fühlen dies am tiefsten und streben weiter; wahnsinnige, zum Kerker geborne Sklaven höhnen sie und bleiben voll hohen Traums im Schlamme liegen. Luther mit seinem Buch de servo arbitrio ward und wird von den wenigsten verstanden; 35 man widerstritt elend oder plärret nach; warum, weil man nicht wie Luther fühlet und hinauf ringet.

Wo Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. Je tiefer, reiner und göttlicher unser Erkennen ist, desto reiner, göttlicher und allgemeiner ist auch unser Würken, mithin 40 desto freier unsre Freiheit. Leuchtet uns aus allem nur Licht Gottes an, wallet uns allenthalben nur Flamme

des Schöpfers, so werden wir, im Bilde Seiner, Könige aus Sklaven und bekommen, was jener Philosoph suchte, in uns einen Punkt, die Welt um uns zu überwinden, außer der Welt einen Punkt, sie mit allem, was sie hat, zu bewegen. Wir stehen auf höherm Grunde und mit 5 jedem Dinge auf seinem Grunde, wandeln im großen Sensorium der Schöpfung Gottes, der Flamme alles Denkens und Empfindens, der Liebe. Sie ist die höchste Vernunft wie das reinste, göttlichste Wollen; wollen wir dieses nicht dem h. Johannes, so mögen wir's dem ohne 10 Zweifel noch göttlichern Spinoza glauben, dessen Philosophie und Moral sich ganz um diese Achse beweget.

Zweiter Versuch.

Einfluß beider Kräfte ineinander und auf Charakter und Genie des Menschen.

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Beinah zu lange haben wir uns in Allgemeinörtern aufhalten müssen, hinter denen mancher, der an die liebe Abstraktion nicht gewöhnt ist, vielleicht so klug ist als er war; lasset uns, um einigermaßen nützlich zu werden, die Philosophie vom Wolkenhimmel auf die Erde rufen 20 und unsern Satz in bestimmten einzelnen Fällen und Klassen betrachten:

1. Unser Denken hängt ab vom Empfinden.

1. Bei jedem einzelnen Menschen. . . . Der tiefste Grund unsres Daseins ist individuell, sowohl in 25 Empfindungen als Gedanken. Bemerkt nur in einzelnen Fällen, aus wie sonderbaren Keimen und Samenkörnern jenem und diesem die Saat seiner Leidenschaften wachse. Wobei der eine kalt bleibt, dabei glühet der andere; alle Tiergattungen untereinander sind vielleicht nicht so ver- 30 schieden als Mensch vom Menschen.

Würde ein Mensch den tiefsten, individuellsten Grund seiner Liebhabereien und Gefühle, seiner Träume und Gedankenfahrten zeichnen können, welch ein Roman! Jetzt tun es nur etwa Krankheiten und Augenblicke der Leiden- 35 schaft, und oft welche Ungeheuer und blaue Meerwunder wird man gewahr!

Man sollte jedes Buch als den Abdruck einer leben

digen Menschenseele betrachten können. . . . Das Leben eines Autors ist der beste Kommentar seiner Schriften, wenn er nämlich treu und mit sich selbst eins ist, nicht einer Herde an Wegscheiden und Landstraßen nachblöket. 5 Jedes Gedicht, zumal ein ganzes, großes Gedicht, ein Werk der Seele und des Lebens, ist ein gefährlicher Verräter seines Urhebers, oft, wo dieser am wenigsten sich zu verraten glaubte. Nicht nur siehet man bei ihm etwa, wie der Pöbel ruft, des Mannes dichterische Talente, 10 man sieht auch, welche Sinne und Neigungen bei ihm herrschten, durch welche Wege und wie er Bilder empfing, wie er sie und das Chaos seiner Eindrücke regelte und fügte, die Lieblingsseiten seines Herzens sowie oft die Schicksale seines Lebens, seinen männlichen oder kin15 dischen Verstand, die Stäbe seines Denkens und seiner Erinnerung. Doch ich mag unsern Kunstrichtern, die von so etwas in ihrem Leben nicht geträumt, schon viel zu viel gesagt haben. Freilich ist nicht jede Kotseele eines solchen Studiums wert; allein von einer Kotseele brauchte 20 man auch keine Abdrücke, weder in Schriften noch in Taten. Wo es der Mühe lohnt, ist dies lebendige Lesen, diese Divination in die Seele des Urhebers das einzige Lesen und das tiefste Mittel der Bildung. Es wird eine Art Begeisterung, Vertraulichkeit und Freund25 schaft, die uns da, wo wir nicht gleich denken und fühlen, oft am lehrreichsten und angenehmsten ist, und die eigentlich das, was man Lieblingsschriftsteller nennt, bezeichnet. Solches Lesen ist Wetteifer, Heuristik: wir klimmen mit auf schöpferische Höhen oder entdecken den 30 Irrtum und die Abweichung in ihrer Geburtsstätte. Je mehr man den Verfasser lebendig kennt und mit ihm gelebt hat, desto lebendiger wird dieser Umgang.

Ein Mensch in verschiednen Lebenszeiten ist sich nicht gleich, denkt anders, nachdem er anders empfindet. 35 Jedermann weiß, wie öfters, zumal bei plötzlichen Leidenschaften, uns unser erstes Urteil trüge; und wie gegenteils der erste Eindruck an Frische und Neuheit nichts

seinesgleichen habe. Das erste unbefangne Werk eines

Autors ist daher meistens das beste: seine Blüte ist im 40 Aufbruch, seine Seele noch Morgenröte. Vieles ist bei ihm noch volle, ungemessne Empfindung, was nachher

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