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bei der Vereinigung der Städte in einem Staate als verschiedene Götter neben einander gestellt wurden.

Die Frage, wie es gekommen sei, daß man in den einzelnen babylonischen Städten besondere Stadtgottheiten verehrte, ließe sich nur vollkommen beantworten, wenn wir die Entstehung der sumerisch-babylonischen Religion von ihren Anfängen an und insbesondere die Entwicklung der einzelnen Städte kännten. So aber finden wir von der ältesten Zeit her Anu in Erech, Enlil in Nippur, Enki-Ea in Eridu, Nannar in Ur, Sin in Harrān, Babbar in Larsa, Šamaš in Sippar, Ištar in Hallab und Agade, Marduk in Babel, Nebo in Borsippa, Nergal in Kutha, NingirsuNinib in Lagaš usw.

Eine einigermaßen entsprechende Vorstellung von dem tatsächlichen Entwicklungsgange können wir uns machen, wenn wir beachten, daß jedes Gemeinwesen mit seinem Dasein auch seinen besonderen Gott hat. Das sehen wir deutlich an Aššūr, dessen Gott mit der Existenz des assyrischen Staatswesens ohne weiteres auch da ist. Wir sehen ferner, daß mehrere Städte den Mondkultus, andere den Sonnenkultus besonders pflegen. Hier wird er infolge des Vorwiegens der sumerischen Bevölkerung unter einem sumerischen, dort infolge des Übergewichts der semitischen Rasse unter einem semitischen Namen verehrt. Ferner ist zu beachten, daß Marduk, Nebo, Nergal, Ninib u. a., wie wir bei den einzelnen Göttern noch näher sehen werden, nur Erscheinungsformen des Sonnengottes sind, sodaß es sich nur um verschiedene Namen und Verehrungsformen einer wesentlich gleichen Gottheit handelt; außerdem, daß man von einer Ištar von Erech, einer Ištar von Nineve, einer Ištar von Arbēla usw. spricht, die zwar als besondere Göttinnen verehrt und mit besonderen Eigentümlichkeiten ausgestattet wurden, aber doch wesentlich identisch waren. Dazu kommen noch die Städte, die Ištar unter besonderem Namen verehrten. Hier bildet also der Kultort das Individuationsprinzip. Wie ferner zu bestimmten Zeiten und unter bestimmten Herrschern der Kult einzelner Götter besonders blühte, so hegten auch die einzelnen Städte zu gewissen Gottheiten eine besondere Verehrung, ohne daß sich in jedem Falle die maßgebenden Einflüsse dafür feststellen lassen. Der besondere Kult ist meist

in der geschichtlichen Entwicklung der Stadt und ihren Beziehungen zu anderen Städten und Staaten begründet.

Zur Annahme eines astralen Systems, das man an den einzelnen Kultorten gekannt und das für die Verehrung der bestimmten Gottheit als Hauptgottheit maßgebend gewesen sei, fehlen die Grundlagen. Ebenso läßt sich nicht nachweisen, daß man der Meinung war, „,daß sich die eine göttliche Macht in den Stellungen der Gestirne offenbare" und daß „der Lokalkult einer Astralgottheit damit begründet wurde, daß der entsprechende Kultort irgendwie als dem kosmischen Ort entsprechend gedacht wurde, an dem der entsprechende Stern die göttliche Macht offenbarte“ 1.

M. Pancritius 2 glaubt daraus, daß jede Gottheit - außer Enlil an eine Natur- oder Kulturerscheinung anknüpfe“, schließen zu müssen, daß „die babylonischen Götter von Haus aus nicht Stammesgötter, sondern nur Mitglieder des Pantheons eines großen Volkes waren . . . . Hätten die Götter sich isoliert. entwickelt, dann hätte es auch Dubletten gegeben - besonders Sonnen- und Mondgötter". Dubletten gibt es in der Tat, wie wir oben gesehen haben; verschiedene Städte verehren besonders die Sonne, andere den Mond, andere Ištar. Trotzdem möchte ich nicht behaupten, daß sich die Götter isoliert entwickelt haben; vielmehr hat wohl eine starke Einwirkung der einzelnen Städte auf einander stattgefunden, die sich insbesondere darin zeigt, daß mehrere Städte mit Sonnenkult ihre einzelnen Sonnengottheiten als verschiedene Wirkungsarten oder Erscheinungsformen der Sonne erklärten. Auf ein abgeschlossenes astralmythologisches System aber weisen die Tatsachen nicht hin. Daß die sumerischen Götter Ningirsu, Ninharsag u. a. vor den semitischen Gottheiten so rasch verschwinden, ist eine andere Wirkung des Zusammentreffens gleicher Gottheiten. Dieselbe Gottheit wird in semitischer Form, wenn auch modifiziert, weitergeführt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen sumerischer und semitischer Religionsauffassung läßt sich nicht konstatieren, beide sind in innigster Verschmelzung in einander übergegangen.

1) A. Jeremias ATAO2 45.

2) Memnon II (1908) 174 Anm. 2.

Soweit wir zurückblicken können, bilden die babylonischen Götter eine irdisch-himmlische Hierarchie, in der jedes Mitglied seinen besonderen Wirkungskreis hat. So sagt Eannatum 1, König von Lagaš, er sei „mit Stärke begabt von Enlil, genährt mit heiliger Milch von Ninḥarsag, genannt mit gutem Namen von Innina, begabt mit Verstand von Enki" usw. Natürlich ist der Wirkungskreis eines Gottes nicht so genau festgelegt. Derselbe König sagt2, sein Name sei ausgesprochen von Enlil, er sei begabt mit Stärke von Ningirsu, auserkoren im Herzen von Ninā, genährt mit heiliger Milch von Ninharsag, genannt mit gutem Namen von Innina, begabt mit Verstand von Enki, geliebt von Dumuzi-abzu. Entemena ist ,,beschenkt mit dem Zepter von Enlil, begabt mit Verstand von Enki, erkoren im Herzen von Ninā". Man tauscht also gelegentlich die Tätigkeit der Götter, von einem festgeschlossenen Lehrsystem ist noch keine Rede.

A. T. Clay suchte in seinem Buche: Amurru, the home of the northern Semites, die Entstehung der verschiedenen Gottheiten in den babylonischen Städten aus der Vermischung des semitischen mit dem sumerischen Element, insbesondere aus der verschiedenen Art, wie die sumerischen Schreiber den semitischen Sonnengott Amurru in ihrer Schrift wiedergeben, zu erklären. Wer sich jedoch der Theorie Clays von dem westsemitischen Ursprunge der babylonischen Kultur nicht anzuschließen vermag, der wird auch die Zurückführung der babylonischen Hauptgötter auf einen westsemitischen Gott nicht für zutreffend halten können. Wenn verschiedene babylonische Gottheiten auch im Westen vorkommen, so folgt daraus nicht, daß sie aus dem Westen staminen.

1) Geierstele Rs. 4, 42 ff. (Th.-D. 18f.).

2) Feldstein A 1, 5 ff. (Th.-D. 20 f).

4) Philadelphia 1909.

3) Kegel 5, 21 ff. (Th.-D. 41 f.).

II. Kapitel.

Die Stellung der babylonischen Religion
zum Monotheismus.

I. Das Problem.

Die Frage, ob in der babylonischen Religion monotheistische Tendenzen hervortreten, scheint nach den vorausgehenden Ausführungen über die Neigung der babylonischen Theologie, das Pantheon zu spezifizieren und durch neue Gottheiten zu bereichern, nicht im bejahenden Sinne beantwortet werden zu können. Man hat nicht bloß die Götter der einheimischen Städte ohne Bedenken nebeneinander gestellt, man hat auch der Aufnahme fremder Gottheiten in das sumerisch-babylonische Pantheon keinen Widerstand entgegengesetzt. Babylonien, in welchem sich die verschiedenen Erobererstämme in der Herrschaft ablösten, hat ebensowenig eine rein nationale Religion wie ein reines Volkstum aufzuweisen, in beiderlei Hinsicht ist es vielmehr das klassische Land des Synkretismus. Daß nur ein Gott Recht auf Verehrung beanspruchen dürfe, war vom Standpunkte der babylonischen Religion und ihrer geschichtlichen Entwicklung aus etwas Unfaßbares.

Der einst von E. Renan entdeckte monotheistische Instinkt der Semiten sowie ihr auf die Eigentümlichkeit der Sprache zurückgeführter Mangel einer Mythologie bedarf angesichts des babylonischen Altertums keiner Widerlegung mehr. Dem arischen Varuna (Ovoavós) entspricht der sumerisch-babylonische Anu, der Mutter Erde (Anμýtno) dessen Gemahlin Antu oder irșitu, ebenso sind hier wie dort Licht und Feuer lebendige Mächte.

Und doch seit Friedrich Delitzsch in seinem ersten BabelBibel-Vortrag1 bei den in Babylonien eingewanderten Nordsemiten einen gewissen Monotheismus nachzuweisen suchte,

1) Babel und Bibel. 1. Vortr. Ausgabe mit Anmerkungen 45 ff.; 71 ff.

ist die Frage nicht mehr völlig zur Ruhe gekommen. A. Jeremias1 fand im Lichte des hauptsächlich von H. Winckler ausgebildeten astralmythologischen Systems monotheistische Strömungen in der babylonischen Religion, auf Grund deren B. Baentsch2 „zur Revision der entwicklungsgeschichtlichen Auffassung der israelitischen Religionsgeschichte" mahnen zu müssen glaubte. Ähnliche Ansichten wurden bis in die letzte Zeit geäußert. So meint P. Karge 3, es sei durch das von Baentsch beigebrachte Material zwar kein begrifflicher Monotheismus, aber „die nicht verwunderliche Tatsache bewiesen, daß edlere Geister trotz des Polytheismus zu reineren Gottesvorstellungen gelangt sind, die konsequenterweise zum Monotheismus hätten. führen müssen. An dieser Konsequenz hat es aber immer gefehlt. Man kann annehmen, daß solcher Glaube in manchen Zeiten in weiteren Kreisen geherrscht hat. Jedenfalls finden wir über all den Göttern und Göttinnen immer die Vorstellung von dem Herrn der Götter, von dem großen Gotte schlechthin. Jede höhere Göttergestalt kann als Ausfluß oder Schattenbild dieses großen Gottes seine (sic!) Verehrer zu diesem führen und sie zu einer Ahnung des Monotheismus bringen."

Aus diesen Worten Karges geht an sich schon deutlich hervor, daß die Frage noch ziemlich unklar ist. Die ganze Betrachtung steht unter einem falschen Gesichtswinkel, soda jeder Satz vom Anfang bis zum Ende unzutreffend ist. Eine Untersuchung der wirklichen Anschauungen der Babylonier auf Grund der Inschriften dürfte deshalb von vornherein nicht überflüssig sein.

2. Die Stufentürme und die Siebengottheit.

Wenn es dem Wesen der babylonischen Religion durchaus zuwider ist, einem Gotte das ausschließliche Recht auf Existenz oder Verehrung zuzugestehen, so ist doch anderseits

1) Monotheistische Strömungen innerhalb der babylonischen Religion. Leipzig 1904.

2) Altorientalischer und israelitischer Monotheismus. Ein Wort zur Revision der entwicklungsgeschichtlichen Auffassung der israelitischen Religionsgeschichte. Tübingen 1906.

3) Geschichte des Bundesgedankens im A. T. Münster 1909, 148 f. Hehn, Gottesidee.

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