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sophie" (88) wiederholten den scharfen Gegensatz. Im dritten Teil der Ideen (1787) besserte Herder einiges halb instinktiv, kämpfte aber nochmals gegen Kants Angriffe (vgl. im Text die Stellen aus dem 13. und 15. Buch). In dem gleichzeitigen Büchlein über Gott (1787) tadelt er die leere Wortphilosophie Kants, seine Loslösung von aller Erfahrung, seine Leugnung aller Gottesbeweise. Nicht einmal vor Schiller, der ihn damals besuchte, konnte er feindselige Bemerkungen über den Königsberger Denker zurückhalten (Schillers Briefwechsel mit Körner I, 105).

Was wendet Kant wider Herder ein? Zunächst sind es Einzelheiten wie die wissenschaftliche Unmöglichkeit, von dem stufenmäsigen Aufriß der irdischen Geschöpfe auf die Unsterblichkeit des Menschen zu schließen, oder die Unklarheiten seiner Lehre von der genetischen Kraft im Menschen. Aber weiter! Wenn Herder der Weltentwicklung ein System von wirksamen Kräften zu Grunde legt, so nennt Kant das eine ungerechtfertigte dogmatischmetaphysische Hypothese. Wenn Herder in seinem ziemlich unbestimmten Begriff der Humanität das Ziel der Menschheits- und damit auch der Naturentwicklung aufstellt, so liest Kant daraus nur Verworrenheit und Mangel eines wirklichen Zieles. Er seinerseits zieht mit aller Kraft die Organisation der Menschheit in bürgerlicher Gesellschaft und Staat heran; nur das Gleichgewicht der Staaten verbürgt die Ausbildung der menschlichen Anlagen in Freiheit und Vernunft. Die treibende Kraft des Kantischen Angriffs jedoch dürfte die tiefe Abneigung Kants gegen das gefühlsmäßige Philosophieren Herders, vor allem gegen seine großenteils aus der ästhetischen Empfindung geborene Verschmelzung der Natur- und Geisteswelt gewesen sein. Recht hatte Kant namentlich darin, daß Herder infolge seiner Unklarheit trotz alles genialen Tastens niemals zu einer wissenschaftlichen Entwicklungsgeschichte kommen konnte. Kant besaß die historisch-psychologische Genialität Herders nicht; aber seine scharfe Denkarbeit führte ihn in mancher Beziehung weiter an eine wirkliche Erfassung der historischen Entwicklung heran.

Der eigentliche Kampf stand noch bevor. Herder hatte ihn bisher gemieden, nach einem Briefe an Jacobi (85) aus dankbarer Anhänglichkeit an den früheren Lehrer.

Immer stärker aber nagte an seinem Herzen der große Einfluß, den Kants Philosophie, inzwischen durch die Kritik der praktischen Vernunft (88) und der Urteilskraft (90), sowie durch die „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" (92f.) verstärkt, auf die jungen Theologen übte. Herder lernte ihn als Examinator zur Genüge kennen. Daher plante er z. B. die Verlegung der philosophischen Studien von der Universität an eine Selecta gymnasii. Aber auch abgesehen davon, war es ihm, dem Feind alles Systematischen, ein Greuel, daß jetzt wieder eine geschlossene Philosophenschule emporstrebte.*) Und Fichtes Idealismus schien seine Anklage auf formalistische Begriffsschematismen zu erhärten. So erklärt es sich, daß er den Krieg zunächst nicht gegen den Meister, sondern gegen die Schüler eröffnete. Das ist der Standpunkt der Humanitätsbriefe. Freilich muß man hier die ursprüngliche Fassung (92) von der gedruckten (95) unterscheiden; in dieser unterdrückt er alles, was er vorher an Polemik geschrieben hatte, vgl. Su. Schlußbericht 18, 574. Zunächst stehe das Bild hier, daß Herder in der gedruckten Fassung von Kant gezeichnet hat (Su. 17, 404).

Ich habe das Glück genossen, einen Philosophen zu kennen, der mein Lehrer war. Er in seinen blühendsten Jahren hatte die fröhliche Munterkeit eines Jünglinges, die wie ich glaube, ihn auch in sein greisestes Alter begleitet. Seine offene, zum Denken gebauete Stirn war ein Siz unzerstörbarer Heiterkeit und Freude; die gedankenreichste Rede floß von seinen Lippen; Scherz und Witz und Laune standen ihm zu Gebot, und sein lehrender Vortrag war der unterhaltendste Umgang. Mit eben dem Geist, mit dem er Leibniz, Wolf, Baumgarten, Crusius, Hume prüfte, und die Naturgesetze Keplers, Newtons, der Physiker verfolgte, nahm er auch die damals erscheinenden Schriften Rousseaus, seinen Emil und seine Heloise, sowie jede ihm bekannt gewordene Naturentdeckung auf, würdigte sie, und kam immer zurück auf unbefangene Kenntnis der Natur und auf moralischen Wert des Menschen. Menschen-, Völker-, Naturgeschichte, Naturlehre, Mathematik und Erfahrung, waren die Quellen, aus denen er seinen Vortrag und Umgang belebte; nichts Wissenswürdiges war ihm gleichgültig; keine Kabale, keine Sekte, kein Vorteil, kein Namenehrgeiz hatte je für

*) Wie stark und für andere verderblich die werdende Schule war, zeigt z. B. das Schicksal des Göttingers Feder: weil er Kant widersprach, wurde er von Kollegen und Schülern so verlassen, daß er seine Professur niederlegte und von Göttingen wegzog. (Vgl. seine Selbstbiographie S. 230.)

ihn den mindesten Reiz gegen die Erweiterung und Aufhellung der Wahrheit. Er munterte auf, und zwang angenehm zum Selbstdenken; Despotismus war seinem Gemüt fremde. Dieser Mann, den ich mit größester Dankbarkeit und Hochachtung nenne, ist Immanuel Kant; sein Bild steht angenehm vor mir.

Dazu fügen wir das polemische Stück des früheren Entwurfs (Su. 18, 325-27).

Und nun denken Sie leicht, daß es seine Schuld nicht sei, wenn man seine Philosophie mißbraucht und ihr zum Teil eine andre, ihrem Urheber ganz unähnliche Gestalt gegeben. Ich weiß, in welchem Geist und zu welchem Zweck er seine ersten kleineren Schriften schrieb; dieser Geist hat ihn bei seinen letzten größeren Werken nicht verlassen; davon sind diese Werke selbst Zeugen. Falsch ist es, ganz und gar falsch, daß seine Philosophie von der Erfahrung abziehe, da sie vielmehr auf Erfahrung, wo diese irgend nur stattfinden kann, endlich und sträcklich hinweiset. Falsch ist es, daß er eine Philosophie liebe, die ohne Kenntnis andrer Wissenschaften immer und ewig leeres Stroh drischt; die das tun (welchen Ruhm sie sich auf einige Zeit auch erwerben mögen), sind nicht seiner Art und Gattung. Seine Kritik der reinen Vernunft sollte ein Katarktikon, eine Prüfung (und Reinigung) ihrer Kräfte, eine Bestimmung ihrer Grenzen, eine Reinigung der metaphysischen Tenne, nicht aber zugleich der Inhalt alles menschlischen Wissens und Denkens sein, worüber des Verfassers deutlichste Erklärungen dastehn. Wenn man also den Umriß für die Sache selbst, den Rahmen für das Bild, das Gefäß, dessen Fugen er darleget, für den völligen Inhalt des Gefäßes annimmt, und glaubt, daß man alle Schätze der Erkenntnis hiemit in sich gesammlet habe: welch ein Mißverstand! welch ein Mißbrauch! Kants meiste Schriften sind, wie es ihr Zweck erforderte, als Untersuchungen, als Prüfungen, als Diskurse geschrieben; zu solchem Zweck sind sie selbst schön geschrieben; eine dem Inhalt angemessene Schreibart, eine sehr glückliche, ich möchte sagen, Baumgartensche Bezeichnung der Hauptbegriffe in einer passenden Terminologie; mehr als alles aber der Geist des eignen Denkens, der alles belebet, machen jede Schrift zu einer lebendigen Unterredung, die vom eigentümlichen Gepräge ihres Urhebers, gewiß nicht unangenehm, bezeichnet wird. Wie verwunderte ich mich, da ich las und hörte, daß eine jahrlange Mühe dazu gehöre, sich in diese dicken Bücher, wie eine Motte, nur hineinzulesen, daß der Inhalt dieser Schriften dergestalt schwer zu verstehen, zu umfassen, zu begreifen sei, daß es durchaus kein anderes Mittel gegen den Un- und Mißverstand gebe, als die authentische Erklärung des Autors. Einer der Parteienführer ließ gegen den andern sich mit dem Attestat stempeln, daß Er den Autor recht verstanden habe; und so ward der lichte, helle, sogar oft wortreiche Kant zu unsern Zeiten ein andrer Duns Scotus, nach dessen wahrem Sinn man wie ein Maulwurf graben oder zu ihm selbst wallfahrten mußte. Die Intoleranz endlich, mit welcher diese gestempelten und nichtgestempelten Kantianer von ihrem allgemeinen Tribunal sprachen, verdammten, lobten, verwarfen sie ist dem gesunden Teil von

Deutschland so verächtlich gewesen, als sie dem toleranten Charakter und überlegenden Wahrheitsinn des Urhebers dieser Philosophie zuwider sein mußte. Eine kritische Philosophie, die durchaus keinen Dogmatismus predigen will, mit Feuer und Schwert, mit Höhnen und Schimpfen einführen wollen, ist der erbärmlichste Despotismus. Aber was tut dies alles zur reinen Sache des Autors? Hat man nicht mehr Beispiele, daß die aner jedes Namens ein verhaßtes, verachtetes Volk gewesen oder geworden sind, indeß der Mann, dem sie sich unglücklicher Weise anhängten, gar nicht ihres Sinnes war, und durch sich in bescheidenem, unsterblichem Verdienst glänzte? Sogar geheime Gesellschaften, Geisterseher und Wundertäter bemühten sich für die Kantische Philosophie, weil sie glaubten, daß durch das ihr zugeschriebne Prinzipium eines Glaubens der Konvenienz und eines blinden Gehorsams unter denselben alles gesunde Denken, ihnen zum Vorteil, zerstört werde; ist dies aber Kants Sinn, den ihm auch nur sein ärgster Feind beilegen könnte? Niedrige Parteisucht erklärte sich für oder wider Kant, nachdem hie oder da Stimmen galten, Stimmen entschieden; dies unphilosophische Gezücht geht und gehe unter, indeß Kants eigne Werke bleiben.

Und sie werden bleiben. Ihr Geist, wenn auch in andre Formen gegossen, wenn auch mit andern Worten umkleidet, wird wesentlich weiter wirken und leben. Er hat schon viel gewirkt; fast in jedem Fach menschlicher Untersuchungen siehet man seine Spuren. Durch Kant ist ein neuer Reiz in die Gemüter gekommen, nicht nur das Alte zu sichten, sondern auch, wohin insonderheit der Zweck der Philosophie gehet, die eigentlich menschlichen Wissenschaften, Moral, Natur- und Völkerrecht nach strengen Begriffen zu ordnen. Sehr heilsam sind diese Versuche; sie werden in Tathandlungen greifen und einst, so Gott will, selbst zu angenommenen Maximen werden. Innig wünsche ich also dem (liebensund) ehrwürdigen Greise, daß er sein grosses Geschäft in heiterer Gesundheit, frisch wie ein Jüngling, vollende.

In den „Christlichen Schriften" setzt der Vorgang sich fort; vor allem die letzte über „Religion, Lehrmeinungen und Gebräuche", die als eine Art theologisches Testament Herders gelten kann, streitet heftig wider Kant; und zwar nicht nur gegen die herrschsüchtigen ,,Lehrlingsenthusiasten", sondern auch gegen den Meister selbst. Das Streben Kants, seine Religionsphilosophie in die Bibel hinein zu deuten, ärgert ihn schwer. Wenn Kant dabei durchdrang, war die ernste und geniale Bemühung Herders um eine historisch-psychologische Auslegung der Bibel lahm gelegt. Ferner stieß er sich wie Goethe als religiöser Monist an dem radikalen Bösen. Da er die Religion dort, wo er am tiefsten ging, als ein stetes Empfangen aus der gottbeseelten Natur und Geschichte. faßte, mußte die Kantische Ableitung der wichtigsten

Glaubensgedanken aus Postulaten der praktischen Vernunft ihm unfromm erscheinen, als Vergöttlichung einer selbstgeschaffenen Idee. Was er früher der Aufklärung vorgeworfen hatte, münzte er jetzt in verschärfter Form auf Kant, Dabei liefen ihm neben trefflichen Erkenntnissen mancherlei grobe Mißverständnisse unter; und das ganze war in einen Ton gekleidet, der jede Verständigung ausschloß.

Das Peinlichste aber leistete Herder an persönlicher Verbitterung und sachlichen Irrtümern in seinen letzten philosophischen Büchern, in der Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft (1799; Su 21) und der Kalligone (1800; Su. 22). Daß jene sich an Hamanns Schrift anlehnt, zeigt schon der Titel. Trotzdem war es falsch, wenn der Kantianer Rink sie 1800 für ein Plagiat erklärte (,,Mancherlei zur Geschichte der metakritischen Invasion"). Was Herder geschrieben hatte, entspricht vollständig auch seiner eigenen Stimmung und läßt sich sachlich aus früheren Schriften belegen. Raum und Zeit sind ihm nach wie vor Erfahrungsbegriffe; „Anschauung a priori" bleibt ihm ein leeres Wort, die ganze Kategorienlehre ein Spiel mit inhaltlosen Begriffen usw. Merkwürdig, wie viele Leser das Buch fand; noch im selben Jahre erschien ein zweiter Druck. Die Kalligone richtete sich gegen Kants Kritik der Urteilskraft, gegen seine ästhetische Theorie. Damit kehrte Herder auf das Gebiet zurück, auf dem er einst seinen ersten Ruhm erworben hatte, und auf dem Kants Verfahren verhältnismäßig am wenigsten glücklich war. Hier vertrat Herder vielfach die tiefere Erkenntnis, vor allem über das ästhetische Gefühl, das er bereits nach der Seite der jetzt so viel besprochenen „Einfühlung" ausbildete. Sein Ratgeber war hier wie bei der Metakritik sein treuer Freund Richter (Jean Paul). Und auch hier war die Nachfrage so groß, daß bereits 1801 ein Nachdruck sich lohnte.

Es ist selbstverständlich, daß auch der persönlich gereizte, früh gealterte und sich gegen die Fortschritte des geistigen Lebens verschließende Herder viel Richtiges und Tiefes zu sagen hatte. Aber als Ganzes sind die beiden Schriften verfehlt. Das Gute bleibt so eng mit Mißverständnissen und persönlichen Ausfällen vermengt, daß es

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