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A. Geboren wurde Johann Gottfried Herder 25. August 1744 in dem ostpreußischen Städtchen Mohrungen. Die kleine Romantik der alten Deutschherrn-Stadt erfüllte seine Phantasie mit bleibenden Bildern. Die ernste Sittenstrenge und Pflichttreue des Vaters er war Elementarlehrer, Glöckner und Kantor, die innige Gemütstiefe der Mutter, die ganze schlicht-pietistische Frömmigkeit des Elternhauses gruben sich unauslöschlich in sein Herz. Die Stadtschule gab ihm in harter Zucht eine gute Kenntnis des Lateinischen, Griechischen und Hebräischen; bei seinem tüchtigen Rektor lernte er besonders über das Neue Testament, Homer, Logik und Dogmatik. In planloser, frühreifer Lernbegier sammelte er alles, was er literarisch fand. Seine Sehnsucht wandte sich dem geistlichen Berufe zu.

Aber wie sollte der arme Knabe seine Sehnsucht befriedigen? Zunächst geriet er in die Knechtschaft des Diakonus Trescho, der ihm für seine Schreiberdienste eine Arbeits- und Schlafstätte gewährte und eine große Bibliothek besaß. Da lernte ein russischer Regimentsarzt, der sein Quartier in Mohrungen hatte, den gequälten Jüngling kennen. Er versprach ihm seine Hilfe, falls er in Königsberg Medizin studieren wolle. So ging Herder im Sommer 62 nach Königsberg. Da er aber bei der ersten Sektion in Ohnmacht fiel, faßte er den kühnsten Entschluß seines Lebens: er ließ sich völlig mittellos als Student der Theologie immatrikulieren.

Es glückte ihm, am Collegium Fridericianum sofort als Inspizient und Lehrer Aufnahme zu finden. Während er sich hier als glänzender Pädagog bewährte, studierte er mit emsigster Mühe Theologie und Philosophie. Er hörte die apologetisch gerichteten Theologen und las daneben eifrig die Erzeugnisse der fortschreitenden wissenschaftlichen Theologie, z. B. eines Ernesti, Semler und J. D. Michaelis. Unter den Philosophen verehrte er weitaus am höchsten Kant, bei dem er Logik, Metaphysik, Moral, Mathematik und physikalische Geographie hörte. Von ihm empfing er die Anleitung zum eigenen prüfenden Denken.

Noch tieferen Einfluß aber gewann Hamann auf ihn, der seltsam-geniale Gegner des aufgeklärten Philistertums, das eben damals die vollste Herrschaft über das öffent

liche Leben Deutschlands zu erobern begann. In ihm erkannte er einen Mann, der die religiöse Tiefe des Vaterhauses mit einer staunenswerten Kenntnis des allgemeinen geistigen Lebens verband. Von ihm konnte er grundlegende Gesichtspunkte lernen, die eine gewisse Ordnung in das wirre Chaos seines Wissens brachten. Hier ging ihm mit Bewußtsein der Sinn auf für die geheimnisvollen Tiefen des Lebens, für ursprüngliche Leidenschaft und Empfindung, für alles Echte und Große, für die Offenbarung Gottes in der Mannigfaltigkeit des natürlichen und geschichtlichen Daseins. Ohne die Errungenschaften der Aufklärung preiszugeben und ohne überall schon die Folgerungen zu ziehen, erhob er sich bereits jetzt grundsätzlich über die Aufklärung und ihre verstandesmäßige, ,,natürliche" Begründung der wichtigsten Lebensgebiete. Hamanns Einsichten waren selten mehr als vorüberzuckende Blitze, aus einer neuen Gesamtstimmung geboren; aber sie fanden in dem jungen Herder einen gewaltigen Zündstoff und die Neigung, jeden Geistesblitz durch persönliches und literarisches Wirken in eine dauernde Flamme zu verwandeln.

Auch die besten Männer des Auslands traten in seinen Gesichtskreis. Durch Hume ließ er sich in seiner schon von Kant und Hamann geförderten Abneigung gegen leere metaphysische Spekulationen bestärken. Shaftesbury entzückte ihn durch seine ästhetisierende Betrachtung des Lebens. Vor allem aber begeisterte er sich für Rousseau so stark, daß er im Überschwang ausrief: „Komm, sei mein Führer, Rousseau!" (Su 29, 265). Zwar ebbte diese Hochflut bald ab (vgl. Lebensbild I, 2, 290; III, 1, 323); aber der Einfluß Rousseaus blieb immerhin auch weiter von großer Bedeutung für Herder.

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So verstrichen die Studienjahre. Er wurde als Lehrer berühmt und erhielt Ende 64 einen Ruf an die Rigaer Domschule. Doch ehe wir ihn dorthin begleiten, werfen wir rückschauend einen Blick auf seine bisherige Entwicklung. Schon dem Knaben war die Harmonie des innern und äußern Lebens versagt geblieben. Außen elterliche Armut, harte Schulzucht, unwürdige Sklaverei durch Trescho innen ein wachsender Reichtum des Wissens und der Empfindung, ein gärender Drang in die Weite,

ein hochgespanntes Gefühl des eigenen Wertes. So prägte sich der Zug zur Bitterkeit und Unzufriedenheit von Anfang an in seine Seele. Nie lernte er der Gegenwart ihre Schönheit abzulauschen; uferlose Zukunftsträume wurden die Welt, in der allein er freudigen Genuß empfand. Auch seine Arbeitsweise empfing schon jetzt ihren Stempel. Seine Kenntnisse waren meist durch den Zufall bedingt. Seine Sehnsucht nach Auswirkung des innern Besitzes blieb ohne methodische Ausprägung in zusammenhängendem Denken und Tun; sie wurde mehr durch instinktiven Drang als durch zielbewußten Willen geleitet. In Königsberg verstärkte sich zunächst sein Selbstgefühl durch die pädagogischen Erfolge sowie durch die Wertschätzung eines Hamann und Kant. Aber gerade die frühe Amtstätigkeit wurde ihm gefährlich. Statt nachträglich eine Zeit der innern Sammlung und der frohen Jugendeindrücke zu genießen, oder etwa unter Leitung Kants eine methodische Verarbeitung der innern Fülle zu lernen, wurde die praktische Verwertung sein sofortiges Ziel; überall mußte er zu Abschlüssen eilen, bevor er mit dem Denken fertig war. Und das in einer Zeit, wo Hamann beständig neue Gärungselemente in seine Seele warf! So blieb seine Erkenntnis wiederum sprunghaft und unsystematisch. Der innere Reichtum vermochte sich nicht den theoretischen Ausdruck zu schaffen, der die Grundlage eines großzügigen und eindrucksvollen Schaffens bildet.

B. In Riga (Ende 64 bis Mai 69) trat der Zwanzigjährige in eine Menge von amtlichen und geselligen Beziehungen. Mit dem Unterricht verband er bald das geistliche Amt. Die Jugend zu lebren, die Erwachsenen in das Verständnis der Bibel und der großen Menschheitsfragen einzuführen, das war seine Freude. Gleichzeitig begann er seine literarische Wirksamkeit, zunächst vor allem auf ästhetischem Gebiete. An Lessing, Winckelmann u. a. anknüpfend, schrieb er außer vielen Kleinigkeiten 67 die ,,Fragmente über die neuere deutsche Literatur", 69 die ,,Kritischen Wälder" und sammelte Stoff für weitausschauende Werke. Am meisten auf das philosophische Gebiet führt der Torso eines Denkmals auf Th. Abbt, den 1766 verstorbenen Verkünder einer „,menschlichen Philosophie" (68), eine Schrift, die ursprünglich auch das An

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denken eines Theologen und des Ästhetikers A. Baumgarten feiern sollte. Betrachtet man seine philosophischen Ansichten genauer (z. B. in dem Entwurf: Wie die Wahrheiten der Philosophie zum besten des Volks allgemeiner und nützlicher werden können", Su. 32, 31 ff.), so findet man als Nachwirkung Kants, Abbts und Rousseaus eine starke Betonung der Psychologie und Anthropologie. Daneben beeinflußte Leibniz ihn mittelbar und unmittelbar aufs stärkste. Als 65 die Nouveaux essais endlich den echten, bisher durch Wolffs Gedanken überwucherten Leibniz kennen lehrten, wird der lese- und neuigkeitshungrige Herder sie rasch verschlungen haben. Sein Sinn für die dunkeln Tiefen des Seelenlebens und für den Zusammenhang des geistigen mit dem natürlichen Leben fand besonders in ihnen eine philosophische Stütze.

So glücklich Herder sich anfangs in Riga gefühlt hatte, auf die Dauer konnte der Verkehr mit dem aufgeklärten kaufmännischen Bürgertum ihm nicht behagen. Dazu traten Peinlichkeiten, die er sich durch unbedachtes literarisches Auftreten zugezogen hatte. Kurz, er verließ Juni 69 die Stadt und das Land. Von aufopferungsvollen Freunden, besonders seinem Verleger Hartknoch, unterstützt, begann er ein geniales Reiseleben. Eine Seefahrt führte ihn nach Frankreich. Er lernte Männer wie Diderot kennen, vor allem aber gegenüber dem abgelebten französischen Wesen sich als Sohn eines jugendlich aufstrebenden Volkes fühlen. Dann kehrte er über Holland, wo ein nächtlicher Schiffbruch seine Phantasie mächtig reizte, nach Deutschland zurück. Wir besitzen ein Erzeugnis dieser Reise, das tiefe Blicke in sein Seelenleben und seine Pläne gestattet: das berühmte Tagebuch. Hier geht er ganz aus sich heraus und enthüllt das allmähliche Wachstum der psychologisch-historischen Betrachtungsweise, deren Durchführung seine bedeutendste Tat werden sollte (Su. 4, 343 ff.). Nach der Rückkehr blieb er mehrere Wochen in Hamburg, vor allem in stetem herzlichen Verkehr mit Lessing; M. Claudius schloß sich ihm hier aufs herzlichste an.

Mitte März bis Herbst 70 stand Herder im Dienste des Lübecker Fürstbischofs; er sollte den sechzehnjährigen Erbprinzen 3 Jahre auf Reisen begleiten. Aber nach dem

Besuch von Kassel, Darmstadt, Straßburg löste er, unwillig über den Einfluß der höfischen Reisebegleiter, das Verhältnis. Trotzdem wurde diese Reise bedeutsam für sein Leben. In Darmstadt hatte er durch eine Predigt seine Braut Karoline Flachsland gewonnen, die treue Gefährtin seines weiteren Lebens. In Straßburg blieb er, um sich eine alte Tränenfistel operieren zu lassen, bis April 71. Zwar die Kur miẞlang, und er litt vergebliche Schmerzen. Aber die trüben Monate des Winters wurden eine unerwartete Saatzeit. Goethe, der in Straßburg die Rechte studierte, schloß sich trotz der bösen Laune Herders eng an ihn an und sog, von dem berühmten Manne wenig beachtet, die fruchtbarsten Anregungen aus seinem überlegenen Geiste. Hier wurden die Volkspoesie, Homer, Shakespeare, Ossian seine Götter, er lernte kennen, was wirkliches Genie ist. Literarische Früchte der Straßburger Zeit waren die Abhandlung*) „Über den Ursprung der Sprache" (Text S. 1-49; vgl. Nr. 4 der Einl.) und die Aufsätze über Ossian und Shakespeare; doch erschien jene erst 72, diese wurden 73 (,,Von deutscher Art und Kunst") veröffentlicht.

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C. April 71 zog Herder als Oberpfarrer und Konsistorialrat des Grafen Wilhelm von Schaumburg-Lippe in das Städtchen Bückeburg. **) Welcher Wandel! Ort und Menschen, auch der aufgeklärte militärische Graf, boten ihm abgesehen von der schönen Natur wenig Anregung. Niemand verstand ihn; in seiner Liebe hielt er zögernd zurück; in der Ferne starb ihm die Mutter. Unsäglich litt sein reizbares und durch Erfolge verwöhntes Gemüt. Da rief er doppelt inbrünstig zu seinem Gott empor. Hat Frömmigkeit und Liebe zum Predigeramt ihn auch sonst niemals verlassen ***), so verstärkten sie sich jetzt zu besonderer Macht. So wurden die Bückeburger Jahre die

*) Die Sperrung der Titel bedeutet, daß die betr. Schriften hier abgedruckt sind.

**) Zu der hier gegebenen Wertung der Bückeburger Zeit, die von der herrschenden abweicht, vgl. meine am Schluß der Einleitung genannte Schrift darüber.

***) Die Meinung, daß Herder nur infolge einer Ironie des Schicksals Prediger gewesen sei, entstimmt nicht einer besondern Kenntnis seines Seelenlebens, sondern den vorgefaßten Stimmungen „liberaler“ Literarhistoriker.

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